Kitsch, Kult und Kaiserin: Die anhaltende Faszination der Sissi-Filme

Kaiser franz Joseph und Sissi in "Sissi, die junge Kaiserin".
Vor 70 Jahren kam der erste Sissi-Film ins Kino. Warum die TV-Trilogie immer noch funktioniert und wie sie zum Weihnachtsklassiker wurde.

„Darf ich ,Sissi’ schauen?“ Wenn dieser Satz von einer Fünfjährigen durch die Wohnung hallt und sie statt Youtube-Kinderserien einen 70 Jahre alten Klassiker mit historischem Hintergrund sehen will, dann steht fest: Die TV-Trilogie über Kaiserin Elisabeth, das Liebesmärchen zwischen ihr und Kaiser Franz Josef, funktioniert noch immer.

Nicht nur kleine Möchtegern-Prinzessinnen erfreuen sich bis heute an den pompösen Kleidern und haselnussbraunen Haaren Romy Schneiders – auch Erwachsene halten den Mythos „Sissi“, der das Österreich-Bild der Nachkriegszeit wesentlich mitgeprägt hat, am Leben. Übrigens: Regisseur Ernst Marischka wählte das Doppel-s, obwohl sich die Original-Kaiserin mit einem s schrieb.

Alle wollten Romy sehen

Im Gespräch mit dem KURIER erinnert sich eine Zeitzeugin, heute Anfang 80, an den „Hype“, den „Sissi“ 1955 entfachte. „Wir waren natürlich im Kino, es war das Highlight damals“, erzählt sie. In dem kleinen Kino im Pfarrsaal in Niederösterreich wurden Zusatzvorstellungen eingeschoben und Extra-Bänke aufgestellt, weil der Andrang so groß war. Schließlich kam es sogar zu Raufereien um die sieben Schilling kostenden Tickets. „Einfach jeder wollte Romy Schneider sehen. Bis heute wird Kaiserin Sisi nur mit ihr in Verbindung gebracht.“

Bis heute ist auch das „Sissi-Schauen“ in vielen Familien ein feiertäglicher Fixpunkt. Dass die kitschig-kultige Filmreihe zum Weihnachtsklassiker avancierte, liegt am Veröffentlichungsdatum: Ab 21. Dezember war der Film im Kino zu sehen, zudem feierte die 1837 in München geborene Kaiserin Elisabeth am 24. Dezember ihren Geburtstag. Ein echtes Christkind also.

Wie ein Kuschelpullover

Die anhaltende Popularität hat auch emotionale Gründe, erklärt Daniela Renn, Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin in Innsbruck. „Die Sissi-Filme sind so etwas wie ein emotionaler Kuschelpullover. Sie stehen für eine heile Welt, klare Rollenbilder und eine Portion Nostalgie, die vielen Menschen guttut; besonders zu Weihnachten, wenn wir nach Geborgenheit und Ritualen suchen.“ Dazu komme ein starker Familieneffekt, sagt Renn: „Man schaut nicht nur Sissi, man wiederholt ein Gefühl aus der Kindheit. Diese Tradition hält den Zauber am Leben, Generation für Generation.“

Lake Fuschlsee

Berühmte Filmkulisse: Schloss Fuschl wurde zu Possenhofen.

Sissi im Salzkammergut

Besonders spürbar wird der Sis(s)i-Glanz an den Original-Schauplätzen und Drehorten. In Schloss Fuschl, das im Film als Schloss Possenhofen (Bayern) dient und heute ein Luxushotel beherbergt, trinkt man Tee im „Sisi Salon“. Das nahe Bad Ischl, wo die Verlobung stattfand, ist voll von Sisi-und-Franzl-Flair. Und auch die Hauptstadt profitiert vom Sissi-Effekt (siehe unten).

„Die Sissi-Filme sind auch heute noch so beliebt, weil sie die Seele rühren“, begründet auch Michael Wohlfart, Kurator und Sisi-Experte der Schönbrunn Group, die Faszination. „Besonders interessant an den Marischka-Filmen ist die Tatsache, dass in jeder Szene, die erzählt wird, zumindest ein Fünkchen Wahrheit steckt.“ Die drei Filme konzentrieren sich auf die ersten sechs bis sieben Jahre der Kaiserin am Wiener Hof, betont er. „Jüngere Verfilmungen hingegen orientieren sich an der älteren Elisabeth, die durch schwere Schicksalsschläge gezeichnet war.“

Der Mythos wird erweitert

Serien wie „Die Kaiserin“ (Netflix) muten im Vergleich zum Nachkriegskitsch fast düster an. Wird der Mythos dadurch gebrochen? Im Gegenteil, antwortet Renn. „Der Mythos wird nicht zerstört, sondern erweitert.“ Die modernen Serien bedienen das heutige Bedürfnis nach Authentizität: „Wir wollen verstehen, wie Menschen wirklich waren. Das macht Sisi menschlicher und für viele sogar spannender.“

Romy Schneider Characters: Empress Elisabeth Film: Sissi: The Fateful Years Of An Empress (AT 1957) Director: Ernst Mari

Romy Schneider im berühmten "Madeira-Kleid".

Der nostalgische Glanz der alten Filme bleibe trotzdem bestehen, sagt die Psychologin. „Beide Bilder dürfen nebeneinander existieren: die märchenhafte Sissi aus dem Fernsehen und die echte, komplexe Frau. Das hält die Figur lebendig.“

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