Im Jane-Austen-Fieber: England feiert heuer mit Bonnets, Büchern und Bällen

Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass eine Person aus Großbritannien einer Gelegenheit zum Verkleiden nicht widerstehen kann. Doch der Anblick, der sich Anne Shepard an diesem Samstagmorgen auf der Wiese vor dem Royal Crescent bot, übertraf doch ihre Erwartungen: Hunderte Damen in pastellfarbenen Empirekleidern mit taillierten Jäckchen und Haubenhüten, dazu Herren in Frack oder roter Militäruniform, mit Zylinder und kniehohen Stiefeln.
Seit 2001 lädt das Jane Austen Centre im südwestenglischen Bath zum Jane Austen Festival. Die samstägige Kostümparade-Parade begann einst mit 350 Teilnehmern. „Vergangenes Jahr waren es schon 1.200“, erzählt Festival-Direktorin Georgia Delve, die in buttergelbem Regencykleid erschienen ist. „Heuer mussten wir die Teilnehmerzahl bei 2.000 Personen kappen.“

Denn heuer, konkret am 16. Dezember, jährt sich Jane Austens Geburtstag zum 250. Mal. Damit erreicht der Hype um die Romanautorin einen neuen Höhepunkt. Das zeigt sich nicht nur am Buchmarkt – allein in der ersten Jahreshälfte 2025 wurden 78.000 ihrer Romane verkauft; zum Vergleich, im ganzen Jahr 2024 waren es 64.000.
Austenmania!
Das ganze Land ist im Austen-Fieber. Austenmania! heißt passend dazu die Sonderausstellung im Jane-Austen-Museum im südenglischen Chawton, das der früheren Bewohnerin mit einer Fanfare an Festivals gedenkt. „Wir haben diese Events seit vier Jahren geplant“, sagt Museumsleiterin Lizzie Dunford. In der Stadt Winchester wurde wiederum erstmals jenes Stadthaus geöffnet, in dem Jane ihre letzten Monate verbracht hatte; der Andrang war so groß, dass nun ein reguläres Museum überlegt wird.

Das Stadthaus in Winchester, Hampshire, öffnete heuer erstmals für Besucher?
Doch wie kam es eigentlich zu dem Hype? „Zum einen“, meint VisitBath-CEO Kathryn Davies, „fühlen sich ihre Bücher einfach immer noch so zeitgemäß an.“
Jane Austen hat mit Kultwerken wie „Stolz & Vorurteil“ oder „Emma“ nicht nur das Romangenre mitbegründet und mit Lizzie Bennet, Marianne Dashwood oder Mr. Darcy überlebensgroße Charaktere geschaffen, sondern die großen Themen des Lebens in einer pointierten Leichtigkeit so akkurat eingefangen, dass wir uns immer noch in ihnen spiegeln.

Jane Austens Geschichten berühren viele Leserinnen und Leser noch heute.
„Dann“, ergänzt Davies, „werden ihre Romane kontinuierlich neu interpretiert. Das bringt stetig ein neues Publikum zu ihren Büchern.“ Im Februar strahlte die BBC die neue Serie „Miss Austen“ aus. Netflix nutzte das Jubiläumsjahr, um eine Neuverfilmung von „Stolz und Vorurteil“ mit Olivia Colman als Mrs. Bennet anzukündigen.
Und dazu kommt eine Leidenschaft für Verkleidungen – nicht nur unter den Briten, von denen laut Marks&Spencer-Studie jeder Vierte hässliche Kleidungsstücke im Kleiderschrank lässt, für den Fall, dass sie später als Verkleidung dienen könnten. Eine wachsende Gruppe auf der ganzen Welt zelebriert laut Georgia Delve die Regentschaftszeit: die Outfits, die Tänze, die Etikette.

Georgia Delve leitet das Jane-Austen-Festival in Bath.
Regency in Rosarot
Die Amerikanerin Bonny Wise, die für die Parade aus Kentucky anreiste, erklärt etwa, sie kam überhaupt erst über die Kostüme zu den Büchern. Australierin Carolyn White hat den Koffer so sehr mit Regency-Outfits gefüllt, dass nichts anders Platz hatte und sie auch die restliche Reise in Musselinkleidern und Haubenhüten verbringen wird. Und nicht nur während der Parade, die ganze Woche lang, streifen Besucher in historischer Mode durch Bath.
Mit dem heutigen Sonntag mag das bunte Festival in Bath zu Ende gehen, doch die Jane-Austen-Feierlichkeiten sind nicht abgeschlossen. Am 16. Oktober lädt Winchester Cathedral, Austens letzte Ruhestätte, zum Jubiläumsgottesdienst. Im Dezember bietet Bath einen Yuletide-Ball und das Museum in Chawton hält rund um den 16. Dezember ein Geburtstagsfestival ab.
Doch auch kommendes Jahr dürfte die Begeisterung nicht abflauen. Anne Shepard hat den nächsten September schon dick im Kalender angestrichen. „Wir kommen wieder nach Bath!“ Ein Besuch war einfach nicht genug.
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