"House of Dynamite": Die besten Actionthriller macht eine Frau

46-219401449
Kathryn Bigelow hat mit 73 Jahren und nach längerer Pause einen rasanten Actionthriller über eine atomare Katastrophe gedreht, der als ihr fesselndes Spätwerk gefeiert wird.

Noch 18 Minuten bis zum nuklearen Einschlag. Ein US-Präsident, der selbst nicht weiß, was er nun tun soll und Offiziere im Kontrollraum, die an ihre Familien denken, während sie verzweifelt aber funktionierend auf die nächste Anweisung warten.

Kathryn Bigelow serviert erneut einen nervenaufreibenden Action-Kracher, an dem man auch nach dem Abspann zu kieveln hat. Dabei ist „A House of Dynamite“ (seit 24.10 auf Netflix) kein klassischer Katastrophenfilm, der 73-Jährigen geht es immer um die Psychologie der Protagonisten in Ausnahmesituationen. 

Kühl und dennoch mitreißend

Emotional bleiben ihre Filme gerne distanziert, es gibt keinen moralischen Zeigefinger – und gerade deswegen wirken sie nach. Bigelow gilt als Königin der als Männerfilme abgetanen unterkühlt-präzisen Militärstreifen. Sie ist als Frau ohnehin schon eine Ausnahme im Regiefach, als Action-Lieferantin in Oscarqualität ist sie noch einsamer.

Ein Soldat kniet vor einem Panzer

House of Dynamite

Warhol brachte sie zum Film

Dabei ging eigentlich eine Künstlerin an ihr verloren. 1951 in San Carlos, Kalifornien, geboren, studierte sie klassische Malerei in San Francisco und erhielt ein renommiertes Stipendium vom Whitney Museum, um in New York Kunst zu belegen.

Ihre Arbeiten waren düster – wie ihre zukünftigen Filme – und Bigelow tauchte in die Kunstszene der Siebzigerjahre ein. Sie belegte Klassen mit Susan Sontag, Andy Warhol war ein guter Bekannter. Und genau er istes auch gewesen, der sie zum Film brachte. „Andy sagte, dass Film viel populistischer ist als Kunst – dass Kunst sehr elitär ist und man dadurch ein großes Publikum ausschließt.“ 

Bigelow malt heute noch immer als Hobby, sagt aber über ihre Entscheidung: „Ein Malewitsch oder ein Mondrian verlangt, dass man mit einem bestimmten Maß an Wissen an das Werk herangeht. Das braucht man beim Film nicht, er ist zugänglicher. Das war für mich aus politischer Sicht wirklich spannend.“

Erster Regie-Oscar für eine Frau

ITALY-CINEMA-VENICE-FILM-FESTIVAL-MOSTRA

Bigelow 2025 bei den Filmfestspielen in Venedig.

In ihrem ersten Kurzfilm 1978 prügeln sich zwei Männern während Philosophen über Gewalt dozieren – schon da war klar, dass sie hat Spaß dara n hat, wenn Blut spritzt und jemand die tiefere Bedeutung dahinter sucht.

Es folgten Kultfilme wie „Gefährliche Brandung“, „Blue Steel“ oder „Strange Days“ von der introvertierten Motorradliebhaberin, die sich gerne Schwarz kleidet. Sie gibt ungern Interviews, Skandale sind keine bekannt.

Schlagzeilen machte sie nur 1989, als sie James Cameron heiratete. Nach nur zwei Jahren wurde die Ehe der zwei Perfektionisten wieder geschieden. Dem gefeierten „Terminator“- und „Avatar“-Regisseur schnappte seine Ex-Frau 2010 dennoch den Oscar mit „The Hurt Locker“ weg - als erste Frau in der Kategorie „Beste Regie“. Der Thriller über Minenräumer im Irak ist ähnlich direkt und rasend wie ihr neuestes Werk.

Trailer zu House of Dynamite

So realistisch wie möglichDabei waren ihre Filme nie nur Unterhaltung alleine, sondern geprägt von detaillierten Abläufen des Militärs. „Mir ist wichtig, dass man dabei auch etwas lernt“, sagt Bigelow über ihre hyperrealistischen Werke.

„Was mich wahrscheinlich am meisten schockierte, war die Tatsache, dass dem Präsidenten nur wenige Minuten bleiben, um eine Entscheidung zu treffen, die zur globalen Vernichtung führen könnte. Ein ehemaliger Stabschef , den wir fragten, wie oft der Präsident dieses Protokoll probt, sagte ’Fast nie. Sie machen zu viel anderes.’“

„House of Dynamite“ ist da nur folgerichtig ein Film über das fragile Gleichgewicht zwischen Kontrolle und Chaos. Bigelow: „Hoffentlich ist der Film eine Einladung, darüber zu entscheiden, was man mit all diesen Waffen tun soll.“

Kommentare