Goldrausch in den Hohen Tauern

Goldrausch in den Hohen Tauern
In den Bergen zwischen Rauris und Heiligenblut schlummert(e) ein gewaltiger Schatz: das Tauerngold. Einst deckte das Edelmetall ein Drittel des Weltbedarfs. Heute garantiert die Goldsuche spannende Urlaubstage

Theo Huber zeigt auf die Innenkurve des Hüttwinklbaches, in der das rauschende Wasser in einer kleinen Bucht zur Ruhe kommt. „Du musst den Fluss richtig lesen. Genau da musst du Bachschotter entnehmen, hier sind die Chancen für Gold groß!“ Der Guide und Pächter des Goldwaschplatzes „Erlebnis Tauerngold“ in Rauris im Salzburger Land erklärt: „Gold ist ein schweres chemisches Element, sein spezifisches Gewicht ist achtmal höher als das von Schotter. Dort, wo die Fließgeschwindigkeit des Wassers vermindert wird, sinkt es zu Boden.“

Ausgerüstet mit Gummistiefeln, Spaten und einer großen, teils gerippten Plastikschüssel stehe ich im eiskalten Wasser und schaufle eine Ladung „Dreck“ in meine Goldwaschpfanne.

Goldrausch in den Hohen Tauern

Wie hat Theo gesagt? Unter Wasser stets mit rüttelnden Bewegungen das grobe Material über den Schüsselrand hinaus schwemmen. So lange, bis nur mehr wenig feiner Sand (das Schüsselkonzentrat) übrig ist. Nun beginnt der eigentliche Waschvorgang – mit sehr subtiler Technik: Es gilt, das Goldsandgemisch gefühlvoll über die Rippen der Goldpfanne zu kreisen. So sinken die schwereren Goldpartikel zu Boden. „Theo, schau mal, ist das was?“ rufe ich aufgeregt. „Ja, du hast tatsächlich ein paar kleine Goldplättchen gefunden“, nickt er und reicht mir ein kleines Glasröhrchen. Anfängerglück! Drei winzige Gold-Pünktchen glänzen im Röhrchen. „Was ist das wert, Theo?“ Die ernüchternde Antwort: „Gar nichts!“

Goldrausch in den Hohen Tauern

Der idyllische Goldwaschplatz „Erlebnis Tauerngold“ im Rauriser Talschluss Kolm Saigurn befindet sich auf montanhistorisch bedeutsamem Boden: Hier wurde schon in der grauen Vorzeit Gold gewaschen. Im Inneren des Hohen Sonnblicks (3.106 m) und der Goldberg-Gruppe am Ende des Tals lagert(e) ein immenser Schatz: das Tauerngold. Alles Flussgold Österreichs stammt von hier, herausgespült aus dem Berg, abtransportiert von den Bächen. Verteilt bis zur Donau hinaus. Früher waren die Nuggets so groß wie Haselnüsse, heute gibt es nur mehr feinen Goldflitter. Trotzdem erliegt der eine oder andere Gast dem Goldrausch und wäscht so lange, bis ihn Theo am Abend rausschmeißt.

Goldrausch in den Hohen Tauern

Rauris und Gastein (beide im Salzburger Land) sowie Heiligenblut in Kärnten waren die bedeutendsten Schürforte des Tauerngolds, das im alpinen Zentralgneis in Höhen zwischen 2.300 und 2.900 Metern lagert(e). Im Mittelalter war seine Bedeutung enorm: Zur Blütezeit deckte das Gold aus dem Inneren der Tauern bis zu dreißig Prozent des Weltbedarfs.

Vermutlich förderten schon die Noriker vor rund viertausend Jahren das Edelmetall, belegt ist der alpine Goldbergbau seit den Kelten. Als die Fama der ertragreichen Goldadern im Alpenhauptkamm ins antike Rom vordrang, entstand um 130 vor Christus ein erster Goldrausch. So massiv, dass wegen Überproduktion der Goldpreis abstürzte. Sogenannte „Blasen“ gab es schon damals. Geordnete Bergwerksverhältnisse ab dem 12. Jahrhundert bescherten den Landesherren großen Reichtum.

Hochblüte

1520 begann die Hochblüte des Goldbergbaus (sie hielt bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts an) und bis zu fünftausend Knappen werkten in den Tauern. Die Goldberg-Gruppe mutierte zum Emmentaler. Salzburg war das erzreichste Land Europas: Im Rauris- und Gasteinertal wurde zwischen 1550 und 1560 in insgesamt 450 Zechen gearbeitet, die Produktion im Spitzenjahr 1557 betrug hier 827,5 Kilogramm Gold sowie rund viermal so viel Silber. In Heiligenblut auf der Kärntner Seite wurde in weiteren 143 Gruben geschürft.

Was die Abbau- und Fördertechnik betrifft, so änderte sich von der Norikerzeit bis zur Erfindung des Schießpulvers nahezu nichts. Es war harte Knochenarbeit. Die Verhüttung der Golderze war nicht weniger ungesund als der Abbau. Arsen, Quecksilber und Schwefelsäure kamen dabei zum Einsatz. Ganze Landstriche wurden dahingerafft, die Lebenserwartung der Knappen lag bei 35 Jahren. Die Großgewerke wurden reich, die Bergleute hingegen schufteten zu Hungerlöhnen. Doch es gab zumindest auch eine wundersame Holztruhe, „Bruderlade“ genannt: Diese Vorform der Sozialversicherung, in die alle im Bergbau Beschäftigten einzahlten, linderte bei Härtefällen (Krankheit, Tod) die allerschlimmste Not.

Goldrausch in den Hohen Tauern

Golderlebnis Heiligenblut

Das harte Leben der Knappen lässt sich im rekonstruierten „Goldgräberdorf Heiligenblut“ am Originalplatz im Kleinen Fleißtal am Südabhang des Hohen Sonnblicks in 1.800 Metern Höhe eindrucksvoll nacherleben. Auch das Pochwerk wurde mit Originalsteinen wieder aufgebaut. Gut zweieinhalb Gehstunden oberhalb, beim Gold- und Zirmsee auf knapp 3.000 Metern Höhe, befanden sich die bedeutendsten Goldzechen von Heiligenblut.

Maria Loise Semler vom Goldgräberdorf weiß abenteuerliche Geschichten zu erzählen – etwa wie die Knappen dereinst im Winter per „Sackzug“ die geförderten Erze vom Zirmsee zur Verarbeitung ins Pochwerk brachten: Zwanzig und mehr Säcke mit je 50 bis 100 Kilo Erzladung wurden zusammengehängt und quasi als Rodelzug verwendet. Absolut halsbrecherisch. Am Bach des Freilichtmuseums können gegenwärtig Neo-Goldwäscher ihr Glück gefahrlos versuchen. Im späten 16. Jahrhundert begann der Niedergang des Goldbergbaus, die überlegenen Goldfunde in der „Neuen Welt“ vernichteten ihn schließlich.

Goldrausch in den Hohen Tauern

Maria Loise Semler vom Goldgräberdorf weiß abenteuerliche Geschichten zu erzählen

Versuch der Wiederbelebung

Der Rauriser Visionär Ignaz Rojacher, „Moses von Rauris“ genannt, versuchte ab 1878 das entlegene Gebirgstal an das industrielle Zeitalter anzuschließen und den Tauerngoldbergbau wiederzubeleben. Doch er scheiterte – genauso wie Bergwerksunternehmen aus Belgien, Paris, London und der Schweiz. Noch im 20. Jahrhundert gab es punktuelle Versuche zur Wiederbelebung – wegen Unrentabilität waren alle erfolglos.

Als zuletzt 1984 die kanadische St. Joe Company Milliardensummen investieren und fünfhundert gut bezahlte Arbeitsplätze schaffen wollte, fürchtete der Rauriser Bürgermeister Otto Kaiserer Goldrausch, Gift und die Zerstörung des Tales. Das Projekt wurde abgewehrt. Seit der Gründung des Nationalparks Hohe Tauern (international anerkannt ist er seit 2001) ist die Region rund um den Hohen Sonnblick und die Goldberg-Gruppe streng geschützt. An einen weiteren Goldbergbau ist nicht mehr zu denken. Doch ein lokales Sprichwort besagt: „Das Kalb ist heraußen, die Kuh ist noch im Berg!“ Es wird vermutet, dass immer noch immense Goldschätze in den Bergen schlummern.

G wie Geschichte erleben

Goldrausch in den Hohen Tauern

Putzenhof Grosskirchheim

Sehr stattlich: Das schöne Steingebäude wurde von Melchior Putz, dem  erfolgreichsten Gewerken des Heiligenbluter Goldbergbaues, um 1580 erbaut. Nach behutsamer Restaurierung beherbergt der Putzenhof heute ein Restaurant und die Ausstellung „Mythos Gold“. putzenhof.at

 

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Gruberhaus Rauris

Das Gruberhaus ist ein wunderschönes Holzhaus im Ortszentrum von Rauris, vormals „Bruderhaus“: Um 1555 wurde hier von der Bruderschaft „Corpus Christi“ ein Haus zur Versorgung arbeitsunfähiger Knappen eingerichtet. Die erste soziale Errungenschaft!

Goldrausch in den Hohen Tauern

Talmuseum Rauris:

Das Heimatmuseum befindet sich im alten Gewerkengebäude aus dem Jahr 1563. Zu sehen gibt’s Interessantes zur Geschichte des Tauerngolds und des Bergbaus. Etwa, wie Ignaz Rojacher versuchte, 1876 den Goldbergbau in Rauris wiederzubeleben; aber auch zu Brauchtum und dem bäuerlichen Leben in der Region

Klimafreundliche Anreise
Mit ÖBB über Salzburg nach Taxenbach-Rauris; weiter mit dem Bus 640.
 – Mit dem Railjet nach Mallnitz-Obervellach; weiter mit Bus 5108 über Winklern im Mölltal nach Heiligenblut (zirka 6 bis 6,5 Std.)

Panoramastraße
Die kürzeste Strecke von Rauris nach Heiligenblut führt über die  Großglockner- Hochalpenstraße (zirka 70 km), mit Rauris-Gästekarte stark ermäßigte Maut

Aktivitäten
– Erlebniswelt Tauerngold, Bodenhaus: historischer Original-Goldwaschplatz im Hüttwinklbach. goldsuchen.at
– Goldwaschplatz Heimalm, raurisertal.at
– Wandern auf den Spuren des Tauerngolds: Talschluss Kolm Saigurn, Goldberg- und Sonnblick-Gruppe; Tauerngold-Lehrweg und Tauerngold-Erlebnisweg
– Naturfreundehaus Kolm Saigurn: Gebäudereste aus Goldbergbauzeit, kleines Bergmuseum Heiligenblut; heiligenblut.at
– Goldgräberdorf Heiligenblut: rekonstruierte Goldgräbersiedlung in 1.800 m, Freilichtmuseum, Goldwaschen, goldgraeberdorf-
heiligenblut.at
–  Geführte Nationalpark- Wanderung „Geotrail Tauernfester“

Schlafen
– Hotel Kärntnerhof, Heiligenblut: nettes, familiengeführtes 3*-Hotel, schöne Sauna zum Garten.  HP im DZ ab 156 € (für 2 P.), hotel-kaerntnerhof.at
– Landgasthof Weixen, Rauris/Seidlwinkeltal: sehr gute Küche, Hausbrauerei, Fischteiche, Kinderspielplatz, 3 Ferienwohnungen in ruhiger Lage (1 Nacht ab 45 €), weixen.at

Essen
Alpengasthof Alter Pocher, Heiligenblut: beim Goldgräberdorf, urig-gemütlich, sehr gute Küche, rekonstruiertes ehemaliges Pochwerk, Kristallausstellung. Hüttenwirtin Monika Rösler weiß viele Geschichten zu erzählen. alterpocher.at

Auskunft
nationalpark.at, nationalpark-hohetauern.at, tauernhoehenwege.org

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