In diesem Powder-Paradies betreibt der bekannte Schweizer Outdoor-Ausstatter Mammut seine weltweit einzige Alpine School gleichen Namens. Mit einem einzigartig niederschwelligen Zugang für alle Skifans und Snowboarder, die ins Gelände aufbrechen wollen – zu akzeptablen Paketpreisen (Kurs, Guide, Leihausrüstung, Hotel) und mit garantierter Durchführung ab zwei Personen. Trotz anhaltenden Schneefalls tritt unser Skigrüppchen also pflichtbewusst in der Mammut-Homebase an – und hört von Schulleiter und Bergführer Markus Wey: „Irgendetwas geht immer, Stornos wegen Schlechtwetter gibt es bei uns eigentlich nicht.“ So werden wir neben Kaffee und „Gipfeli“ mit Leihequipment versorgt: Tourenschuhe, Ski, Bindung, Harscheisen, Felle, Stöcke, Sicherheitsausrüstung mit Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS), Schaufel und Sonde, Airbag-Rucksack, Kartusche. Da kommt schon einiges zusammen. Snowboarder bekommen für den Aufstieg Schneeschuhe.
Auch wenn die Skilifte stehen, gibt es in Andermatt eine (landestypische) Lösung für die Bergfahrt: die Schweizer Bundesbahn. So tuckern wir quasi mit der „Bim“ auf den Nätschen (Mittelstation des Gütsch), die Ski auf der Gepäckablage. Fluffige, sanftwellige Daunentuchent so weit das Auge reicht. „Hier ist es lawinensicher“, erklärt Markus. Dennoch gilt Lektion eins dem Umgang mit dem LVS sowie „Bergeübungen“: Jeder muss das im Tiefschnee verstecke Lawinenpieps finden. Erst danach ziehen wir die Felle auf und schlurfen im Gleitschritt los.
Der Wind orgelt, die Luft ist weiß, Schneekristalle stechen auf der Haut. Zwischendurch bricht die Sonne hervor und gibt spektakuläre Panoramen frei. Sekunden später schneit es wieder. Trotz hochalpiner Wetterkapriolen kommen wir zu einigen Höhenmetern und zu einer herrlichen Powder-Talabfahrt.
Tags darauf herrscht Traumwetter. Per Gondel schweben wir auf den Gemsstock, bewundern die Aussicht und schwingen uns in unberührten Tiefschneerinnen neben den Pisten ein. Nochmals rauf und ab auf die Rückseite des Bergs. Hier dürfen wir nun genau das erleben, was Andermatt ausmacht: himmlisches, schier endloses Freeriden in unberührter Natur. Das „Felsental“ führt uns hinunter in den verträumten Ort Hospental, wo dem Ski-Glück kulinarische Freuden im Gasthaus St. Gotthard aus dem Jahr 1723 folgen.
Wer nach Andermatt kommt, sollte auch der spannenden Geschichte des Bergdorfes nachgehen. Am besten gemeinsam mit Bänz Simmen auf seinen kurzweiligen historischen Dorfspaziergängen. Er erzählt: „Das Urserntal war wegen hoher Berge und der abgrundtiefen Schöllenenschlucht (vulgo Teufelsschlucht) einst unzugänglich, lawinengefährlich und wimmelte vor Bären. Definitiv unsexy und lebensfeindlich! Erst die Walser machten es ab dem 12. Jahrhundert urbar.“
Das handelstüchtige Wandervolk wusste mit den Bergen umzugehen, baute einen Saumpfad über den Gotthard-Pass, eine Brücke über die Teufelsschlucht und verband erstmals den deutschsprachigen Raum mit Italien. „Nun kamen alle guten Dinge aus dem Süden in die Schweiz“ erklärt Benz. Der rege Austausch sorgte für Wohlstand – und der emotionsgeladene „Mythos Gotthard“ zog viele an. Unter anderen Johann Wolfgang von Goethe. Er notierte: „Andermatt ist mir unter allen Gegenden, die ich kenne, die liebste und interessanteste.“ Vor allem der Schnee hat es dem Geheimrat angetan. „Er war unser erster Marketingstratege“, schmunzelt Bänz. In Folge setzte ein Gästeansturm ein und Grandhotels entstanden.
Doch 1882 war plötzlich alles anders: Der Gotthard-Bahntunnel wurde eröffnet und beschleunigte die Fahrt nach Italien enorm. Andermatt wurde links liegen gelassen und fiel in einen komatösen Dornröschenschlaf. Statt Touristen kam dann das Militär und installierte ein Armeezentrum. Das Bergdorf fütterte bis zu zehntausend Soldaten, bis 1999 die Gotthardfestung geschlossen wurde. Zwei Drittel der Bevölkerung war über Nacht ohne Einkommen.
Aber 2004 tauchte der zweite geniale Marketingstratege auf, der ägyptische Multimilliardär Samih Sawiris. Unter dem Markennamen „Andermatt Swiss Alps“ stampfte er mehrere Schickimicki-Luxushotels aus dem Boden des Urserntals. Der neuerliche Aufschwung zog auch das heruntergekommene Dorfzentrum mit. Viel ist geschehen, eine charmante Mischung aus urig und mondän entstand. Goethe würde Andermatt nicht wiedererkennen. Sein geliebter Schnee aber ist immer noch vorhanden.
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