Regional-Krimis: Viel mehr als eine Mords-Gaudi
Beweismittel, Fingerabdrücke, alles da. Täter und Opfer ebenfalls. Aber wo der Ermittler Arno Bussi heißt und anderes Personal Resi, Emil und Eva, laufen die Dinge irgendwie anders.
Natürlich, in „Der Tote im Schnitzelparadies“ geht es auch blutig zu, nicht nur in der Küche. Aber schön langsam. „Die wildesten Geschichten beginnen ja meistens völlig harmlos“, heißt es nicht zufällig im neuen Krimi von Joe Fischler. Hier träumt ein Gruppeninspektor von der weiten Welt und kommt dann in der Dienstwache Hinterkitzlingen in Tirol wieder zu Sinnen. Willkommen in der Provinz, willkommen bei einem neuen Regional-Krimi.
Ein Genre, das seit Jahren immer exotischere Schauplätze gebiert. Trieben sich gewiefte Gangster und schnüffelnde Ermittler in den Anfängen des Krimis vorwiegend in Metropolen wie Paris, London oder Los Angeles herum, sucht das fiktive Böse seit geraumer Zeit Orte wie das 14-Seelen-Dorf Kato Koutrafas auf Zypern oder eben Hinterkitzlingen in Tirol heim.
Wie das? Die Vergleichende Literaturwissenschaftlerin Andrea Kreuter weiß eine Antwort. „Durch die Erweiterung des Mobilitätsradius kommt es zum einen häufiger zum Verlassen der eigenen Heimat“, sagt sie, „zum anderen jedoch auch zur touristischen Entdeckung neuer Regionen.“
SOKO Schilcherland
Noch weiter gedacht: Warum sollte es in einer scheinbar unscheinbaren Gemeinde in der Steiermark unspannender zugehen als im kalifornischen Napa Valley? Die Betonung von regionalen Sitten, Gebräuchen und Geschmäckern rücken diese Art Krimi in die Nähe des Heimatromans. Quasi „als Gegenkonzept zur Globalisierung“, wie Andrea Kreuter meint.
Dem Publikum gefällt’s. Bücher mit Titeln wie „Erntedank“ oder „Leberkäsjunkie“ verkaufen sich wie warme Semmeln.
Detto im Fernsehen: Die „Tatort“-Reihe ist mit einem guten Dutzend von Bremen bis Wien verankerter Ermittlerteams seit Jahren ein Quotenhit. Ebenso die ORF-„Landkrimis“. Sie treffen den Nerv der Zeit, weil eines sie eint: Sie erzählen von den Chancen in der Provinz – im Guten wie im Bösen.
Eine Formel mit Erfolg
So betrachtet, erscheint Europa auf einmal in einem neuen Licht. Der Sage nach stieg Aphrodite, die Göttin der Liebe, aus der Brandung Zyperns. Davon mag man schon gehört haben. Aber Literatur aus Zypern, die über einen Reiseführer hinausgeht? Fehlanzeige. Bis jetzt jedenfalls.
Mit „Tod auf dem Aphroditefelsen“ hat ein gewisser Yanis Kostas dem südöstlichsten Land Europas jüngst ein so spannendes wie unterhaltsames Denkmal gesetzt. Die Story: Sofia Perikles, eine verwöhnte Botschaftertochter, nimmt nach absolviertem Studium in London ihren allerersten Job an. Als Junior Security Adviser im Innenministerium der Republik Zypern.
„Breaking News“
Was auf dem Papier prächtig klingt, schaut dann so aus: Sofia muss ihren Dienst in einem Kaff mit schlechtem Handyempfang und großer Nähe zur türkischen Grenze schieben. Ein Autounfall mit einem tödlich verunglückten Liebespaar entpuppt sich als Mord. Was steckt dahinter? Eifersucht? Und wer? Russen gar?
Lesen Sie selbst. Alexander Oetker, Berliner Sohn eines griechischen Zyprioten, verfasste diesen Krimi unter dem Pseudonym Yanis Kostas. Und war einigermaßen schockiert, als seine zweite Heimat erst vor wenigen Wochen mit den realen Taten eines Serienmörders für Breaking News in den Weltnachrichten sorgte. Autor Oetker: „Und das auf einer kleinen Insel, auf der jeder jeden kennt. Unglaublich! Ich sag es ja immer: Die Realität ist brutaler als jeder Krimi.“
Brutal normal
Buona Sera, Dober Vecer, Guten Abend und Kalispera: Bei Lesungen grüßt Veit Heinichen mitunter in vier Sprachen. Nicht, weil der Autor damit angeben will, sondern weil er es von Triest, seiner zweiten Heimat, so kennt.
Seit bald zwanzig Jahren arbeitet sich der gebürtige Deutsche an den komplizierten Verhältnissen im Grenzgebiet von Triest ab. Zehn Mal schon hat er seinen Commissario Proteo Laurenti losgeschickt, um der Kriminalität in dieser Region beizukommen. Jetzt übernimmt eine Frau das Kommando: Xenia Zannier.
Heinichen-Fans kennen die furchtlose Polizistin mit Dienstort Grado. Sie hatte schon einen starken Auftritt im Laurenti-Krimi „Im eigenen Schatten“. Schauplätze, die nun dazukommen: Berlin, München, Salzburg, Novigrad, Rijeka und Rom.
So betrachtet, sprengt „Borderless“ die Grenzen des Regional-Krimis. Heinichen selbst bezeichnet ihn eher als Thriller. Wie auch immer, das für Touristen vormals verschlafene Triest wurde durch Veit Heinichen zum Sehnsuchtsort für Krimifans, die auch etwas für Weine und Öle aus dem Karst über haben.
Querseinsteigerin
Claudia Rossbacher erweist sich in kriminologischer Hinsicht sehr flexibel. „Ich kann grundsätzlich überall morden“, sagt die gebürtige Wienerin. Sechzehn Jahre lang war sie Texterin und Kreativdirektorin bei Werbeagenturen, bevor sie ihren ersten Fall auflöste: „Hillarys Blut“. Ein Debüt, das mit exotischem Schauplatz glänzte, der Karibik.
Verheiratet mit einem Steirer, lag die nächste Location auf der Hand. Sandra Mohr, ihre Inspektorin des LKA Steiermark, hält mittlerweile bei ihrem neunten Einsatz. Einige davon wurden erfolgreich verfilmt. „Als Stadtkind bin ich ein paar Mal für Themen ins Ferienlager in die Steiermark geschickt worden und habe mich dort, am Reinischkogel mitten im Wald, ausgesprochen frei und wohl gefühlt.“
Unter Palmen im Bikini
Aber man darf jetzt nicht glauben, dass sich Claudia Rossbacher in ein Dirndl kleidet, wenn sie ans Schreiben geht. „Klischee olé! ,Steirerkind’, das bei der Ski-WM in Schladming angesiedelt ist, habe ich großteils unter karibischen Palmen im Bikini geschrieben.“
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