Wie die bekannteste Trendforscherin die (Mode-)Zukunft sieht

Wie die bekannteste Trendforscherin die (Mode-)Zukunft sieht
Trendforscherin Li Edelkoort erklärt, was wir bald tragen werden und wie uns Corona dabei beeinflusst

Li Edelkoort ist positiv gestimmt. Die wohl berühmteste Trendforscherin der Welt kann der Corona-Krise neben den wirtschaftlichen Nachteilen auch Gutes abgewinnen was Mode, Wohnen, aber auch unsere Werte betrifft.

Edelkoort gilt seit Jahren als Orakel, nach dessen Prognosen auch Marken wie Coca-Cola oder H&M gieren und sich beeinflussen lassen. Neben ihrem zweijährlichen Trendreport hat sie sich nun in einem Online-Vortrag auch über die Auswirkungen der Corona-Pandemie geäußert.

Die Pandemie als Wendepunkt

„Alles, was uns im Lockdown klar wurde, wussten wir bereits: dass wir überarbeitet, gestresst waren, zu viele Informationen, zu viele Waren produzierten. Wir sollten damit aufhören.“

Die Pandemie sieht sie als Wendepunkt, der die Menschheit zwingt, ruhiger zu werden und über Gewohnheiten und Zukunftsfragen nachzudenken – weg von den schnellen Impulskäufen, hin zu gut überlegten Investitionen, die nachhaltig sind.

Diese Tendenz kann Zigi Mueller-Matyas – Shopbesitzerin und Mitbegründerin der Vienna Fashion Week – schon jetzt feststellen. „Edelkoort hat so recht damit. Die Kunden kaufen seit Corona tatsächlich viel anders und bewusster ein.“ Jetzt fragen die Leute plötzlich nach dem Material der Kleider. „Polyester wollen meine Kunden nicht mehr tragen“, so Mueller-Matyas.

Schon im Jahr 2015 sagte Li Edelkoort „das Ende der Mode so wie wir sie kennen“ voraus. Die Modeindustrie sei „lächerlich und eine Parodie auf sich selbst“ geworden, erklärte sie damals unverhohlen. Nun ist sie sich sicher, dass es in den nächsten Jahren eine neue und starke Verbundenheit mit der Natur geben wird.

Wie die bekannteste Trendforscherin die (Mode-)Zukunft sieht

Jil Sander: Weiche Stoffe, weite Schnitte

Stille und Licht

Ihren Trendreport für 2021/22 brachte die 69-Jährige dieser Tage unter dem Wort „Stillness“ heraus – denn Stille sei das größte Schlagwort der nächsten Monate, neben Zwanglosigkeit und dem Thema Licht.

In der Mode dominieren in Zukunft lockere, weite Schnitte in hellen, ruhigen Farben (zartes Rosa, Blau, Orange oder Grün) – allen voran Weiß. Die Nicht-Farbe wird die nächsten zwei Jahre essenziell, ist sich die Trendexpertin sicher. Dunkle Töne werden dagegen nur als Akzente eingesetzt. Mueller-Matyas sieht diese Prognose jedoch skeptisch: „Die neuen Kollektionen sind nicht von allzu hellen Farben geprägt, den Winter sehe ich bislang nicht in Weiß.“

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Drapierungen bei Alexander McQueen

Komfort - mit Trekkingsandalen und weiten Kleidern

Was aber den von der Holländerin besagten höheren Stellenwert von Handwerk, Naturmaterialien und Strickkleidung angeht, kann die Wiener Modekennerin nur unterschreiben. „Handwerk und Details werden schon jetzt stärker wahrgenommen.“

Bei Stoffen wird sich laut der viel zitierten Holländerin alles um Leinen, Leder und Wolle drehen. Statt Sexyness und figurbetonten Outfits steht außerdem der Komfort an vorderster Stelle.

Erste Anzeichen davon gibt es längst. Nicht von ungefähr sind die Must-haves der prominentesten Modevorbilder im Corona-Sommer weite Walle-Kleider und die praktischen Trekking-Sandalen von Chanel. Visionär Karl Lagerfeld hatte sie schon 2015 präsentiert, erst jetzt gibt es aber ein Griss um die „Dad Sandalen“.

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"Dad Sandalen" von Chanel

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Walle-Kleid von LaLa Berlin

Zwanglos und zeitlos

Im Winter wird es gemäß dem Trendreport auch eine „große Wiederbelebung der Strickwaren geben. Man braucht Wärme und Glück, das aus der Weichheit kommt“. Klassische Mode rückt in den Mittelpunkt, zeitlos und ungezwungen.

Was den Wohnbereich angeht, dreht sich alles um Holz und Pflanzen. Man will sich die Natur nachhause holen und zur Ruhe kommen. „Wir müssen eine Atmosphäre schaffen, in der unser Leben wichtiger wird als unsere Arbeit“, postuliert Edelkoort gar. Ausschlafen, Spazierengehen oder Backen werden wieder geschätzt. Das Virus „wird ein unbeschriebenes Blatt für einen Neuanfang“ liefern, prophezeite das Orakel jedenfalls schon Anfang März.

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Strick von Hals bis Fuß bei Dolce & Gabbana

Werdegang
Lidewij (Li) Edelkoort  wurde 1950 in den Niederlanden geboren, hat Modedesign studiert und  als Koordinatorin in einem Amsterdamer Kaufhaus gearbeitet, bis sie nach Paris zog, um als Trendexpertin Karriere zu machen. Seit 35 Jahren gilt sie als eine der wichtigsten und bedeutendsten Trendforscherinnen der Welt

Unternehmen
Mittlerweile bedient Edelkoort verschiedenste Industriezweige aus den Bereichen Interieur, Mode, Auto, Architektur und Kosmetik.   Ihre Firma „Trend Union“ mit Sitzen in Paris, New York und Tokio veröffentlicht Trendprognosen zwei Jahre im Voraus. Zwei Mal im Jahr erscheinen Trendbücher

Zukunft
Edelkoort spricht von der Zukunft als „Zeitalter der Amateure“, in dem die lokale Klein-Industrie wichtiger wird. Es soll „ein Jahrhundert der Kunst und des Handwerks“ werden

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