No-Nut: Was passiert, wenn Männer auf den Orgasmus verzichten?
Im November heißt’s für viele Männer: Hände weg vom genitalen Glück. Das soll die Lebensenergie fördern. Wirklich?
Der November hat so manchen Fixstarter: Nebel, Kastanien, Melancholie. Und seit ein paar Jahren auch einen Trend, der klingt, als wäre er in der Marketingabteilung einer katholischen Männergruppe entstanden: No Nut November. Heißt: kein Orgasmus, keine Masturbation, kein Sex – dreißig Tage lang. Eine Art Fastenzeit fürs Souterrain.
Entstanden ist das Ganze im Internet. Genauer: in den Tiefen von Reddit, wo sich Männer gegenseitig anfeuerten, „den November ohne Nuss“ durchzuhalten. Nuss steht hier fürs Ejakulieren. Ursprünglich war es als ironische Challenge gedacht – ein digitaler Selbstversuch. Inzwischen ist daraus ein Ritual geworden, das jedes Jahr Millionen Klicks und Hashtags (#NoNutNovember, #NNN) generiert. Manche machen da aus Spaß mit, andere aus spiritueller Überzeugung, weitere, weil sie hoffen, damit endlich wieder „klar im Kopf“ zu werden.
Doch was bringt’s wirklich? Eine aktuelle Studie der Uni Toronto, veröffentlicht im Journal of Sexual Medicine, kam zu einem ernüchternden Ergebnis. Weder Stimmungslage noch sexuelles Wohlbefinden verändern sich signifikant. Kein messbarer Energiebooster, kein mental-genitales Wunder. Nur eines war auffällig: Wer teilnahm, zeigte eine höhere „sexuelle Flexibilität“ – also die Fähigkeit, sich auf Veränderungen in der eigenen Sexualität einzulassen, neue Wege zu denken, Gewohnheiten zu hinterfragen. Nicht der Verzicht macht die Menschen offener, sondern eher umgekehrt: Offenheit bringt sie überhaupt erst dazu, so einen Verzicht auszuprobieren. Der Unterschied zum verwandten Trend „No Fap“ ist übrigens subtil, aber entscheidend: Während „No Nut November“ auf einen Monat befristet ist, ist „No Fap“ eine dauerhafte Bewegung, die Masturbationsabstinenz als Lebensstil propagiert – teils mit Heilsversprechen à la „mehr Energie, bessere Konzentration, endlich wieder Alphamann“. Die wissenschaftliche Lage? Dünn. Die Erwartungshaltung spielt eine riesige Rolle. Oder, wie eine Innsbrucker Studie („Effekte einer Masturbations- und Pornografie-Abstinenz“), in etwa nüchtern festhält: Wer an den Effekt glaubt, spürt ihn auch. Nur nebenbei: Medizinisch spricht wenig gegen das Hollodero in der Beckenlandschaft. Studien zeigen, dass regelmäßige Ejakulationen gut fürs Herz, Hirn und die Prostata sind. Aber, ruhig Blut: Als Gegenpol zum „No Nut November“ folgt das nächste Internet-Wunderwerk: Destroy Dick December. Eine parodistische Challenge, die fordert, im Dezember täglich öfter zu masturbieren. Alles ein bisserl absurd. Denn am Ende geht es weder ums Zählen noch ums Verzichten. Weder um digitale Keuschheit noch um Onanieorgien. Sondern um das, was man selbst für richtig hält. Masturbation ist dann gesund, wenn sie nicht destruktiv oder zwanghaft wird, sondern aus Zärtlichkeit gegenüber sich selbst geschieht. Aus Freude – nicht wegen der Challenge. So oder so ist es völlig in Ordnung, auch ohne Trend mal lustlos herumzuhängen und „da unten“ laisser faire zu praktizieren. Denn anders als Algorithmen lässt sich Begehren nicht programmieren.
Test
Die Stiftung Warentest prüfte 19 Sextoys (Vibratoren, Dildos, Masturbatoren, Analplugs) mit ernüchterndem Ergebnis: Nur sieben sind unbedenklich. Drei App-gesteuerte Modelle übermittelten intime Nutzungsdaten an Hersteller, eine iOS-App sogar an ChatGPT. Daher lieber ohne App verwenden. Zwei Toys enthielten hormonell wirksames Nonylphenol, ein Vibrator gab zu viel Nickel ab. Wichtig bleibt Hygiene: Wasser und milde Seife genügen.
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