Warum eine Akademikerin liebend gerne Taxi fährt
Sie startet ihren Wagen meist vor acht Uhr in der Früh. Denn das Geld liegt für sie nicht auf der Straße, möchte durch tägliche Beständigkeit ehrlich verdient werden. Die neuen Gassen, Straßen und Plätze im flott gewachsenen Wohnviertel rund um die Veterinärmedizinische Fakultät bzw. ihre Wohnung in Wien-Floridsdorf kennt Diana Ispas mindestens so gut wie das Innenleben ihrer Handtasche.
Große Erfahrung
„Ich fahre schon seit 2008 mit dem Taxi“, sagt die gebürtige Rumänin, die in Constanţa am Schwarzen Meer aufgewachsen ist und an der Uni Französisch und Italienisch studiert hat. Im Jahr 2001 kam sie nach Wien: „Damals aus Liebe zu einem Mann.“ Nachsatz: „Heute ist es mehr aus Liebe zu dieser Stadt.“
Bei einem Taxistand in der Nähe des Franz-Jonas-Platzes wartet sie auf die erste Fuhr des Tages. Kurz zuvor hat eine Stammkundin aus dem zweiten Bezirk ihren Auftrag ("zum Freud-Museum in der Berggasse im neunten Bezirk") zurückgezogen. Jetzt heißt es zunächst einmal: Warten.
„Für mich war Taxifahren eigentlich nur Plan B“, nützt Diana Ispas die Zeit, um zu präzisieren, warum sie heute nicht in einer Schule arbeitet, sondern Menschen mit ihrem Wagen kreuz und quer durch Wien kutschiert. Sie konnte sich anfangs mit dem Fahr- und Trinkgeld ihre insgesamt drei Semester lang dauernde Ausbildung zur diplomierten Fremdenführerin finanzieren.
Und sie spricht das auch ganz offen an: „Ich habe mich erst geniert, dass ich im Taxi gelandet bin.“ Doch das habe sich bald geändert: „Ich durfte mit Ausnahme einiger stark Alkoholisierter zumeist sehr gute Erfahrungen mit den Menschen in Wien machen. Ich habe unterwegs Deutsch gelernt, aus Büchern beim Warten, aber noch viel besser von den Fahrgästen. Und ich habe als zunächst Fremde in dieser Stadt viele Ecken und Enden entdecken dürfen.“ Etwa den ganz großartigen Nussberg, wo jetzt gleich die erste Fahrt hingehen soll. Natürlich auch die neuen Stadtentwicklungsgebiete, wo die Straßen teilweise noch keine Namen haben.
„Ich habe diesem Beruf sehr viel zu verdanken“, sagt Diana Ispas unterwegs. Aus diesem Grund hat sie nie zu fahren aufgehört, was in der Pandemie zum Vorteil wurde: „Heuer habe ich erst zwei Stadtführungen absolviert.“ Anders als viele Kollegen ist sie auch nicht dem Ruf der beiden Plattformen Uber und Bolt gefolgt, sondern lieber der alten Vermittlungszentrale 40 100 treu geblieben: „Wir halten zusammen, in guten wie in schlechten Zeiten.“
Ihr nächster Weg heute führt sie in die Werkstatt ihres Vertrauens, womit wir auch bei einer Kehrseite in ihrem Beruf angelangt sind. Dort teilt ihr der Mechaniker mit, dass der neue E-Sensor nicht 300, sondern gut doppelt so viel kosten wird. Und dass der Wechsel unbedingt sein muss. Denn ist einmal der Dieselpartikelfilter verstopft, dann wird es erst so richtig teuer.
Großes Kino
„Meine Schuhe“, versucht es die Unternehmerin sportlich zu nehmen, „sind bei Weitem nicht so teuer wie die Schuhe meines Autos.“ Und apropos Unternehmerin: „Wenn ich nicht im Auto sitze, kann ich auch kein Geld verdienen.“
Grundsätzlich fährt Diana Ispas nicht in der Nacht und auch nicht am Wochenende. Ihre persönliche Bilanz lautet so: „Im Taxi kann man nicht reich werden, aber man kann, wenn man fleißig ist, schon über die Runden kommen.“
Und Lehrerin möchte die Quereinsteigerin heute auch nicht mehr sein: „Mir ist in meinem Taxi nie langweilig.“ Steht sie am Standplatz, liest oder lernt sie. Fährt sie, freut sie sich über diese oder jene Lebensgeschichte, die sie ein wenig anders als Pfarrer oder Psychologen eher flüchtig, en passant mitbekommt.
Zur Untermauerung ihrer Behauptung dient gleich die nächste Fuhr: ein Wiener, der heute in Deutschland lebt, und der sich auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt schon auf das Wiedersehen mit seiner Schwester freut. In der Gegenrichtung bringt sie am Nachmittag noch eine Kundin hinaus zum Airport, von wo diese zurück zu ihrem Arbeitgeber fliegen muss.
Fahrten aus Wien hinaus sind lukrativ. Doch es gibt auch andere: „Oft fahre ich einen halben Tag nicht auf die andere Seite der Donau.“ So gesehen gibt es auch im Taxi ausgleichende Gerechtigkeit.
Für KURIER-Leserinnen: Die Taxivermittlungszentrale 40100 verschenkt für die ersten fünf Frauen, die sich in ihrer Taxischule melden, eine Taxilenkerausbildung im Wert von 460 €. Voraussetzungen sind ein Mindestalter von 20 Jahren, eine einjährige
Pkw-Fahrpraxis sowie ein Leumundszeugnis. Bitte hier melden: office@taxischule.at.
Buch über Taxifahrer: In seinem Buch „Ein Leben voller Abzweigungen“ (Leykam, 191 Seiten, 22 €) lässt Robert Fröwein 17 Taxifahrer zu Wort kommen, leider nur Männer, leider nur Uber-Fahrer.
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