Unser Wörterbuch wird 70: Von „Alliierten“ zur „Generation Z“
Österreich ist frei! Dieser Satz konnte bekanntlich erst im Jahr 1955 im Wiener Belvedere ausgerufen werden. Bereits fünf Jahre zuvor begann sich die kleine Republik im Herzen Europas hinsichtlich der Sprache ihrer Bürger allmählich zu emanzipieren.
Mit einer Verordnung des Unterrichtsministeriums vom 1. Jänner 1950 war das Österreichische Wörterbuch auf den Weg gebracht worden. „Ein Jahr später kam es als reines Schulwörterbuch heraus“, so die Germanistin Christiane Pabst, die heute die Wörterbuchredaktion leitet.
23.600 Stichwörter enthielt das Nachschlagewerk der ersten Stunde. Darunter waren zum Beispiel: Alliierte, Backfisch, Fernsprecher, Gendamerieposten, Stenographie sowie der Zonentarif.
Im Vorwort wurde angemerkt, dass das neue Österreichische Wörterbuch an die Stelle der zuvor verwendeten Regeln für die deutsche Rechtschreibung nebst Wörterverzeichnis treten und nunmehr „die Grundlage der Rechtschreibung in Schulen und Ämtern“ bilden soll.
„Es folgte einer amtlichen Schrift, die bereits seit der zweiten Orthographischen Konferenz 1901 die Rechtschreibnormen vorgab“, erläutert Christiane Pabst.
Gratis für die Schüler
Im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs erlebte auch das hiesige Wörterbuch Fortschritte: Mit der 28. Auflage, die 1969 herauskam, ging das einmillionste Exemplar über den Ladentisch einer Buchhandlung. Zum echten Bestseller, den jedes Schulkind in Österreich kennenlernen sollte, wurde aber erst die 32. Auflage drei Jahre später. Der Nationalrat hatte kurz zuvor beschlossen, dass alle Schulbücher gratis ausgegeben werden sollen – auch das Wörterbuch. Schmankerln des österreichischen Wortbestands jener Zeit: Aschantinuß, Konfektionsgeschäft, schußlig sowie Schmankerl.
Ungemach für die Mannheimer Duden- ebenso wie für die österreichische Wörterbuch-Redaktion brachte die politisch hitzig debattierte Reform der deutschen Rechtschreibung. Die Insiderin Christiane Pabst erinnert sich: „Nach der Reform 1997 mussten die damaligen Redakteure innerhalb nur eines Jahres die Ausgabe komplett überarbeiten.“
Die neue Schifffahrt
Korrigiert wurden in diesem Jahr unter anderem der viel belächelte Tunfisch oder die ältere Semester den Kopf schütteln lassende Schifffahrt mit drei f. Gewöhnungsbedürftig war auch: die neue -ss/ß-Schreibung, die Gemse sowie die Orthografie (statt Orthographie).
Als einen Meilenstein bezeichnet Chefredakteurin Christiane Pabst dagegen die aktuelle, die 43. Auflage, die seit fünf Jahren gedruckt wird und erstmals auch ein Online-Pendant besitzt. Die Schul- und die Buchhandelsausgabe enthalten jeweils 94.000, die Kompaktausgabe 20.000 Stichwörter.
Derzeit bereiten die Wörterbuch-Macher ihre 70-Jahr-Feier im Herbst vor. Gleichzeitig sind sie mit der Finalisierung der 44. Ausgabe beschäftigt. Die soll 2022 erscheinen und neu Covid-19, Kanzleramtsminister, Mehrphasenführerschein, Millennials, Superspreader, Subsaharaafrika, Sterndeutung sowie Generation Z enthalten.
Neben zahlreichen Neuaufnahmen soll das neue Wörterbuch eine bessere Verweisstruktur und mehr Markierungen bieten. Etliche Stichwörter werden erstmals als diskriminierend, sexistisch oder frauenfeindlich gekennzeichnet sein. Womit auch diese Ausgabe aktuelle gesellschaftliche und politische Debatten reflektiert.
Erste Ausgabe: Im Jahr 1951 ist die erste Ausgabe des Österreichischen Wörterbuchs erschienen. Es ist somit auch ein ständiger Wegbegleiter der Zweiten Republik.
43. (aktuelle) Ausgabe: Seit dem Jahr 2016 wird die 43. Auflage ausgeliefert. Seither gibt es das Österreichische Wörterbuch auch online, und zwar unter: www.oewb.at. Anders als www.duden.de ist dieses Verzeichnis jedoch nicht frei zugänglich, sondern nur für die Inhaber einer Printausgabe (mit eigenem Zugangscode).
94.000 Stichwörter umfasst die aktuelle Ausgabe des Schul- ebenso wie des Buchhandelswörterbuchs, fast vier Mal so viele Stichwörter als die erste Auflage anno 1951.
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