Familientradition

Ein Mann in Trachtenjacke und eine ältere Frau in einem Innenraum.
Wein-Marketing-Chef Willi Klinger hat die Rezepte seiner Mutter Hedi gesammelt. In deren Bilderbuch-Gasthof im kleinen Ort Gaspoltshofen im oberösterreichischen Hausruckviertel war auch Thomas Bernhard Stammgast. Der Literat liebte Hedi Klingers Schweinsbraten ebenso wie ihre legendäre Frittatensuppe.

Wirt war er selbst nie, der Chef der "Österreich Wein Marketing", Willi Klinger. Aber aufgewachsen im Familiengasthof im Hausruckviertel, ist er ein durch und durch kulinarischer Mensch. "Mein ganzes Geld hab ich für Essen und Trinken ausgegeben." Mitte der 80er Jahre erkochte seine Mutter Hedi Klinger die erste Haube. Und zwar nicht mit Schnickschnack, sondern mit ehrlicher, oberösterreichischer Wirtshausküche. Gefüllte Enten, Gulasch, Wildragout, Mehlknödel, Stöcklkraut. Legendär sind ihre "Großen Braten" wie der Schweinsschopf oder der Kalbsnierenbraten. Oder die gefüllte Kalbsbrust – ein Musterbeispiel dafür, wie man aus einem weniger edlen Fleischstück ein Festtagsgericht zaubern kann. Das Wichtigste dabei? Die Saftln! "Ein Stück Fleisch gut braten oder schmoren ist erst der Anfang. Wie man den Saft bekommt – ohne Packerl und Dosen versteht sich – das ist die Krux."

Ein Teller mit Schnitzel, Kartoffeln und Zitrone, dazu ein Teller Kartoffelsalat mit Feldsalat.

Symbolbild

Hedi Klinger ist heute 82 Jahre alt und nur mehr Gast in ihrer Wirtshausküche. Ihren Erfahrungsschatz hat Sohn Willi im Laufe der vergangenen Jahre gesammelt und Rezept für Rezept gemeinsam mit ihr durchgearbeitet und fotografieren lassen. Dabei hat er nicht nur gelernt, wie man Mehlknödel dreht (siehe Foto), sondern auch richtig Lust aufs Selberkochen bekommen. Das war nicht immer so – gekocht wurde im Wirtshaus ja nur von den Frauen. Die Männer kümmerten sich um die Schank, für Wein hatte Willis Vater immer schon ein gutes Gespür.

Letzten Endes entstand aus der intensiven Zusammenarbeit zwischen Mutter und Sohn ein schönes, schlichtes, stimmiges Buch, in dem der weitgereiste Weinmarketing-Mann auch von seiner Kindheit als Wirtshausbub und von seinen Begegnungen mit Thomas Bernhard erzählt. Dass Wirtshaus und Theater mitunter gar nicht so weit auseinander liegen, beweist auch, dass Willi Klinger selbst eine Schauspielausbildung genoss. Zukünftig möchte er auch gern wieder ab und zu Theaterluft schnuppern. Und zwar auf der Bühne, und nicht davor.

Warum so viele Köche aus ihren Rezepten ein Geheimnis machen, versteht Hedi Klinger ganz und gar nicht. "Die Gerichte werden ohnehin bei jedem, der sie nachkocht ein wenig anders ausfallen. Weil es im Endeffekt immer auf das Abschmecken ankommt." Und deswegen schreckt die Köchin auch nicht davor zurück, ihre "Original Klinger Torte" preiszugeben, ihre berühmte Kardinalschnitte, oder die Somloer Nockerln, die einst aus Gols zu ihr kamen, und die sie sanft weiterentwickelte. Jedes Gericht hat eine Geschichte. Und damit ist das Buch ein wertvoller Beitrag zur Österreichischen (Wirtshaus)Kultur.

Das Cover des Kochbuchs „Klingers Familien Küche“ mit einem Teller Suppe und Knödeln.

Hedi Klingers Familienküche, Brandstätter Verlag, € 29,90

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