Marktgeschichten, Folge 16: Holladrio!

Marktgeschichten, Folge 16: Holladrio!
Nach dem Spätsommer kommt der Frühherbst – aber noch ist es laut Kalender nicht so weit. Außer auf dem Markt und in der Natur – da sieht man die Boten der dritten Jahreszeit schon jetzt. Nicole Ott über Holunderbeeren

An einem spätsommerlichen Samstag spaziere ich über den Bauernmarkt und bewundere all das erntefrische Obst und Gemüse, das die Standler in ihren Weidenkörben feilbieten. Welch herrliche Farbenpracht! Bunte Dahlien stehen zwischen Körben von Zwetschken, alte Paradeisersorten  zeigen sich in Rot, Orange und grünem Zebrakleid, die ersten hellgelben Äpfel warten neben tintenschwarzen kleinen Beeren – das sind doch Holunderbeeren?
„Wenn der Holler reif ist, beginnt der Herbst!“, erklärt mir die Standlerin. „Die Beeren sind so gesund – voller Vitamin C  – und sie schmecken herrlich, meine Kinder lieben Hollerröster!“ Der Holunder ist einer der häufigsten Sträucher Mitteleuropas, er wächst in unseren Bergen bis auf 1.500 Meter hinauf. Früher durfte er als Lebensbaum in keinem Garten fehlen, wussten die Menschen doch, wie wirksam der Tee aus den getrockneten Blüten im Winter gegen Erkältungen war. „Holunder tut Wunder!“, erzählten die Omis ihren Enkeln. Die Beeren wurden auch zum Färben von Haaren, Leder und Wein eingesetzt.

Selberpflücken ist am schönsten
Heute ist die Steiermark das größte Anbaugebiet, doch Holunderbeeren beim Spazierengehen selbst zu pflücken ist sowieso am schönsten. Der knorrige Strauch ist wahrlich magisch – nach altem Glauben wohnt die germanische Göttin Holla darin. Jedem Kind bestens bekannt als Frau Holle aus Grimms Märchen, war sie als Hüterin der Erde so wichtig, dass die Menschen mancherorts noch heute vor dem Hollerstrauch den Hut ziehen.     
Zurück zum Marktstand. „Im Frühling mache ich immer Hollerblütensirup“, erzählt eine junge Frau, „mit Prosecco aufgespritzt ist das ein herrlicher Aperitif, mit Soda, ganzen Minzblättern und Zitronenscheiben das beste Sommergetränk.“ Da ruft  ein älterer Herr: „Ich liebe die Beeren, sie sind doch etwas ganz Besonderes! „Eingemacht schmecken sie zu Wild ganz vortrefflich!“ Und eine Dame, die ihren kleinen weißen Pudel im Arm hält, erzählt: „Ich lasse sie einmal kurz aufkochen, gebe ein wenig Zucker, Zimt und Zitronenschale dazu und genieße sie mit kühlem Joghurt.“
Zuhause hülle ich mich in Schürze und Einweghandschuhe, um die schwarzen, saftigen Früchte von den Stängeln abzurebeln. Mir schwebt eine köstliche Nachspeise vor: herrlich knusprige, ofenfrische Nusskekse, dazu eine zitronige Creme, dramatisch marmoriert mit den frisch eingelegten Beeren.     
Als Beilage gibt’s für die ganze Familie Anekdoten von Frau Holle: Die Schäfchenwolken am Himmel stammen aus ihrer großen Schafherde, die Spinnenfäden des Altweibersommers sind ihre Haare, die sie im Herbst verliert. Und auch in den Jodlerrufen steckt ihr Name: Holladrio!
„So ein Holler!“, ruft da die Mittlere, die mit meinen mystischen Erzählungen so gar nichts anzufangen weiß. „Aber das Cookie-Sandwich will ich trotzdem!“

Marktgeschichten, Folge 16: Holladrio!

Das freizeit-Rezept für September

Cookie-Sandwich

Zutaten Teig:
90 g Mehl, Type W480 glatt
50 g geriebene Haselnüsse
40 g Staubzucker
1 Prise Salz
1 TL Vanillezucker
1 kleiner Dotter
100 g kalte Butter
1 Prise Kardamom, gemahlen

Zutaten Creme:
50 g Schlagobers
20 g Staubzucker
125 g Mascarpone
1 TL Zitronensaft
1 TL Zitronenabrieb

Zutaten Beerenkompott:
100 g Hollerbeeren
30 g Kristallzucker
Die Beeren mit dem Zucker in einem kleinen Topf verrühren, einmal aufkochen und auskühlen lassen.

1 Teig: Alle Zutaten mit den Knethaken des Mixers oder mit den Händen zu einem glatten Teig verkneten. Zu einer Scheibe formen und im Kühlschrank mind. 2 Stunden oder über Nacht rasten lassen.
Den Teig ca. 4 mm dick ausrollen, 8 Scheiben ausstechen und bei 180 °C Ober/Unterhitze in ca. 8 Minuten goldbraun backen. (Übrigen Teig entweder einfrieren oder gleich verarbeiten und Scheiben mit Marmelade füllen).
2 Das Schlagobers mit dem Staubzucker steif schlagen und mit den restlichen Zutaten vorsichtig vermengen.
3 Das Beerenkompott mit der Creme so verrühren, dass eine marmorierte Masse entsteht und damit die ausgekühlten Kekse füllen.

Tipp: Rohe Holunderbeeren sind nicht bekömmlich, sie müssen vor dem Verzehr einmal aufgekocht werden.

Nicole Ott ist Köchin, Gastronomin und Kochbuchautorin. Am Wiener Kutschkermarkt führt sie das Café Himmelblau, www.himmelblau18.at
www.facebook.com/himmelblau18
Instagram @cafehimmelblau

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