Die Beschreibung von Wein ist oft poetisch. Sollte man sich sein eigenes Vokabular aufbauen?
Natürlich – es ist ein konstantes Training. Das fängt bei einem Spaziergang im Wald an und hört bei einem Marktbesuch auf. Ich rieche und schmecke einfach sehr gern. Für einen Sommelier ist es wichtig, Informationen in seinem Gehirn abrufbar zu haben. Bei allem Fachgesimple sollte man aber nicht auf die Verständlichkeit vergessen – der Kunde muss das, was man sagt, ja auch verstehen können.
Welcher Wein hat ihr Leben verändert?
Mhh, das ist keine leichte Frage. Aber ich erinnere mich da einen 1980er La Tache (aus dem Burgund, Anm.). Damals kannte ich mich noch nicht so gut aus, durfte den Wein kosten. Ich hatte noch nie so etwas Großartiges gekostet. Ich musste erst recherchieren, was das für ein Wein war – das war die Ironie, aber der Wein hat mich bewegt.
Welch Rebsorte hat es Ihnen besonders angetan?
Ich bin kein launischer Mensch – aber ich bin ein sehr launischer Trinker. Ist es ein heißer Sommertag, dann will ich einen frischen Weißwein – eventuell einen knackig-aromatischen Muskateller. Im Winter bei minus zehn Grad trinke ich gerne einen komplexen Rotwein. Es gibt allerdings zwei Ausnahmen: Champagner und Grüner Veltliner gehen immer.
Haben Sie einen Wein, einen Winzer, auf den Sie immer wieder zurückkommen?
Das sind mehrere Winzer. Zum Beispiel Jean-Marc Roulot, Alexandre Chartogne (von Chartogne Taillet) und natürlich Gerhard Kracher. Mit Letzterem betreibe ich auch seit Jahren das Grüner Veltliner-Projekt „Sohm & Kracher“.
Ihr aktueller Dauerbrenner im Weinkeller?
Champagner!
Wie steht es um die Weinkultur in Österreich?
Die österreichische Weinkultur ist fantastisch und sie entwickelt sich immer weiter. Wir haben in Österreich etwas ganz Besonderes und sollten das auch erkennen.
Was ist das Besondere?
Die enorme Vielfalt. Österreich ist heute ein spannendes, modernes Weinland mit einer international anerkannten Qualitätsdichte geworden. Diese Dynamik spiegelt sich nicht nur in herausragenden Weinen wider, sondern auch in einem Boom neuer Architektur, mit der zahlreiche Weingüter internationale Aufmerksamkeit erringen konnten. Die jungen Winzerinnen und Winzer von heute bauen auf dem traditionellen Wissen auf, kombinieren es mit den Erfahrungen, die sie in Weinbauschulen und bei Weingütern auf der ganzen Welt sammeln konnten, und gehen selbstbewusst neue Wege.
Was schätzt man im Ausland am österreichischen Wein, für was steht er? Und wie könnten sich die Winzer in Österreich besser am internationalen Markt präsentieren und zum Beispiel eine Nische schaffen?
Österreichischer Wein hat sich bereits international etabliert. Die Weine sind durch ihre Klarheit bekannt und vor allem, dass sie so universell einsetzbar sind in den verschiedenen Küchen. Auch die Natural-Weinproduzenten sind sehr gefragt.
Was sollte man beim Kauf von Wein berücksichtigen?
Ich empfehle auf jeden Fall, selektiv zu kaufen. Und schauen Sie, wie sie mehr über Wein lernen können. Probieren und vergleichen sie, so viel es geht. Dabei ist es nicht weiter schlimm, wenn sie einen Fehlkauf machen, denn von dieser Flasche können sie am meisten lernen.
Welchen Trend haben wir hinter uns, welcher steht uns bevor?
Die Weinwelt lebt von Trends, aber man vergisst dabei die traditionellen Gebiete. Daher bin ich mit Trends vorsichtig. Was zur Zeit ein großartiges Preis-Leistungs-Angebot hat, ist Spanien – aber das ist jetzt auch schon einige Jahre der Fall.
Bio ist gerade für viele Konsumenten ein Muss. Regionalität spielt auch eine Rolle. Zu Wein aus fremden Ländern wie Australien sollte man also aus Klimaschutzgründen nicht greifen. Wie sehen Sie das?
Das ist ein zweiseitiges Schwert. Natürlich ist es sinnvoll, dass aus Klimaschutzgründen zu betrachten. Auf der anderen Seite sollte man sich davon nicht komplett eingrenzen lassen. Außerdem lässt sich die Welt mit Wein virtuell einfach und umweltschonend bereisen.
In Österreich trinkt man gerne einen G’spritzn. Sollte man Wein mit Wasser mischen?
Ein Muskateller-Spritzer kann großartig sein.
Was denken Sie, wenn jemand neben Ihnen ein Cola-Rot bestellt?
Lustig – das hat bei mir im Lokal noch niemand bestellt. Mein letztes Cola-Rot hatte ich beim Bundesheer.
Zur Person
Der aus Inzing (Tirol) stammende Aldo Sohm ist einer der renommiertesten Sommeliers der Welt. Seit mehr als 15 Jahren lebt und arbeitet der 49-Jährige in New York: Er ist Weindirektor des mit drei Michelinsternen ausgezeichneten New Yorker Restaurants Le Bernardin und Teilhaber der Aldo Sohm Wine Bar. Sohm produziert seit 2009 mit dem Winzer Gerhard Kracher unter dem Namen Sohm & Kracher Wein. Beide lieben autochthone Rebsorten und haben den Grünen Veltliner besonders ins Herz geschlossen.
Der illustrierte Guide
Aldo Sohms Herangehensweise an das Thema Wein sind erfrischend ungezwungen – geeignet für Einsteiger und Fortgeschrittene. Die Texte sind anschaulich illustriert und bieten einen Einstieg in die Welt des Weins. „Letztendlich“, so Sohm in seinem mit der Autorin Christine Muhlke verfassten Buch, „gibt es beim Wein keine Regeln. Aber es gibt eine Hauptaufgabe: Wein soll Menschen zusammenbringen.“ Info: Aldo Sohm, Christine Muhlke: „Einfach Wein“.
272 S., Prestel, € 28,80
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