Cabrios und Charisma: Nach oben völlig offen

Fachsimpelei mit einem Experten. Warum sind die teuersten Autos der Welt jene, bei denen ein kapitales Stück fehlt, nämlich das Dach?
„Die Kopffreiheit ist schuld“, meint Wolfgang M. Buchta, Oldtimer-Experte und seit dreißig Jahren Herausgeber des Magazins „Austro Classic“ nicht ohne Augenzwinkern. In Wahrheit seien es die Emotionen und die Exklusivität, die den Wert ausmachen. Aber genau betrachtet, stimmt es sogar: Wie die Aussicht zum Himmel ist auch die Entwicklung der Preise nach oben offen. Völlig offen.
Lange führte mit dem Ferrari 250 GTO ein Coupé die Rangliste der wertvollsten Oldtimer an. Vor fünf Jahren aber schnellte mit dem Ferrari 335 S Spider Scaglietti ein Cabrio aus Maranello an die Spitze dieser automobilen Charts.

Coupe hin, Cabrio her, gemeinsam sind diese beiden Preziosen mehr als sechzig Millionen Euro wert. Verrückt? Nicht wirklich. Denn als Sammlerstücke repräsentieren diese Chromjuwelen die ultimativen Kronjuwelen ihrer Zunft.
Alt, aber in perfektem Zustand. Äußerst selten und eigentlich nie auf der Straße zu sehen. Aber in der einschlägigen Szene bekannt wie bunte Hunde. Und: Für diese beiden Ferraris besteht immerhin ein Markt. Denn daneben gibt es mobile Meisterstücke wie die Ur-Silberpfeile, die im Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart wie in einem goldenen Käfig gehütet werden.
Die Besten der Besten
So gesehen ist es dem Taschen-Verlag aus Köln nicht hoch genug anzurechnen, noch einmal stolz in der Ära der aussterbenden Verbrennungsmotoren zurückzublicken. Das zweibändige Werk „Ultimate Collector Cars“ von Charlotte und Peter Fiell versammelt die schönsten Träume auf vier Rädern. „Die Besten der Besten“, wie Rob Myers, der Vorsitzende des britischen Auktionshauses Sotheby’s, anerkennend im Vorwort meint.
Dabei geht es ebenso um eine Zeitreise wie um eine Leistungsschau. Auch um die unterschiedlichsten Formen, in die Pferdestärken gesteckt werden können. Ob ein knuffiger Roadster wie der Stutz Bearcat Modell A aus Indianapolis, ein futuristisch anmutender Fiat 8V Supersonic aus Turin oder das Muscle Car Chevrolet Corvette Sting Ray aus Detroit, sie alle sind auf ihre eigene Art und Weise Augenweiden für Autoenthusiasten.

Benzinbrüder und -schwestern aber haben in den zwei Bänden „Ultimate Collector Cars“ nicht bloß etwas zu schauen, hier erfahren sie die Geschichten hinter den 100 begehrtesten Automobilen der Welt. Etwa, wem dieser Jaguar XKD gehört oder dieser Bugatti 57SC Atlantic. Echt jetzt? Ja, Ralph Lauren.
Nicht nur textil fasziniert von der europäischen Eleganz hat der US-Modeschöpfer in den vergangenen Jahren eine beachtliche Sammlung an Sport-, Renn- und Luxusautos zusammengekauft, in der es nur so von Ferraris wurlt.
Ästheten unter sich
Ein Schöngeist wie Ralph Lauren beweist auch, dass klassische Automobile und Sportwagen längst nicht mehr ausschließlich als technische Gegenstände betrachtet werden. Vielmehr sind sie hochgezüchtete Objekte der Begierde, perfekte Zeitmaschinen und mobile Kunstgegenstände.
Schon vor Ralph Lauren hat sich der US-amerikanische Neurochirurg Frederick A. Simeone eine Sammlung an herausragenden Fahrzeugen zugelegt. Plus einem gut bestückten Automuseum in Philadelphia. Simeone ist mit 85 Jahren längst im Ruhestand, aber das wichtigste Kriterium, das zur Aufnahme in sein Museum führt, gilt immer noch: Das Fahrzeug muss ein Sportwagen sein, aber bitte mit Frontscheinwerfern und Kotflügel.
Eigentlich seltsam, da haben neben Scheinwerfern und Kotflügel auch Dinge wie ABS, Klimaanlage oder oben liegende Nockenwellen die Welt des Automobils vorangetrieben. Eine emotionale Bindung dazu haben vermutlich selbst edelste Enthusiasten nie wirklich entwickeln wollen. Hingegen sehr gerne zum Thema „offen“ fahren.
Kein Wunder, denn schon das erste Automobil – der „Marcuswagen“ – war ein Cabrio. Und wenn wir uns in Träumen ausmalen, womit wir nächstens zum Urlaub ans Meer cruisen, ist es in vielen Fällen wohl auch ein Cabriolet. Die Faszination, die es auf uns ausübt, hat dieses Autos nie abgelegt.
Rennkatze in Racing Green
Man braucht nur bei einem Bewerb wie der Ennstal Classic Zaungast gewesen sein, um das zu spüren. Als vor einigen Jahren Niki Lauda in einem Jaguar D-Type durch die Steiermark preschte, passte alles zusammen. Das Racing Green der Rennkatze, die Grüne Mark – und die Millionen an „Greenbacks“, die der Klassiker wohl bei der nächsten Auktion seinem Besitzer bringen kann.

„Ultimate Collector Cars“, Hardcover, 2 Bände im Schuber,
28,1 x 36 cm, 11,57 kg, 904 Seiten, in Englisch, € 200
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