Male friends looking at the girl in the street

Warum sieht man sich tatsächlich immer zwei Mal?

Fragen der Freizeit ... und Antworten, die euch überraschen werden. Letzte Folge der "freizeit"-Serie.

Ein Satz, den man gerne halb drohend, halb tröstend ausspricht: „Man sieht sich im Leben immer zwei Mal!“ Er klingt nach Schicksal, nach Gerechtigkeit – nach zweiter Chance. Aber stimmt er auch?

Die Antwort ist: erstaunlich oft, ja. Und das hat weniger mit kosmischer Fügung zu tun als mit ziemlich irdischen Faktoren. Menschen bewegen sich nämlich in erstaunlich kleinen Kreisen. 

Sozialwissenschaftler nennen das Small World Phenomenon – die Idee, dass jeder Mensch über höchstens sechs Ecken mit jedem anderen verbunden ist. Als Studenten in den 90ern spielten wir dementsprechend das Kevin Bacon-Spiel: Man nimmt irgendeinen Schauspieler und verbindet ihn in höchstens sechs Schritten über gemeinsame Filmrollen mit Kevin Bacon. Und fast immer ging das auf.

Frage der Freizeit

Hier schreiben Autoren und Redakteure der freizeit abwechselnd über Dinge, die uns alle im Alltag beschäftigen.

Der Hollywood-Gag basierte auf der gleichen Theorie, die auch unser Alltagsleben erklärt: Unsere Wege sind enger verknüpft, als wir glauben.

Dazu kommt noch der Alltag selbst: Wir haben Routinen, pendeln auf denselben Wegen, besuchen ähnliche Orte. Städte sind groß, wirken aber plötzlich wie Dörfer, wenn man zum dritten Mal in derselben Bäckerei die frühere Schulfreundin trifft.

Unser Gehirn verstärkt diesen Eindruck noch: Begegnungen, die Wiedererkennung auslösen, prägen sich besonders tief ein. Es fühlt sich dann fast an wie eine Bestätigung des Spruchs. 

Und ganz ehrlich: Wir wollen auch, dass er stimmt. Er enthält die stille Hoffnung, dass man das, was man verpasst oder vermasselt hat, noch einmal bekommt. Dass eine verflossene Liebe, ein verlorener Freund oder auch nur die verpatzte Gelegenheit noch einmal um die Ecke biegt. Cro hat das in seinem Hit „Bye Bye“ augenzwinkernd auf den Punkt gebracht: Am Ende ist ein Abschied selten endgültig.

Also ja, wir sehen uns im Leben oft zwei Mal. Weil wir uns in Kreisen bewegen, weil unsere Wege verschlungener sind als wir glauben – und vielleicht sogar, weil wir insgeheim darauf hoffen.

Genau das mag unter Umständen ja auch für diese Kolumne gelten. Heute verabschieden wir uns – aber wer weiß? Vielleicht sieht man sich auch hier irgendwann wieder.

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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