Vorsorge wird immer mehr zum Thema

Bei Vorsorge denken viele an finanzielle, weniger an rechtliche Vorsorge. Dabei gibt es mit der Vorsorgevollmacht, der Patient:innenverfügung und dem Testament drei Instrumente für unterschiedliche Lebensbereiche. Was es dabei zu beachten gibt, weiß Marie-Lidvine Beham, Notarsubstitutin in Wien.
Wir leben in einer Zeit multipler Krisen. Haben Sie den Eindruck, dass dadurch das Thema Vorsorge an Bedeutung gewonnen hat?
Marie-Lidvine Beham: Absolut. Wir merken im Kanzleialltag, dass das Interesse an Vorsorge definitiv zugenommen hat, sie wird immer mehr zum Thema. Es liegt wahrscheinlich in der Natur des Menschen, dass er sich im Zuge von globalen wie auch subjektiven Krisen mehr damit auseinander setzt.
Welche Instrumente gibt es denn, wenn ich rechtlich Vorsorgemaßnahmen treffen will?
Mit der Vorsorgevollmacht, der Patient:innenverfügung und dem Testament hat man drei wichtige Instrumente dafür, um rechtlich Vorsorge zu treffen – und zwar für alle Lebensbereiche.
Bleiben wir einmal bei der Vorsorgevollmacht: Warum ist diese so wichtig?
Man muss sich das ganz praktisch vorstellen: Sollte es überraschend oder auch schleichend zu einem Verlust der Entscheidungs- und Geschäftsfähigkeit kommen, dann stehen Angehörige oder andere Vertrauenspersonen vor immensen bürokratischen Hürden. Um unangenehme Situationen, aber auch Streit in der Familie zu vermeiden, sollte man daher rechtzeitig regeln, wer einen im Fall des Falles vertritt und wichtige Entscheidungen trifft.
Der/die Ehepartner:in kann also nicht einfach den Handyvertrag seines/ihrer im Koma liegenden oder dementen Partners:in kündigen oder die Miete von dessen Konto überweisen?
Es ist tatsächlich leider wirklich so, dass Ehepartner:innen, Lebensgefährt:innen oder Kinder diese Angelegenheiten nicht so einfach mir nichts dir nichts erledigen können. Das beginnt bei der Kündigung des Handyvertrages, betrifft aber auch Mietverträge, Daueraufträge oder das gemeinsam genutzte Auto. Auch da kann beispielsweise der Vertrag bei der Versicherung nicht einfach geändert werden.
Kann man mit einer Vorsorgevollmacht nur persönliche Belange regeln oder auch für die Zukunft des eigenen Unternehmens vorsorgen?
Das ist an der Vorsorgevollmacht das Schöne – man kann sie an den jeweiligen Einzelfall anpassen. Dazu gehört auch, jemanden zu finden, der sich um das Unternehmen kümmert oder dieses im schlimmsten Fall verkauft oder liquidiert.
Ist die Vorsorgevollmacht somit gerade für Ein-Personen-Unternehmen sowie KMU, in denen es nicht immer eine mit allen Abläufen vertraute und vor allem auch entscheidungsbefugte Vertretung gibt, besonders wichtig?
Eine Vorsorgevollmacht ist für jede/n Unternehmer:in wichtig, da man mit ihr regeln kann, dass alles für die Mitarbeiter:innen, das Unternehmen und auch die Familie reibungslos läuft. Man kann beispielsweise festlegen, dass der/die Bevollmächtigte eine/n neue/n Geschäftsführer:in bestimmen muss. Gerade im Zusammenhang mit einem Unternehmen muss eine Fülle von Entscheidungen getroffen werden, wenn der/die Unternehmer:in dazu nicht in der Lage ist. Um auf Ihre Frage zurück zu kommen: Für Ein-Personen-Unternehmen oder KMUs ist es besonders wichtig, auf diesen Fall vorbereitet zu sein.
Den Talk mit Mag. Marie Lidvine Beham zum Thema Vorsorge können Sie hier ansehen:
Mit einer Vorsorgevollmacht können also Entscheidungen, die sowohl die Privatperson als auch das Unternehmen betreffen, rascher getroffen werden?
Nicht nur rascher, sondern auch unbürokratischer und flexibler.
Gibt es noch andere Vorteile einer Vorsorgevollmacht?
Eben dass sie wirklich den Bedürfnissen entsprechend maßgeschneidert werden kann. Man kann angefangen von Postvollmachten über medizinische Entscheidungen bis zur Wahl des Wohnorts der/des Vollmachtgebers:in dafür sorgen, dass die eigenen Wünsche umgesetzt werden. Der vielleicht größte Vorteil ist, dass man die Person, der man das Vertrauen schenken möchte, sich um einen zu kümmern, selbst wählen kann. Es können auch mehrere Personen als Vertreter:innen bestimmt werden, die übrigens keine Familienmitglieder sein müssen.
Wann tritt die Vorsorgevollmacht in Kraft – und wie lang ist sie gültig?
Eine Vorsorgevollmacht wird nur dann schlagend, wenn der Vorsorgefall tatsächlich eintritt. Also, wenn der/die Vollmachtgeber:in eine Entscheidungsfähigkeit verliert – das müssen übrigens Ärzt:innen bestätigen. Gültig ist sie grundsätzlich unbefristet. Wird der/die Vollmachtgeber:in allerdings wieder handlungsfähig, endet sie automatisch. Wichtig ist vielleicht auch noch zu sagen, dass die Vollmacht von dem/der Vollmachtgeber:in widerrufen werden kann.
Angenommen, dem/der Vollmachtgeber:in entsteht aus dem Handeln des/der Bevollmächtigten ein Schaden: Gibt es so etwas wie eine Haftung oder Schadenersatzpflicht?
Ja, der/die Bevollmächtigte ist tatsächlich haftbar. Er/sie wird allerdings von uns bei Übernahme des Vertretungsauftrags ausführlich darüber aufgeklärt, dass damit sehr viel Verantwortung verbunden ist und er/sie nach bestem Wissen und Gewissen handeln muss. Sollte er/sie das aber nicht tun, muss er/sie sich gegenüber Gerichten, Behörden und allfälligen Erben verantworten. Aber es gibt gewisse Haftungsprivilegien. Das bedeutet, dass es in diesem Fall eine gerichtliche Mäßigung für die Ersatzpflicht gibt. Man kann natürlich auch eine Haftpflichtversicherung abschließen.
Gehen wir zum zweiten Vorsorgeinstrument – der Patient:innenverfügung. Was kann mit dieser geregelt werden?
Damit wird geregelt, dass man auf gewisse lebenserhaltende Maßnahmen verzichtet. Damit sie tatsächlich für Ärzt:innen und medizinisches Personal verbindlich ist, braucht es im Vorfeld eine Belehrung durch einen Arzt oder eine Ärztin und sie muss im Patient:innenver-fügungsregister abgelegt werden.

Wir merken im Kanzleialltag, dass das Interesse an Vorsorge definitiv zugenommen hat“, so Mag. Marie-Lidvine Beham, Notarsubstitutin in Wien.
Ist eine Patient:innenverfügung auf Dauer gültig?
Die Verbindlichkeit ist auf acht Jahre begrenzt, danach muss sie erneuert werden.
Kann man eine Vorsorgevollmacht und eine Patienten:innenverfügung eigentlich selbst verfassen?
Für eine verbindliche Patient:innenverfügung sowie eine Vorsorgevollmacht sind eine Rechtsberatung und ein Formalakt bei einem Notar, einer Notarin, einem Rechtsanwalt, einer Rechtsanwältin oder Erwachsenen- beziehungsweise Patient:innenvertretern verpflichtend.
Beim Testament ist das ein bisschen anders …
Solange man die Formvorschriften eines Testaments einhält, kann man auch ohne Notar:in ein Testament verfassen. Aber diese Formvorschriften sind sehr streng, man läuft daher leicht Gefahr, ein ungültiges Testament zu errichten. Daher würde ich aufgrund der Formvorschriften, aber auch wegen der inhaltlichen Beratung dazu raten, sich rechtliche Beratung, etwa im Notariat, zu holen.
Wir haben dem Testament ja vor kurzem bereits eine eigene Folge von „Mein Recht“ gewidmet – nachzusehen unter kurier.tv/meinrecht – daher möchte ich jetzt nur kurz auf dieses Thema eingehen: Wann sollte man ein Testament verfassen?
Am besten sofort – vor allem, wenn man von der gesetzlichen Erbfolge abweichen will oder keine nahen Angehörigen mehr hat.
Weitere Infos unter ihr-notariat.at