„Müssen immer am Ball bleiben“

Abgesehen von der Errichtung von Testamenten können Österreichs Notare seit Ausbruch der Pandemie alle Rechtsgeschäfte auch online anbieten. Seit Juli können Urkunden weiters hybrid errichtet werden, wie Maria Regina Thierrichter, Notarpartnerin in Wien, beschreibt.
Österreichs Notare sind Vorreiter bei der Digitalisierung …
Maria Regina Thierrichter: Das ist absolut richtig. Seit 20 Jahren werden beispielsweise sämtliche Akten und Urkunden im elektronischen Urkundenarchiv des österreichischen Notariats gespeichert. Digitale Anwendungen sind auch im Rechtsverkehr mit der Justiz seit Langem Usus und seit 2017 besteht die Möglichkeit zur Gründung einer digitalen GmbH. Ein weiterer Meilenstein ist, dass wir – zuerst während der Pandemie befristet und seit 2021 fix – nahezu alle notariellen Tätigkeiten auch digital anbieten können.
Was heißt das genau?
Im Gesellschaftsrecht können beispielsweise Gesellschaftsverträge, Abtretungsverträge über Geschäftsanteile oder die Beglaubigung von Unterschriften auf Firmenbuchanmeldungen auch digital erledigt werden. Gleiches gilt für Kaufverträge bei Immobiliengeschäften, Ehe- und Partnerverträge und Ähnliches. General- und Hauptversammlungen können virtuell abgehalten und die Protokollierung digital erledigt werden.
Gibt es Ausnahmen?
Ja. Die Errichtung von Testamenten und letztwilligen Verfügungen muss analog erfolgen.
Warum sind diese ausgenommen?
Um Missbrauch zu verhindern in diesem besonders sensiblen, der Manipulation leichter zugänglichen Bereich. Der Beweis der Echtheit der Urkunde nach dem Tod des Signators könne gerade im Familienkreis – wo eventuell nur beschränkte Geheimhaltung der Signaturdaten herrscht – vielfach nur schwer erbracht werden.
Greifen Klienten häufig auf die digitale Variante zurück?
Ja, sie wird sehr gut angenommen. Wenn es um gesellschaftsrechtliche Themen geht, wählt mittlerweile die Hälfte meiner Klienten diese Möglichkeit. Gern gewählt wird die digitale Variante auch, wenn eine der Parteien im Ausland sitzt. Bei Kaufverträgen für Immobilien oder bei familienrechtlichen Themen, wie beispielsweise Eheverträgen, entscheiden sich viele allerdings dafür, in die Kanzlei zu kommen.
Bis vor Kurzem mussten sich die Parteien ja entweder auf eine analoge oder digitale Amtshandlung einigen …
Das hat sich geändert. Mit 1. Juli ist eine Novelle der Notariatsordnung in Kraft getreten. Unter anderem ist damit die hybride Errichtung von Notariatsakten sowie von Urkunden möglich.
Was heißt das konkret?
Dass eine Partei die Urkunde wie bisher in der Kanzlei unterzeichnen kann, die andere digital. Das ist ein großer Vorteil, besonders für jene, die digital nicht so bewandert sind.
Das Thema Cybersecurity hat in den vergangenen zwei Jahren weiter an Brisanz gewonnen. Gerade bei notariellen Amtshandlungen, bei denen es ja um viel geht – und zwar nicht nur finanziell – ist Sicherheit von großer Bedeutung.
Wie in der analogen Welt durchlaufen die Klienten auch digital einen Identifikationsprozess. Bei der Videoidentifikation wird unter anderem die Person mit dem Foto auf einem zertifizierten Ausweis abgeglichen. Weiters werden wichtige Daten abgefragt, Wasserzeichen überprüft und Ähnliches. Dieser Identifikationsprozess wird auch aufgezeichnet. Der Nachweis über die Identifizierung wird daraufhin in einen eigens eingerichteten Datenraum hochgeladen und von uns Notaren kontrolliert. Taucht Zweifel auf, wird die digitale Amtshandlung abgebrochen und der Betreffende ersucht, in die Kanzlei zu kommen. Aber das ist bei mir noch nie vorgekommen.

MMag. Maria Regina Thierrichter, Notarpartnerin
Im Notariat wollen wir beides anbieten – sowohl den digitalen als auch den analogen Weg.
Wie geht es normalerweise weiter?
Die Vertragsentwürfe werden in diesen Datenraum hochgeladen. Zugang dazu haben nur der Notar und jene Personen, die das Identifikationsverfahren positiv durchlaufen haben und die an dem Rechtsvorgang beteiligt sind. Etwaige Änderungen werden ebenfalls dort vorgenommen und auch die Unterzeichnung mittels Handysignatur erfolgt im Datenraum. Schließlich wird die Amtssignatur hinzugefügt – aber erst, wenn die Parteien nicht mehr im Datenraum sind.
Werden auch Beglaubigungen in diesem Datenraum durchgeführt?
Ja.
Ein Punkt, der für die Klienten ebenfalls wichtig ist, ist die unparteiische Beratung durch die Notare ...
Die ist auch digital gut möglich. Der digitale Termin läuft genauso ab wie der analoge, nur, dass wir einander nicht persönlich, sondern mithilfe von Videotools sehen. Man sitzt halt nicht am Besprechungstisch, sondern jeder vor seinem Computer.
Gibt es eigentlich noch weiteres Potenzial bei der Digitalisierung?
Ja. Wir müssen die hybriden und digitalen Möglichkeiten noch mehr unter die Klienten bringen, manche wissen nicht, dass es sie gibt.
Und sonst?
Wir sind zwar bei der Digitalisierung vorne mit dabei, aber die Technologien entwickeln sich rasend schnell. Das bedeutet für uns, dass wir immer am Ball bleiben und schauen müssen, was sich bei der Software und den Systemen tut. Wir wollen schließlich weiterhin Vorreiter bleiben!
Glauben Sie, dass das Notariat irgendwann einmal zur Gänze digital sein wird?
Nein, sicher nicht zu 100 Prozent. Wir können ja schließlich nicht davon ausgehen, dass 100 Prozent unserer Klienten digital sind – sei es, aufgrund ihres Alters, ihres Lebensstils oder weshalb auch immer. Man muss daher beides anbieten, um den Zugang zum Recht für alle gleich zu gewährleisten.
Das Rechtssystem ist nur gerecht, wenn es Beratung gibt, damit alle Beteiligten auf dem selben Wissensstand sind.
Es gibt immer wieder Stimmen, die meinen, Blockchains werden diesen Berufsstand unnötig machen …
Das Rechtssystem ist nur gerecht, wenn es Beratung gibt, damit alle Beteiligten auf dem selben Wissensstand sind. Die Beratung aber wird es bei der Blockchain nie so geben. Gerade, wenn es mehr als eine Lösung A und eine Lösung B gibt, ist Künstliche Intelligenz überfordert, denn das ist maschinell nicht abgedeckt. Abgesehen davon, denken Sie daran, dass der Zug eindeutig in Richtung Nachhaltigkeit fährt – und die Blockchain-Technologie braucht wahnsinnig viel Energie. Nicht zuletzt sind wir Notare auch eine wichtige Instanz, wenn es darum geht, beispielsweise Geldwäsche oder Sozialbetrug zu vermeiden.
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