„Zeit ist am Kapitalmarkt der grösste Verbündete“

Maximilian Clary
Maximilian Clary und Aldringen, Privatkundenvorstand der Erste Bank Oesterreich, spricht über die neue Anlagekultur, die Rolle von Sparplänen und das Generationen-Depot und warum frühes, breit gestreutes Investieren der größte Hebel für Vermögensaufbau ist.

Von Stephan Scopetta

Österreich gilt noch immer als Sparbuchland. Doch Inflation, niedrige Realzinsen und eine wachsende Wertpapier-Affinität verändern das Verhalten der Haushalte. Im Gespräch erklärt Maximilian Clary und Aldringen, Privatkundenvorstand der Erste Bank Oesterreich, welche Strategien jetzt tragen, von Aktiensparplänen bis zu digitalen Services.

Warum setzen so viele Menschen trotz Inflation weiter aufs Sparbuch?

Clary und Aldringen: Das Sparbuch steht in Österreich für Sicherheit, das ist kulturell tief verankert. Es erfüllt eine wichtige Funktion für kurzfristige Rücklagen, etwa drei Monatsgehälter sollten jederzeit sicher verfügbar sein, um auf unvorhergesehene Ausgaben oder Notfälle reagieren zu können. Für die langfristige Vorsorge ist es jedoch ungeeignet.

Warum ist es für sie so wichtig, sich mit alternativen Formen der Geldanlage zu beschäftigen?

Wer 100.000 Euro 20 Jahre lang unverzinst liegen lässt, hat nominell zwar noch immer 100.000 Euro, real aber deutlich weniger Kaufkraft. Nach Abzug der Inflation entspricht das heute nur noch rund 60.000 Euro. 

Hätte man denselben Betrag in den vergangenen 20 Jahren in Gold investiert, läge der Wert heute bei rund 780.000 Euro, bei einem Investment in Aktien entwickelter Märkte bei etwa 600.000 Euro. Langfristig schneiden breit gestreute Aktienportfolios oder auch Gold deutlich besser ab, selbst wenn sie zwischenzeitlich schwanken. 

Entscheidend ist, Geld arbeiten zu lassen und den Zinseszinseffekt über Jahre zu nutzen.

Welche Alternativen bieten Sie Kunden, die planvoll Vermögen aufbauen wollen?

Das wichtigste Instrument für den langfristigen Vermögensaufbau ist der Wertpapiersparplan. Schon ab 30 Euro monatlich kann in breit gestreute Aktienfonds oder ETFs investiert werden. Wer regelmäßig spart, kauft in Phasen hoher und niedriger Kurse und profitiert langfristig von der Marktentwicklung. 

Für größere Beträge steht die digitale Vermögensverwaltung „Invest Manager“ bereit, die ab 5.000 Euro startet und vollständig online funktioniert. Auch hier können Kunden monatlich einzahlen und ihr Portfolio schrittweise erweitern. 

Ergänzend gibt es die klassische Vermögensverwaltung ab 50.000 Euro, bei der gemeinsam mit den Kunden eine individuelle Strategie entwickelt wird. Die Managementgebühr beträgt 0,99 Prozent pro Jahr zuzüglich Produktkosten, einmalig fällt eine Setup-Gebühr von zwei Prozent an.

Viele Anleger zögern mit dem Einstieg in das Wertpapiergeschäft, weil sie den falschen Zeitpunkt fürchten oder auf einen idealen Moment warten. Was raten Sie ihnen?

Kurzfristige Korrekturen sind normal. Langfristig steigen die Märkte mit hoher Wahrscheinlichkeit. Wer versucht, die besten Tage zu timen, verpasst leicht genau diese und reduziert damit die Gesamtrendite massiv. 

Darum gilt: Zeit im Markt schlägt Timing. Wer größere Summen investieren will, teilt den Einstieg in Tranchen und reduziert so das Risiko. Wichtig ist, einen klaren Plan zu haben und diesen unabhängig von kurzfristigen Schlagzeilen durchzuhalten.

Sie betonen, wie wichtig es ist, früh zu beginnen. Wie können Eltern oder Großeltern diesen Gedanken für ihren Nachwuchs oder Enkel praktisch umsetzen?

Mit dem neuen Generationen-Depot der Erste Bank können Eltern, Großeltern oder Paten langfristig für Kinder und Enkel vorsorgen. Sie wählen die passende Anlagestrategie, von Aktien bis Anleihen, mit oder ohne Sparplan, und bestimmen, wann das Vermögen übergeht – frühestens aber mit dem Erreichen des 18. Lebensjahres. 

Das Depot kann einmalig dotiert oder laufend bespart werden und bietet so maximale Flexibilität. Unser Ziel war es, die früheren Grenzen mündelsicherer Veranlagungen zu überwinden und Kindern echten Zugang zum Kapitalmarkt zu ermöglichen. 

Damit entsteht eine Generation, die früh lernt, wie Vermögensaufbau funktioniert, und die Chancen des Kapitalmarkts bewusst nutzt.

Welche Vorteile bringt die Neueröffnung eines Generationen-Depots?

Aktuell läuft eine Einführungsaktion: Bei der Neueröffnung eines Generationen-Depots erhalten Kunden eine Erste-Group-Aktie als Startgeschenk. Das ist mehr als Symbolik, es steht für aktive Teilhabe am Produktivkapital und den bewussten Einstieg in den Kapitalmarkt. 

Viele Familien nützen diese Gelegenheit, um frühzeitig für Ausbildung, Studium oder das spätere Startkapital ihrer Kinder vorzusorgen.

Die Digitalisierung verändert das Bankgeschäft rasant. Welche neuen Tools erleichtern Ihren Kunden den Alltag?

Mit George bieten wir die führende Banking-App des Landes und bauen sie konsequent aus. „George Invest“ ermöglicht den Einstieg ab kleinen Beträgen in ein sehr breites Wertpapieruniversum. 

Junge Kunden unter 27 zahlen keine Depotgebühr, für Selbstentscheider gibt es attraktive Gebührenmodelle. Wir sehen heuer einen kräftigen Zuwachs an Depoteröffnungen und sehr positives Feedback. 

2026 startet zudem „Hey George“, ein digitaler Assistent, der alltägliche Bankgeschäfte noch einfacher macht, von der Kartensperre bis zur Investmentübersicht.

Ein wachsendes Thema ist der Einstieg junger Menschen in den Kapitalmarkt über digitale Assets. Viele Jüngere kommen über Krypto zum Investieren. Wie ordnen Sie das ein?

Das Interesse an Krypto ist groß, und über börsengehandelte Produkte können Anleger Bitcoin oder Ethereum in George unkompliziert und ohne eigene Wallet abbilden. Dennoch zeigen alle Umfragen: Für die meisten, auch in der Generation Z, bleiben Aktien, Fonds und ETFs die stabile Basis der Veranlagung. 

Unsere Aufgabe ist es, Finanzwissen zu vermitteln und Orientierung zu geben, damit Chancen und Risiken realistisch eingeschätzt werden. Wichtig ist vor allem, den ersten Schritt zu machen, denn echte Erfahrung entsteht nur durch eigenes Investieren.

Kriege, Handelskonflikte und politische Spannungen verunsichern viele Anleger. Wie reagieren Ihre Kunden darauf?

Diese Themen sind Teil des globalen Umfelds und werden nicht verschwinden. Entscheidend ist, Portfolios so zu gestalten, dass sie Schwankungen standhalten: breit gestreut, auf Qualität ausgerichtet und mit klar definiertem Risiko. Wer regelmäßig investiert und konsequent bleibt, übersteht volatile Phasen besser als jemand, der auf kurzfristige Bewegungen reagiert. An der Börse gilt: Emotionen sind oft der größte Renditekiller.

Was raten Sie Privatanlegern für 2026, ohne Glaskugel?

Ich mache keine Prognose auf Jahresbasis. Was zählt ist eine klare Strategie. Entscheidend ist, Sparpläne weiterzuführen oder neu zu beginnen, Rücklagen bewusst zu definieren und größere Beträge schrittweise zu investieren. 

Qualität sollte immer Vorrang haben. Wer Unterstützung sucht, kann sich auf professionelle Beratung oder die Vermögensverwaltung verlassen. Wichtiger als jede Vorhersage ist, langfristig am Ball zu bleiben und auch Rückschläge als Teil des Weges zu akzeptieren.

Stephan Scoppetta

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