„Wir wollen das Private Banking demokratisieren“

Die Finanzmärkte trotzen derzeit globalen Unsicherheiten, während Deutschland mit neuen Investitionsplänen Akzente setzt. Welche Chancen sich daraus ergeben und wie das Private Banking darauf reagiert, erklärt Maximilian Clary und Aldringen, Vorstand der Erste Bank, im Interview.
KURIER: Trotz globaler Unsicherheiten läuft die Börse in Europa erstaunlich gut. Woran liegt das?
Maximilian Clary und Aldringen: Ende 2024 und Anfang diesen Jahres lief der DAX überraschend gut. Das lag an der niedrigen Bewertung im Vergleich zu den USA: Der S&P 500 liegt trotz Rücksetzer bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 24, während der DAX mittlerweile bei 17 notiert. Europa hat weniger Tech-Wachstumswerte und mehr klassische Industrie. Nach Abwertungen erholen sich diese Titel nun. Hinzu kommt eine Kapitalumschichtung von den USA nach Europa und das treibt die Kurse an den europäischen Märkten.
Die größte Hürde sehe ich darin, überhaupt mit Investments zu beginnen – unabhängig vom Vermögen. Der Zinseszinseffekt ist der unterschätzteste Treiber der Geldvermehrung von dem jeder profitieren kann.
Kann man sagen, dass Deutschland in den vergangenen Wochen seine wirtschaftspolitische Haltung verändert hat?
Deutschland, lange bekannt für seine Sparpolitik, setzt nun verstärkt auf schuldenfinanzierte Investitionen. Die CDU-geführte Regierung plant nun unter Friedrich Merz ein 500-Milliarden-Euro-Programm für Infrastruktur und Verteidigung über zwölf Jahre. Ziel ist es, das Wachstum anzukurbeln und Europa geopolitisch zu stärken. Diese Kehrtwende ist eine Reaktion auf die veränderte Lage nach Trumps Wahl und dem Angriffskrieg in der Ukraine.
Werden diese Investitionen die Wirtschaft und Börsen in Europa nachhaltig ankurbeln?
Die geplanten Investitionen wirken sich aus Börsensicht sehr positiv aus. Die Märkte reagierten schnell, und wir erwarten langfristig positive Effekte auf europäische Unternehmen. Auch in unseren Portfolios setzen wir etwas stärker auf Europa und reduzieren die USA-Gewichtung, da sich Investitionen zunehmend nach Europa verlagern. Insgesamt werden die USA aber weiterhin eine sehr wichtige Rolle in unseren Portfolios spielen.
Wie stark beeinflusst der anfänglich positive, nun negative Trump-Effekt die Märkte langfristig?
Politische Börsen haben kurze Beine. Trump agiert unberechenbar und anders als frühere Präsidenten. Während seiner ersten Amtszeit florierten die Börsen – der S&P 500 legte um 64 Prozent zu. Trump schrieb diesen Erfolg seiner Politik zu und präsentierte sich als Garant für wirtschaftliche Stärke. Aktuell hat sich das Bild jedoch gewandelt. Es gibt Spekulationen, dass Trump die Aktienmärkte beziehungsweise Wachstum kurzfristig nicht priorisiert. Damit will er eine Reduktion der Zinsen erwirken, da die USA 2025 sieben Billionen US-Dollar refinanzieren müssen – zu deutlich höheren Kosten. Bereits 2024 betrugen die US-Zinskosten 882 Milliarden Dollar und waren damit der größte Budgetposten im US-Staatshaushalt.
Trump agiert unberechenbar. Während seiner ersten Amtszeit florierten aber die Börsen – der S&P 500 legte um 64 Prozent zu. Er schrieb diesen Erfolg seiner Politik zu und präsentierte sich als Garant für wirtschaftliche Stärke
Zeigt sich in Krisenzeiten die wahre Stärke des Private Bankings, und wie gehen Sie mit verunsicherten Kunden um?
In herausfordernden Zeiten wird die Stärke des Private Bankings besonders deutlich: Unsere Kunden profitieren von aktivem Risikomanagement, individuellem Werterhalt und vielseitigen Lösungen wie Private Equity oder Gold. Durch persönliche Betreuung und umfassende Leistungen aus einer Hand schaffen wir Sicherheit. Unterstützt werden wir dabei durch digitale Innovationen aus dem eigenen Haus. Genau diese Kombination hilft unseren Kunden, ruhig zu schlafen.
Welche Anlagestrategien und Assetklassen empfehlen Sie aktuell – welche Rolle spielen Aktien, Anleihen, Immobilien und Gold?
Aktien bleiben trotz Schwankungen ein wichtiger Baustein für langfristige Renditen. Anleihen bieten weiterhin attraktive Erträge: Deutsche Staatsanleihen rentieren derzeit bei 2,9 Prozent, österreichische sogar über drei Prozent. In den USA sind die Renditen kürzlich von 4,7 auf knapp vier Prozent gefallen. Auch im Bereich Unternehmensanleihen gibt es aktuell spannende Möglichkeiten, z. B. über Laufzeitfonds, mit denen man eine fixe Laufzeit und Rendite in einem diversifizierten Portfolio einloggen kann. Der Immobilienmarkt stabilisiert sich allmählich, sodass Immobilieninvestitionen wieder Potenzial bieten. Gold gilt als bewährter Inflationsschutz und bietet Sicherheit in Zeiten geopolitischer Unsicherheiten. Trotz Rekordniveaus ist die Nachfrage auch bei Zentralbanken als US-Dollar-Alternative nach wie vor hoch. Bei uns können Sie physisches Gold einfach lagern und bequem digital verwalten. Auch Private Equity birgt Chancen, setzt jedoch einen langen Anlagehorizont voraus, da Kapital oft über Jahre gebunden bleibt. Diese Mischung aus stabilen Anlagen und renditeorientierten Investments ist aktuell besonders gefragt.
In welche Richtung soll sich das Private Banking in den nächsten Jahren bei Ihnen entwickeln?
Für die Zukunft wollen wir Private Banking stärker demokratisieren und hochwertige Vermögensverwaltung breiter zugänglich machen. Ein zentraler Trend ist zudem die Vermögensübergabe – allein in den nächsten zehn Jahren werden weltweit rund 80 Billionen Euro vererbt. Hier setzen wir auf frühzeitige, professionelle Begleitung von Erben und Erblassern.
Frauen haben oft geringere Pensionen, leben länger und erben häufiger – sie gelten daher als großer Emerging Market. Wie positioniert sich die Erste Bank gegenüber Frauen?
Etwas über 50 Prozent unserer Kunden im Private Banking sind Frauen – einerseits, weil sie älter werden, andererseits, weil immer mehr Frauen ihr eigenes Vermögen aufbauen. Frauen interessieren sich zunehmend für Investments, aber sie bevorzugen oft eigene Veranstaltungen, in denen sie offener miteinander und mit Experten sprechen können. Hier setzen wir gezielt an: etwa mit unserem „Private Banking Women Breakfast“ oder der Initiative „she invests“, die bereits tausende Frauen erreicht hat. Für uns ist das ein klares Zukunftsthema.
Was ist aus Ihrer Sicht eine der großen Hürden, dass die Menschen Private Banking in Anspruch nehmen?
Die größte Hürde sehe ich darin, überhaupt mit Investments zu beginnen – unabhängig vom Vermögen. Der Zinseszinseffekt ist der unterschätzteste Treiber der Geldvermehrung, von dem jeder profitieren kann. Wer früh investiert, erreicht später leichter die Schwelle zum Private Banking, die bei uns ab 500.000 Euro Wertpapiervermögen liegt. Viele beschäftigen sich allerdings zu wenig mit ihrem Geld, weil Familie, Beruf und Alltag im Vordergrund stehen. Daher mein Appell: So früh wie möglich beginnen, selbst wenn es zunächst nur 50 Euro im Monat in einem Fondssparplan sind.
Welche Neuerungen planen Sie bei der Erste Bank, um Wertpapierinvestments einfacher und kundenfreundlicher zu gestalten?
Unsere digitale Anlageverwaltung, der Invest Manager, entwickelt sich gut. Die Performance stimmt und die Volumina sind gewachsen. Allerdings war er bislang kein großer Durchbruch, weil er ausschließlich digital verfügbar war. Genau das ändern wir jetzt und bringen eine innovative Vermögensverwaltungslösung Ende des Jahres zusätzlich in die Filialberatung. Zudem starten wir in wenigen Wochen mit einer neuen Invest-Welt in George ein neues Angebot, das Wertpapierinvestments deutlich einfacher macht. Kunden erhalten verständliche Erklärungen rund ums Investieren und können intuitiv ein Depot eröffnen. Dazu haben wir seit Kurzem auch neue Depot-Modelle für unterschiedliche Kundenbedürfnisse. Gerade hier wollen wir bestehende Einstiegshürden abbauen und neue Zielgruppen ansprechen.
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