Dollar-Schwäche trifft europäische Anleger

Ein Privatanleger, der sich über zweistellige Gewinne im S&P 500 freut, erlebt beim Blick auf sein Euro-Depot schnell Ernüchterung: Die Dollar-Schwäche frisst einen Großteil der Rendite auf. Gerhard Winzer, Chefökonom der Erste Asset Management, bringt es auf den Punkt: „Der Gesamtertrag des S&P 500 liegt seit Jahresanfang bei rund 13 Prozent. Allerdings liegt der Kursverlust des US-Dollar gegenüber dem Euro ebenfalls bei rund 14 Prozent. Der Gesamtertrag des S&P 500 in Euro umgerechnet liegt damit knapp im negativen Bereich.“

Gerhard Winzer, Erste Asset Management
Für europäische Anleger bedeutet das empfindliche Währungsverluste und das, selbst wenn die Kurse in den USA steigen. Damit rückt unweigerlich die Frage nach den Ursachen der Dollar-Schwäche in den Mittelpunkt und ebenso, welche Schritte Anleger jetzt setzen können, um ihre Portfolios widerstandsfähiger zu machen.
Vertrauensverlust
Die Ursachen für die Dollar-Schwäche sind vielfältig. Winzer: „Die ungewöhnliche Wirtschaftspolitik der neuen US-Administration hat zu einem Vertrauensverlust geführt. Die neue Ausrichtung hat das Vertrauen in den Dollar erodieren lassen, auch wenn das Niveau der US-Währung insgesamt noch nicht als schwach gilt.“ Martin Mayer, Leiter Investment Strategy & Solutions bei der UniCredit Bank Austria, sieht das ähnlich und betont: „Das hohe Budgetdefizit in den USA und die Unsicherheit rund um den Einfluss der Regierung auf die Federal Reserve haben das Vertrauen geschwächt.“ Zudem seien die Renditen von US-Staatsanleihen mit längeren Laufzeiten hoch geblieben, was den Druck auf die US-Finanzen verstärke.

Martin Mayer, UniCredit Bank Austria
Investment-Effekte
Das Währungsrisiko wirkt sich je nach Anlageklasse unterschiedlich aus. Besonders sichtbar ist der Effekt bei Aktieninvestments in den USA: Schon kleine Wechselkursschwankungen können Kursgewinne oder -verluste deutlich verändern. Winzer: „Besonders hohe Auswirkungen gibt es im Anleihenbereich bei High Yield sowie im Aktienbereich bei exportstarken Unternehmen und Rohstoffwerten.“ Weniger stark wirken Währungsschwankungen bei US-Unternehmen mit starkem Heimatmarkt oder stabilen Geschäftsmodellen. Mayer: „Vor allem Investments mit niedriger Ertragserwartung wie kurzlaufende Anleihen rutschen durch Währungseffekte rasch ins Minus, während breit aufgestellte Konzerne weniger empfindlich reagieren.“
Risiko Absichern
Für Anleger stellt sich nun die Frage, wie man mit den Währungsrisiken umgehen soll. „Grundsätzlich ist eine Investition in währungsgesicherte Fonds möglich. Mit diesen Produkten werden zwar die Risiken, aber auch die Chancen reduziert“, erklärt Winzer. Auch Mayer rät zu professionellen Lösungen: „Inzwischen stehen auch Privatanlegern eine Vielzahl von Finanzinstrumenten zur Verfügung, um Währungen wie den US-Dollar abzusichern.“
Doch eine Absicherung ist nicht gratis. Die Kosten entstehen vor allem durch die Zinsdifferenz zwischen den USA und der Eurozone. Weil die US-Zinsen höher liegen, müssen Euro-Anleger bei einer Absicherung den Zinsvorteil abgeben und das entspricht aktuell rund zwei Prozent pro Jahr. Zusätzlich fallen laufende Gebühren und mögliche Opportunitätskosten an. Winzer: „Der größte Vorteil liegt in stabileren Renditen in der Lokalwährung. Nachteile bestehen bei den Hedging-Kosten, entgangenen Gewinnen und geringerer Flexibilität.“

Bitcoin Rückenwind
Einen Blick auf die Kryptomärkte wirft Lukas Enzersdorfer-Konrad, CEO von Bitpanda. Er sieht in der Dollar-Schwäche zusätzlichen Rückenwind für Bitcoin: „Ein schwächerer Dollar macht Dollar-notierte Assets wie Bitcoin für europäische Anleger attraktiver. Gerade in Europa führt das zu zusätzlichen Zuflüssen.“ Neueinsteiger profitieren beim Kauf, bestehende Positionen verlieren jedoch in Euro gerechnet an Wert. In solchen Phasen rückt die Rolle von Bitcoin als „digitales Gold“ stärker in den Vordergrund. Enzersdorfer-Konrad: „Viele Anleger sehen Bitcoin als Absicherung gegen Inflation und Währungsverluste, auch wenn man die hohe Volatilität nicht vergessen darf.“ Auch Ether und ausgewählte Altcoins profitieren, wenn auch mit höheren Schwankungen. Zudem zeigt sich, dass die Nachfrage nach Kryptowährungen in Europa steigt, sobald traditionelle Märkte durch Währungsverluste belastet sind.

Lukas Enzersdorfer-Konrad, CEO Bitpanda
Enzersdorfer-Konrad: „Bitcoin wird dadurch nicht automatisch stabiler, doch die Wahrnehmung als alternatives Wertaufbewahrungsmittel gewinnt an Gewicht.“ Damit dürfte auch die Diskussion um Kryptowährungen als Teil einer breiteren Anlagestrategie weiter an Dynamik gewinnen.
Nächste Szenarien
Für die kommenden Monate sehen die Experten unterschiedliche Entwicklungen. Winzer: „Wir erwarten eine weitere Festigung des Euro, da die Fed die Zinsen weiter senken dürfte.“ Mayer ergänzt: „Der größte Teil der Abwertung ist bereits überwunden, doch Zinssenkungen in den USA könnten den Euro weiter stützen.“ Privatanleger sollten aber nicht nur auf den Dollar schauen, sondern grundsätzlich auf eine breite Diversifikation achten. Winzer: „Langfristig ist die Aktienkursentwicklung wichtiger als die Währung. Entscheidend sind Anlagehorizont und eine ausgewogene Streuung.“ Enzersdorfer-Konrad betont Chancen im Kryptomarkt: „Bleibt der Dollar schwach, erwarten wir einen Aufwärtstrend – allerdings verbunden mit hoher Volatilität.“ Klar ist: Der schwache Dollar hat bei Anlegern im Euroraum zuletzt deutliche Spuren im Portfolio hinterlassen. Ob es sich um eine Trendwende handelt oder nur um eine Phase, hängt auch von vielen geldpolitischen Entscheidungen in den USA ab. Währungsrisiken müssen auf jeden Fall künftig stärker in den Blick genommen werden.
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