„Diversität ist ein Wirtschaftsfaktor“

„Diversität ist ein Wirtschaftsfaktor“
Sabine Bothe, Global Head of People and Culture der Erste, spricht über Arbeitskräftemangel und die Generation Z

Die Erste Group beschäftigt insgesamt über 45.000 Mitarbeiter in Zentral- und Osteuropa. Sabine Bothe, Global Head of People and Culture der Erste Group, gibt im Interview einen Einblick in die aktuellen Herausforderungen beim HR-Management.

Fachkräftemangel bzw. Personalmangel ist eines der größten Themen unserer Zeit. Waren diese Entwicklungen nicht schon vor Jahren absehbar?

Sabine Bothe: Ja und jeder, der vor 20 Jahren einen Blick in die demografischen Daten geworfen hat, wusste, was auf uns zukommt. Nun ist der Punkt erreicht. Hinzukommen zusätzliche Schwierigkeiten wie etwa die Pandemie, die die Fluktuation zusätzlich befeuert hat und eine rasend schnelle Digitalisierung. Das macht es kompliziert, denn im Grunde haben wir keinen Arbeitskräftemangel, sondern einen Mangel an bestimmten Fähigkeiten. Und egal ob Bank oder Industriebetrieb, alle suchen die gleichen Qualifikationen: IT- und Datenspezialisten.

Wie gut gelingt das Personal-Recruiting der Erste Group?

Während der Pandemie war es schon schwierig und der Arbeitsmarkt war fast wie im Stillstand. Aber aktuell muss ich sagen, bekommen wir wieder eine hohe Anzahlstarker Bewerbungen. Natürlich haben auch wir offene Stellen. Insgesamt haben wir aber gruppenweit im Vorjahr über 5.400 neue Mitarbeiter eingestellt.

Was ist die härteste Währung im Kampf um die Talente?

Das Wichtigste ist die Arbeitgebermarke. Potenzielle Bewerber müssen mit dem Namen „Erste Group“ positive Assoziationen verbinden. Das gelingt uns bisher sehr gut. Aber unsere Marke müssen wir hegen und pflegen. Heute ist man als Unternehmen nach Außen viel transparenter und potenzielle Bewerber achten sehr genau darauf, für welche Werte wir stehen und welche Unternehmenskultur wir pflegen.

Ein großes Thema der Erste Bank ist Diversität. Warum ist diese wichtig?

Zahlreiche Studien belegen, das diverse Teams insgesamt besser funktionieren. Unternehmen profitieren hier von den vielen verschiedenen Denkansätzen und Sichtweisen. Diversität ist also keine Sozialromantik, sondern nachweislich ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.

Wie fördert man Diversität in einem Unternehmen?

Die Antwort ist langweilig: Man muss Prozesse schaffen, die dazu führen, dass die Diversität in einem Unternehmen steigt. Klingt einfach, ist aber sehr komplex, denn es gibt nicht die eine Maßnahme, die zu Diversität führt, sondern man muss sie bei allen Prozessen im Unternehmen langfristig mitdenken. Das umfasst das gesamte Spektrum: Vom Recruiting über die Mitarbeiterförderung bis hin zur Besetzung von Vorstandspositionen.

Betrachtet man Fotos vom Sparkassentag sieht man, dass die Mehrheit der Sparkassen-Vorstände in Österreich heute noch männlich ist.

Auch wir als Gruppe haben noch eine Reise vor uns, aber uns ist schon einiges gelungen in den letzten Jahren. In der Erste Bank Oesterreich haben wir im Vorstand mittlerweile einen 50-Prozent-Frauenanteil und auch auf Bereichsleitungsebene über ein Drittel Frauenanteil.

Wie wichtig ist heute das Gehalt bei den Mitarbeitern?

Das war schon immer wichtig und das hat sich auch nicht geändert. Mit der hohen Inflation in den letzten zwei Jahren hat es sogar wieder mehr Stellenwert bekommen.

Die Banken haben in den letzten Jahren aber auch viel Personal abgebaut. Heute wird wieder verzweifelt nach Mitarbeitern gesucht. Wie lässt sich das erklären?

Die Digitalisierung hat zu einem großen Wandel in allen Branchen geführt. Auch das Finanzwesen ist deutlich digitaler geworden. Damit sind heute andere Fähigkeiten im Bankwesen wichtig als noch vor 20 Jahren. Das hat zu einer großen Umschichtung hin Richtung Digitalisierungsfähigkeiten geführt und hat zum Beispiel den Bedarf an IT-Experten befeuert. Auf der anderen Seite brauchen wir auch top-ausgebildete Filialmitarbeiter, die unsere Kunden betreuen. Besonders gefragt sind zudem gute Call-Center-Mitarbeiter. Diese stehen bei uns ganz oben auf der Recruiting-Liste.

Wie sehr wird sich die Künstliche Intelligenz auf den Arbeitsmarkt auswirken?

KI sehe ich als Chance und das Thema wir auch nicht mehr weggehen. Sie wird eine große Hilfe sein und enorme Auswirkungen auf unsere Produktivität haben. Zudem ist sie sicher ein Puzzleteil, den zunehmenden Arbeitskräftemangel ein Stück weit auszugleichen.

Schlagwörter wie flexible Arbeitszeiten, Homeoffice, Worcation, Work from Anywhere machen die Runde. Wie sehr reagiert die Erste Group auf diese Trends?

In den Bereichen, wo es möglich ist, bieten wir flexible Arbeitszeitmodelle an. Auch das Thema Worcation spielt bei den IT-Mitarbeitern mittlerweile eine große Rolle und wir sammeln mit diesem Thema in einzelnen Pilotprojekten wertvolle Erfahrungen. So wie beim Homeoffice im Ausland ist das juristisch und steuerlich deutlich komplexer als das auf den ersten Blick scheinen mag. Hier braucht es auf europäischer Ebene dringend neue Regelungen oder zumindest Adaptierungen.

Homeoffice ist heute Standard. Wie verändert sich dadurch die Bürokultur?

Hybrides arbeiten ist heute Standard, die Art wie wir arbeiten hat sich verändert. Heute brauchen wir weniger klassische Einzelplätze in den Büros, wo man sich konzentrieren kann, sondern Team-Arbeitsplätze, wo sich Gruppen austauschen können. Mitarbeiter kommen heute ins Büro, weil sie Brainstormings mit den Kollegen machen wollen. Konzentriert arbeiten tun sie zu Hause.

Die Generation Z gilt als wenig leistungsbereit. Können sie diese Vorurteile bestätigen?

Das ist ein Mythos. 15 Prozent unserer Mitarbeiter sind aus der Generation Z und das sind großartige Kollegen. Sie haben eine hohe Flexibilität, leben und arbeiten wertebasiert und sie sind Digital Natives. Für uns als Bank sind sie ein wichtiger Zukunftsfaktor, nachdem das Finanzwesen immer digitaler wird. Darüber hinaus bringen sie aber viele wichtige Themen in die Arbeitswelt ein, von denen wir alle profitieren können.

Aber sie haben auch hohe Ansprüche an ihren Arbeitgeber.

Wenn man eine knappe Ressource am Markt ist, dann ist es doch legitim, gut zu verhandeln und auch die Ansprüche nach oben zu schrauben. Das ist die Basis unserer Marktwirtschaft.

Stephan Scoppetta

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