„CEE bleibt unser stärkster Markt“
Von Stephan Scopetta
Der steigende Lebensstandard in Osteuropa verändert auch das Versicherungsverhalten. Hartwig Löger, CEO der Vienna Insurance Group, sieht wachsende Nachfrage nach Lebens- und Krankenversicherungen.
Osteuropa gilt als Wachstumstreiber. Auf welche Märkte setzt die VIG 2025 besonders, und wo sehen Sie die größten Chancen?
Hartwig Löger: Die CEE-Region bleibt zweifellos ein dynamischer Wachstumsmarkt. Wir erkennen in all unseren Märkten hervorragende Möglichkeiten und Potenziale für weiteres Wachstum, insbesondere da die Versicherungsdurchdringung in dieser Region im Durchschnitt nur einem Zehntel der österreichischen entspricht.
Besonders im Fokus steht Polen, wo das Wirtschaftswachstum besonders stark ist. Wir haben uns dort neu strukturiert, um auf dem wettbewerbsintensiven polnischen Markt optimal positioniert zu sein.
Der Krieg in der Ukraine verändert die Rahmenbedingungen massiv. Wie wirkt sich das auf Ihr Geschäft in der Region aus?
Es ist uns sehr wichtig zu betonen, dass die Ukraine zu unseren 20 Kernmärkten der CEE-Region gehört und wir daran weiter festhalten. Dank des herausragenden Einsatzes unserer ukrainischen Kolleginnen und Kollegen konnten wir den Versicherungsbetrieb trotz der schwierigen Kriegsbedingungen aufrechterhalten.
Wir verzeichnen sogar Prämiensteigerungen, insbesondere im Kfz-Versicherungsgeschäft und sind mit einem Marktanteil von rund elf Prozent die zweitgrößte Versicherungsgruppe im Land.
Gemeinsam mit internationalen Partnern wollen wir nach Kriegsende beim Wiederaufbau mit passenden Versicherungslösungen mitwirken.
Sie haben die deutlich geringere Versicherungsdichte in vielen CEE-Ländern im Vergleich zu Westeuropa angesprochen. Wie wollen Sie das Vorsorgeverhalten stärken?
Die Bandbreite der investierten Versicherungsprämien pro Einwohner reicht von rund 1.300 Euro in Slowenien bis zu nur etwa 40 Euro in der Ukraine pro Jahr. Unsere Gesellschaften bieten für alle Absicherungsbedürfnisse passende Lösungen.
Um das Vorsorgeverhalten zu stärken, setzen wir im Rahmen unserer sozialen Nachhaltigkeitsziele auf die Verbesserung der Risikokompetenz der Menschen in unseren Ländern und realisieren dafür kontinuierlich Projekte.
Menschen sorgen nur dann vor, wenn sie ein Bewusstsein für die Risiken des täglichen Lebens und deren finanzielle Auswirkungen entwickeln.
Welche Rolle spielen dabei klassische Produkte wie Lebens- und Krankenversicherung, welche die Altersvorsorge?
Die Personenversicherung hat im Vergleich zur Absicherung materieller Werte wie Auto, Wohnung oder Haus noch eine untergeordnete Stellung. Mit zunehmendem Wohlstand rückt die Absicherung der Pension und Gesundheit in den Vordergrund.
In wirtschaftlich weiter entwickelten Märkten wie der Slowakei, Tschechischen Republik, Slowenien, Polen und Ungarn gewinnt die Vorsorge mit Lebensversicherungen und Krankenversicherungen an Bedeutung.
Digitalisierung bleibt ein Wachstumsfeld. Welche konkreten Innovationen und Geschäftsmodelle wollen Sie in CEE vorantreiben?
Ich sehe großes Potenzial im Einsatz künstlicher Intelligenz. Unser Ziel ist es, den Kundenservice zu verbessern, Prozesse zu optimieren und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Bereits die Hälfte unserer Innovationsinitiativen konzentriert sich auf KI-basierte Lösungen, vor allem auf Projekte, die Kunden digitale Vorteile bringen. Beratung und Schadenbearbeitung wurden durch KI und Online-Tools bereits deutlich vereinfacht.
Neben organischem Wachstum: Planen Sie Partnerschaften oder Zukäufe, um Ihre Marktposition auszubauen?
In unserem Kernmarkt CEE sind wir seit 2008 ununterbrochen Marktführer und wollen weiter Marktanteil gewinnen. Derzeit erwerben wir in Moldau die Mehrheit der Moldasig und steigen mit der bestehenden Gesellschaft Donaris zum Marktführer auf.
Wir prüfen regelmäßig Zukäufe und Beteiligungen, die zu unserer Strategie passen – etwa den Zusammenschluss mit der Nürnberger Beteiligungs-AG. Die VIG hat ein freiwilliges öffentliches Erwerbsangebot für bis zu 100 Prozent des Grundkapitals abgegeben.
Ziel ist es, nachhaltiges und profitables Wachstum für die Nürnberger Gruppe zu ermöglichen und mit der Diversifikation über den Spezialmarkt Deutschland auch das Wachstum in CEE zu unterstützen.
Stephan Scoppetta
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