Drohender Bedeutungsverlust: Warum der US-Dollar schwächelt

Lange galt der US-Dollar als unerschütterliche Weltleitwährung. Doch 2025 mehren sich die Zeichen, dass diese Dominanz Risse bekommt. „Der Dollar ist globales Geld, weil er Handel abwickelt, Werte speichert und Sicherheit bietet“, erklärt Gerhard Winzer, Chefvolkswirt der Erste Asset Management. Doch genau diese Sicherheitswahrnehmung gerät ins Wanken. Der US-Dollar fiel zuletzt den fünften Monat in Folge, gegenüber dem Euro verlor er seit Jahresbeginn 8,4 Prozent an Wert.

„Die Zeiten automatischer Kapitalflüsse in den US-Markt sind vorbei.“
Erste Asset Management
Verlorenes Vertrauen
Die Ursachen sind strukturell wie politisch. Winzer betont, dass der Dollar als Reservewährung bislang eine beispiellose Nachfrage generierte: „Zentralbanken halten rund 58 Prozent ihrer Währungsreserven in Dollar. Diese starke Nachfrage hat über Jahrzehnte hinweg die US-Finanzierungskosten niedrig gehalten.“ Doch inzwischen würden Investoren nicht mehr „blind“ in die USA investieren. Winzer: „Die Zeiten automatischer Kapitalflüsse sind vorbei – das Vertrauen bröckelt, und mit ihm die Risikoprämien.“ Ein Grund dafür: Die Haushaltspolitik unter US-Präsident Donald Trump. Geplante Steuersenkungen und wachsende Budgetdefizite verunsichern die Märkte. „Die USA weisen ein Leistungsbilanzdefizit von rund vier Prozent des BIP auf – das entspricht über 1.000 Milliarden Dollar jährlich. Diese Summe muss finanziert werden – und das wird zunehmend schwieriger“, so Winzer.
Erosion der Stabilität
Die Herabstufung der US-Bonität durch Moody’s im Mai unterstreicht den Vertrauensverlust. Parallel zur sinkenden Attraktivität von US-Staatsanleihen gerät auch die Unabhängigkeit der Notenbank unter Druck. Winzer warnt: „Wenn politische Eingriffe zunehmen, steigt das Risiko einer Währungskrise. Die Türkei ist ein warnendes Beispiel.“

Der US-Dollar gerät unter Druck
Auch Tilmann Galler von J.P. Morgan Asset Management beobachtet eine tektonische Verschiebung: „Der Pfad des Dollars hat eine Wende vollzogen.“ Die Grundlage der Dollar-Stärke sei ins Wanken geraten: überdurchschnittliches Wachstum, stabile Institutionen, hohe Realrenditen. Galler: „Die USA nutzten ihren Exzeptionalismus, um Kapital aus aller Welt anzuziehen – doch dieser Zyklus endet.“ Eine protektionistische Handelspolitik unter Trump beschleunige den Bedeutungsverlust. Galler: „Zölle verringern die US-Importe, was kurzfristig den Konsum senkt, die Zinsen drückt und den Dollar schwächt.“ Der Versuch, mit Steueranreizen gegenzusteuern, könne die Kapitalbasis weiter ausdünnen: „Wenn mehr Geld vom Ausland gebraucht wird, das aber weniger willens ist, steigt das Risiko eines Dollarverfalls.“

„Der Pfad des US-Dollars hat eine Wende vollzogen.“
J.P. Morgan AM
Portfolio-Taktik
Für Anleger bedeutet das: Den Dollaranteil im Portfolio zu überdenken. „Nicht alles auf eine Karte setzen“, empfiehlt Winzer. „Schon allein die realistische Aussicht auf eine strukturelle Dollar-Schwächung macht US-Anlagen weniger attraktiv.“ Wer stark in US-Werte investiert ist, sollte über währungsgesicherte Strategien oder stärkere Europa-Gewichtung nachdenken. Auch Gold und ausgewählte Emerging Markets könnten in dieser neuen Phase als Stabilitätsanker fungieren.
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