Der wahre Preis von nachhaltigem Kaffee und weshalb viele ihn falsch einschätzen
Österreich liebt Kaffee. Verlängerter, Melange, Espresso, für viele gehört die tägliche Tasse zum fixen Ritual. Doch während das Bewusstsein für Nachhaltigkeit wächst, herrscht beim Kaffeekauf große Unsicherheit. Eine aktuelle Studie zeigt: Die meisten würden für fairen Kaffee mehr zahlen, wissen aber nicht, woran sie ihn erkennen. Noch erstaunlicher ist die Kluft zwischen dem, was nachhaltiger Kaffee tatsächlich kostet, und dem, was Menschen dafür ausgeben würden.
Hohe Bereitschaft, geringe Klarheit
78 % der Österreicher halten Nachhaltigkeit beim Kaffeekonsum für wichtig oder sehr wichtig. Das zeigt eine aktuelle repräsentative Umfrage von 2025 zu nachhaltigem Kaffee. Besonders bei älteren Konsumenten steigt dieser Wert noch weiter an. Nur 5 % aller Befragten messen dem Thema keine Bedeutung bei.
78 % der Österreicher ist Nachhaltigkeit beim Kaffee wichtig
Trotz dieser klaren Haltung gibt es ein Problem: Die allermeisten sind unsicher, woran man wirklich nachhaltigen Kaffee erkennt. Nur eine Minderheit traut sich zu, echte Nachhaltigkeit klar zu identifizieren. Viele verlassen sich auf Bauchgefühl, Siegel oder den Preis – oft mit fragwürdigem Erfolg.
Geschmack schlägt Zertifikat
Besonders auffällig: 43 % der Befragten sehen gute Qualität und Geschmack als Hauptzeichen nachhaltiger Produktion. Erst danach folgen Labels und Zertifizierungen (28 %) sowie transparente Herstellerinformationen (27 %).
Das ist einerseits nachvollziehbar: Geschmack lässt sich unmittelbar erleben. Andererseits führt diese Herangehensweise in die Irre. Denn ob eine Bohne fair gehandelt wurde, lässt sich nicht erschmecken. Auch hochwertige Industriekaffees können aromatisch überzeugen, ohne sozial oder ökologisch vertretbar produziert zu sein.
Transparenz und Aufklärung sind daher zentral. Wer nachhaltigen Kaffee kaufen möchte, sollte gezielt nach Informationen zur Herkunft, den Anbaubedingungen und den gezahlten Preisen an die Produzenten fragen. Labels können erste Anhaltspunkte liefern, ersetzen aber nicht den Blick auf die gesamte Lieferkette.
Die Preisfrage: Was darf Fairness kosten?
Hier wird es spannend: Die Studiendaten zeigen, dass Österreicher bereit wären, das Dreifache des durchschnittlichen Supermarktpreises für nachhaltigen Kaffee zu zahlen. Klingt beeindruckend, doch die Realität sieht anders aus. Auch wenn der Kaffeepreis hoch bleibt, ist vielen unklar, wofür sie beim Kaffee überhaupt mehr bezahlen.
Der durchschnittliche Kilopreis für Kaffee im heimischen Supermarkt liegt bei rund 20 Cent pro Tasse. Hochgerechnet ergibt das etwa 10 bis 12 Euro pro Kilogramm Kaffee. Das Dreifache davon wären 30 bis 36 Euro und damit immer noch deutlich unter dem, was qualitativ hochwertiger, fair gehandelter Kaffee tatsächlich kostet.
Viele unterschätzen schlicht, wie teuer echte Nachhaltigkeit ist. Kleinbauern müssen faire Löhne zahlen, umweltschonend arbeiten und auf Pestizide verzichten. Röstereien, die direkt mit Farmen kooperieren, zahlen oft das Mehrfache des Fairtrade-Preises. Hinzu kommen schonende Röstverfahren, kleinere Chargen und ein höherer Zeitaufwand.
Was kostet fairer Kaffee wirklich?
Ein realistisches Beispiel: Wer täglich zwei Tassen Kaffee trinkt, verbraucht im Monat etwa 500 Gramm. Bei günstigem Supermarktkaffee sind es rund 5 Euro. Bei hochwertigem, nachhaltig produziertem Kaffee liegen die Kosten bei etwa 10 bis 12 Euro pro Monat. Die Differenz auf den Fairtrade-Preis beträgt also nur 5 bis 7 Euro, umgerechnet rund 20 Cent pro Tag oder 10 Cent pro Tasse Kaffee.
Für diesen geringen Aufpreis erhält man Kaffee, der unter fairen Bedingungen angebaut wurde, bei dem die Bauern existenzsichernde Einkommen erzielen und der Umwelt nicht schadet. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist damit außergewöhnlich gut, vorausgesetzt, man weiß, wo man suchen muss.
Labels sind nicht alles
Viele Menschen orientieren sich an Nachhaltigkeits-Siegeln wie Fairtrade, Bio oder Rainforest Alliance. Diese bieten durchaus Orientierung, decken aber längst nicht alle relevanten Aspekte ab. Fairtrade garantiert Mindestpreise, sagt aber nichts über die tatsächliche Qualität der Bohnen oder die Röstung aus. Bio schließt Pestizide aus, regelt jedoch nicht automatisch faire Arbeitsbedingungen.
Manche Röstereien verzichten bewusst auf Zertifizierungen, weil sie direkt mit kleinen Farmen kooperieren, diese persönlich kennen und Preise zahlen, die weit über Standards hinausgehen. Hier lohnt sich der Blick auf die Unternehmensphilosophie: Woher kommt der Kaffee? Wie transparent ist die Lieferkette? Welche konkreten Maßnahmen ergreift der Anbieter?
Echte Nachhaltigkeit erkennen
Wer sichergehen möchte, sollte auf folgende Punkte achten: Herkunftstransparenz ist entscheidend. Gute nachhaltige Anbieter, wie z. B. die Kaffeerösterei Rauwolf, nennen konkret von welchen Farmen oder Kooperativen sie beziehen. Direkte Handelsbeziehungen sind ein starkes Zeichen für Fairness. Wer ohne Zwischenhändler einkauft, kann höhere Preise direkt an Produzenten weitergeben.
Röstfrische spielt ebenfalls eine Rolle: Frisch gerösteter Kaffee schmeckt nicht nur besser, sondern zeigt auch, dass keine Massenware aus Lagerhallen kommt. Preis kann ein Indikator sein, aber nur in Kombination mit anderen Faktoren. Teurer Kaffee ist nicht automatisch fair – billiger jedoch selten nachhaltig.
Schließlich hilft der direkte Kontakt zum Anbieter: Wer Fragen stellt und konkrete Antworten erhält, ist meist auf der richtigen Seite.
Bewusstsein wächst, Wissen hinkt hinterher
Die Studienergebnisse machen deutlich: Österreich will nachhaltigen Kaffee und ist bereit dafür zu zahlen. Gleichzeitig fehlt vielen das Wissen für fundierte Kaufentscheidungen. Anbieter sind gefordert, transparent zu kommunizieren und Nachhaltigkeit konkret zu leben. Wer bewusster Kaffee trinken möchte, muss nicht auf Genuss verzichten. Fairer Kaffee schmeckt oft intensiver und vielschichtiger. Die Frage ist nicht, ob wir uns Nachhaltigkeit leisten können, sondern ob wir darauf verzichten wollen.