Zu Besuch in „Untermüllberg“: Aufregung am Ende von Wien

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Serie: Dort, wo die Stadt ihren Müll deponiert, ganz im Norden, verbirgt sich manche Augenweide. Das Kleinod zwischen Wagramer Straße und Nordbahn wird jedoch durch einen Logistikpark bedroht.
Von Uwe Mauch

Heute fahren wir auf der Wagramer Straße hinaus – an ein weiteres Ende von Wien. Nur wenige Meter vor der Landesgrenze bietet die Stadt noch eine letzte Überraschung für Ortsfremde: „Leopoldauer Alm“ heißt das Wirtshaus am linken Straßenrand.

Dass es nicht einmal 180 Meter über dem Meeresspiegel steht, mit klassischer Almwirtschaft somit wenig am Hut hat, ist eine von mehreren Schmankerln, die einem in diesem urbanen Outback ins Auge springen.

So weit hergeholt ist die „Leopoldauer Alm“ aber gar nicht, liegt sie doch am Fuße des Wiener „Müllgebirges“, das sich nur wenige Meter weiter stadtauswärts in die Höhe schraubt.

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Die Altlasten der Stadt

Hinter einem Zaun werden schon seit Jahren Altlasten der Stadt deponiert. Wer das nicht weiß, wen das nicht weiter kratzt, erfreut sich an den in der schönen Jahreszeit blühenden Hängen. „Früher“, erzählt ein Bewohner der Kleingartenanlage der „ÖBB Landwirtschaft“, „haben wir von uns bis zum Floridsdorfer Spitz blicken können“.

Seither wurde in Wien viel Erdreich ausgebuddelt. Ein anderer Anrainer zeigt auf einen zweiten Hügel: „Dort ist das Aushubmaterial von der U1 drinnen.“ Die beiden Männer wohnen demnach in „Untermüllberg“ (bitte diese Bezeichnung nicht auf der Karte suchen, sie drängt sich nur beim Flanieren auf). Die staubige, nicht asphaltierte Straße gibt es. Sie heißt Alte Leopoldauer Schleife, und sie erinnert an eine ehemalige Gleisschleife für die Bahn.

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Gleise überschreitet man hier öfters. Die Gleise der Nordbahn führen vom Bahnhof Leopoldau schnurgerade nach Süßenbrunn und weiter in Richtung Tschechien.

Über andere Gleise dürfte schon seit vielen Jahren Gras wachsen. Dazu passen auch die hier abgestellten und leise vor sich hinrostenden Zugmaschinen der ÖBB-Cargo-Gesellschaft. Wenige Meter weiter wieder Häuser.

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Schon auf niederösterreichischer Seite befindet sich die Siedlung rund um den Schmatelkateich. Der erinnert an den Schotterbaron Schmatelka, der Schotter zu Geld machte und auch mit seiner Schottergrube noch einmal ordentlich abräumte.

Der Blick auf einen der Deponieberge trübt ein wenig das Idyll, andererseits würde auch die Großfeldsiedlung dahinter keinen besonderen Ausblick bieten. Und einen eigenen Steg am blau-grün glitzernden Teich zu besitzen, ist auch nicht die schlechteste Option. Nur die Versorgung sei in Wien besser, weiß der Schmatelkateichbewohner, der früher in Wien wohnte. Auf die Frage, wo die Stadt beginnt bzw. endet, deutet er nur: „Das ist dort drüben, wo der Zaun verläuft.“

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Aufregung am Stadtrand

Quietschende Räder eines langen Güterzugs stören die Ruhe. Es ist dieses ständige Kalt-Warm, das am Rande der Stadt die Sinne auf Trab hält. Eine Anrainerin an der Alten Leopoldauer Schleife freut sich indes, dass sich vor ihrem Haus Eule, Fuchs, Reh und Falke, auch Fledermaus und Glühwürmchen „Gute Nacht“ sagen.

Doch ist dieses private Glück bedroht. Aufregung über einen geplanten Logistikpark gibt es auch bei ihren Nachbarn: Wird der Park mit seinen insgesamt 74 Lkw-Anladedocks gebaut, würde er viel Verkehr, Lärm und Staub produzieren.

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„Man rechnet mit bis zu 1.000 Fahrten pro Tag, bis 22 Uhr, sechs Tage die Woche“, so die Anrainerin. Bitter fügt sie hinzu: „Mittags dürfen wir hier den Rasen nicht mähen, um die Ruhe nicht zu stören.“

Das Haus der Empörten steht in Floridsdorf, das Areal des geplanten Logistikparks gehört bereits zu Gerasdorf. Was auch politisch delikat ist: Helfen wollte man ihr bisher weder hüben wie drüben.

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