XXL-Verfahren wegen XXS-Anstellungen im türkischen Supermarkt

XXL-Verfahren wegen XXS-Anstellungen im türkischen Supermarkt
WKStA spricht von Sozialleistungsbetrug mit Millionenschaden und will 270 Zeugen hören.

Es war eine Angelegenheit, die selbst die hohe Politik erreichte: Innenminister Gerhard Karner und Finanzminister Magnus Brunner (beide ÖVP) traten im vergangenen Oktober an die Presse, um über Sozialleistungsbetrug im großen Stil zu informieren. Als eines von mehreren Beispielen wurde ein türkischer Supermarkt genannt, der 1.000 Mitarbeiter geringfügig angemeldet haben soll – bei voller Arbeitsleistung. Man habe so erreicht, dass weiterhin Arbeitslosen-Leistungen bezogen werden konnten.

Monate später stehen die angeblichen Köpfe in Wien vor Gericht. Ein Angeklagter verlässt den Gerichtssaal aber nach wenigen Minuten. Er hat es nicht geschafft, rechtzeitig einen Anwalt zu organisieren.

Übrig bleiben fünf Angeklagte – darunter drei Frauen. Geht es nach der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), sollen sie hinter einem groß angelegten Sozialleistungsbetrug gestanden haben. Angeklagt ist betrügerischer Datenverarbeitungsmissbrauch. Der Ankläger nennt als Schadenssumme bis zu 6,8 Millionen Euro.

„Das System war einfach“, sagt Oberstaatsanwalt Marcus Schmitt. „Man meldet 1.000 Dienstnehmer geringfügig mit zwei bis 5 Wochenstunden an. In Wahrheit arbeiten sie aber mehr als Vollzeit. Durchschnittlich 50 bis 70 Stunden in der Woche.“

Strohleute

Rund 270 dieser 1.000 Mitarbeiter wurden im Zuge der Ermittlungen befragt. Bei Kontrollen der Finanzpolizei seien die Mitarbeiter einfach in den neun unterschiedlichen Gesellschaften hin- und hergeschoben worden. Als Geschäftsführer sollen Strohleute eingesetzt worden sein.

Als angebliche „Masterminds“ sieht die WKStA zwei Brüder. Die Dritt- und Viertangeklagte hätten je als rechte Hand gearbeitet, die Fünfte war für die Buchhaltung zuständig.

„So einfach, wie der Oberstaatsanwalt das sagt, ist es leider nicht“, bremst Rechtsanwalt Philipp Wolm. Der Schadensbetrag sei weit überzogen. „Und Beweise gibt es keine.“ 270 Ex-Mitarbeiter wurden als Zeugen geladen. „Ich wünsche Ihnen einen schönen Sommer“, sagt der Anwalt in Richtung der Schöffen in Hinblick auf ein XXL-Verfahren.

Vier der fünf Angeklagten bekennen sich teilweise schuldig, verweigern aber die Aussage. Die Fünfte bekennt sich nicht schuldig. Nächster Verhandlungstag: Montag.

Kommentare