Füreinander da in Wien: Wohnen im Generationenverband
Über die WhatsApp-Gruppe „ProstMahlzeit“ trommelt Elisabeth heute wieder alle Jungen und Junggebliebenen im Haus mit einer kurzen Nachricht zusammen: „Treffpunkt Lounge und Terrasse – es ist Kaffeezeit und jeder ist herzlich willkommen!“. Gerti bringt ihren beliebten Guglhupf und eine junge Mutter, die bisher nie die Zeit gefunden hat, beschließt auch, vorbeizukommen, um einige Bewohner kennenzulernen.
Auf der Terrasse wird in den Gemeinschaftsbeeten schon fleißig gegartelt. Darius, ein junger Mann mit grünem Daumen, hat die gleichnamige WhatsApp-Gruppe mit sechs anderen Bewohnern gegründet und gibt sein Wissen gerne weiter. Vom Gemüse und den feinen Walderdbeeren dürfen aber auch jene Bewohner naschen, die derzeit kein Beet besitzen. „Wir wechseln uns dann im Frühjahr wieder ab, wer ein Stückchen zum Bebauen haben will, bekommt eines.“
Aus Nachbarn wurden Freunde, ich fühle mich hier einfach gut aufgehoben.
Besucht man die Bewohner im Wohnprojekt „Generationenband“ in der Arakawagasse 9–11 bei Kagran spürt man sofort: Hier gibt es immer ein offenes Ohr, helfende Hände und vor allem viel Spaß über Generationen hinweg. Auf den vier Stiegen des Wohnareals wurden gewisse Schwerpunkte entwickelt, schildert Pensionistin Franzi: „Wir haben ein Familienhaus, wo größere Wohnungen für Familien zur Verfügung stehen, dann gibt es den Golden-Girls- oder 55-Plus-Stock, in dem ich lebe, Studentenwohnungen und Cluster-Einheiten, wo jeweils vier Wohnungen einen gemeinsamen Aufenthaltsraum haben.“ Im dritten Stock verbindet ein „Band“ an Gemeinschaftsflächen alle Wohneinheiten. Das Generationenband ist damit zu einem belebten Ort der Begegnung einer generationenübergreifenden Nachbarschaft geworden.
Die Idee dahinter
Begleitet wurde dieses Wohnprojekt von Beginn an von Realitylab, die unter anderem gemeinschaftliche Bau- und Wohnprojekte betreuen, wie Projektleiter Micha Poszve erklärt: „Wir wollen mit Bewohnern Strukturen der Selbstorganisation aufbauen und transparente Kommunikation – auch mit der Hausverwaltung – fördern.“ In einer Nachbarschaft, die von Anfang an auf einem Miteinander aufbaut, kann man voneinander lernen und mitten in Wien die Vorteile vom kleinen Dorf nutzen, ohne auf jene der Großstadt zu verzichten, ist der Projektleiter überzeugt. „Es eröffnen sich Lernmöglichkeiten für alle Generationen und gemeinsam steigert dies wiederum Vertrauen und ein subjektives Sicherheitsgefühl. Ich kann bei der Hausgemeinschaft andocken – ich muss es aber nicht.“
Frühstück bis 17.00 Uhr
Im Generationenband treffen einander Bewohner mit gemeinsamen Interessen zu Themengruppen, um Aktivitäten zu planen oder etwas gemeinsam zu unternehmen. Alle Gruppen sind auch vom Alter sehr durchgemischt und es ist für jeden jederzeit möglich, einzusteigen. Die Themengruppe “Prost! Mahlzeit“ etwa trifft sich für kulinarische Genüsse und ist auch für die Verköstigung auf Festen auf der Terrasse und für das Nachbarschaftsfrühstück jeden ersten Sonntag im Monat zuständig. „Das ist auch etwas für Langschläfer, wir haben von 9 bis 17 Uhr Kaffee, Kuchen und andere Schmankerln,“ erzählt Elisabeth lachend. Die Gruppe „Activity“ wiederum unternimmt zusammen Ausflüge an die nahe Donau, zum Radeln oder Wandern. In der Runde „Rat und Tat“ unterstützt man sich gegenseitig mit hilfreichen Tipps aller Art.
Die Bewohner sind bereits vor der Wohnungsvergabe über die Leitideen und die Vision des Projektes im Rahmen von Informationsveranstaltungen informiert worden, wurden in die Planung der Ideen aktiv mit eingebunden und kennen einander nun bereits fast ein Jahr. Bereut hat das keiner. Im Gegenteil, es werden bereits Zukunftspläne geschmiedet. „Wenn wir dann wirklich alt sind, nehmen wir uns zu dritt eine Clusterwohneinheit und teilen uns eine Pflegekraft. So können wir auch dann noch zusammenbleiben,“ ist Elisabeth fest überzeugt.
Im Jahr 2020 sind weitere Projekte geplant, etwa:
10. Bezirk, Puchsbaumgasse: Geschäftsflächen in der EG-Zone, ein Wohnheim für junge Menschen, betreute Senioren-WGs, verschiedene Wohnungstypen, Hobbyräume sowie ein Gemeinschaftsgarten. Bauträger: EBG und WBV-GPA
22. Bezirk, Dittelgasse: Hier entstehen 361 Wohnungen, betreute Wohneinheiten des Arbeitersamariterbundes und ein siebengruppiger Kindergarten Bauträger: SIEDLUNGSUNION,
WBV-GÖD und WBV-GPA
Wohnbuddy: Die etwas anderen WGs
Eine Plattform bringt Jung & Alt unter einem Dach zusammenBereits 2015 wurde die Idee zu „WGE! – Gemeinsam wohnen“ von Lukas Hecke, Marlene Welzl und Manuel Schuler geboren. „Am Anfang ging es darum, erste Wohngemeinschaften zwischen Jung & Alt in Wien zu gründen und zu sehen, wie sich dieses Konzept entwickelt. Wir haben uns die Frage gestellt, ob und inwieweit die verschiedenen Lebenswelten zusammenpassen. Jetzt sind wir dabei, herauszufinden, wie wir dieses Modell weiter ausbauen können“, so Manuel Schuler über die Anfänge und den künftigen Weg der Initiative. Anfang 2019 wurde ein wichtiger Schritt in Richtung Neuausrichtung gesetzt. Mit der neuen, stärker unternehmerischen Aufstellung wurde auch der Außenauftritt überarbeitet: WOHNBUDDY wurde geboren.
Zwei WohnmodelleZum aktuellen Zeitpunkt stehen zwei unterschiedliche Vermittlungsmodelle zur Verfügung: WOHNBUDDY vermittelt private Wohngemeinschaften zwischen Jung & Alt – ältere Menschen stellen jungen Menschen erschwinglichen Wohnraum zur Verfügung. Dadurch kann bestehender Leerstand genützt und eine neue Form des generationsübergreifenden Zusammenlebens etabliert werden. Das Wichtigste: die neuen Wohnpartner unterstützen sich gegenseitig, und nach den gemeinsam vereinbarten Vorstellungen. Zusätzlich ermöglicht WOHNBUDDY neue Formen des Zusammenlebens in Senioren- und Pflegewohnhäusern. Durch die Zusammenarbeit mit Kuratorium Wiener Pensionistenwohnhäuser (KWP), der Residenz Josefstadt und der Caritas Österreich können frei stehende Zimmer in deren Wohnhäusern in ganz Wien für junge Menschen günstig zur Verfügung gestellt werden. WOHNBUDDY kann übrigens sowohl von Wohnraumstellern als auch Wohnraumsuchenden kontaktiert werden.
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