Wiener Fitnessstudios sind am Ende ihrer Kräfte

Wiener Fitnessstudios sind am Ende ihrer Kräfte
Jahrelang boomte das Fitness-Geschäft. Laut Wirtschaftskammer hält der Trend auch nach Corona, Krieg und Teuerungen an. Die Betreiber selbst zeichnen allerdings ein ganz anderes Bild.

20 Jahre lang wurde in der Lange Gasse 78 gesportelt und geschwitzt. Das ist jetzt vorbei – und die Josefstadt damit um ein Fitnessstudio ärmer. Das „Shinergy Base“ hatte gestern, Donnerstag, zum letzten Mal offen.

Schweren Herzens habe der Betrieb eingestellt werden müssen, schreiben die Geschäftsführer Ronny Kokert und Hans Hwesta auf Facebook. Die Gründe werden klar benannt: „Ausbleibende Neuzugänge während der coronabedingten Schließungen, mangelnde Anmeldungen nach der Wiedereröffnung und die enorme Steigerung der monatlichen Energiekosten machen diesen Schritt unumgänglich.“

Wiener Fitnessstudios sind am Ende ihrer Kräfte

"Shinergy Base" musste gestern, Donnerstag, schließen

Wiener Fitnessstudios sind am Ende ihrer Kräfte

Das kommt angesichts der Meldung, die die Wirtschaftskammer Wien (WKW) Ende Februar veröffentlicht hat, doch recht überraschend. Damals hieß es, dass die Fitnesscenter wieder aus dem „Krisenmodus“ kommen würden. „Nach Lockdowns und den extrem gestiegenen Gaspreisen bringen zusätzliche Kunden wichtige Impulse für die Branche“, hieß es. Der Jänner sei von „guten Zuwächsen bei den Mitgliedschaften“ geprägt gewesen.

Zahlreiche Pleiten

Das Bild, das die Fitnessstudios selbst zeichnen, ist allerdings ein ganz anderes: Wie der Betreiber eines Fitnessstudios – er möchte anonym bleiben – erzählt, habe sein Studio innerhalb des vergangenen Jahres die Hälfte ihrer Mitglieder verloren. Während Corona hätten die Menschen viel zu Hause trainiert. Danach, als die Fitnesscenter wieder geöffnet hatten, hätten die Teuerungen den Fitnessstudiobesuch verhindert. Wenn schon Wohnen und Energie kaum noch leistbar wären, wie sollen die Menschen dann ins Fitnessstudio gehen?

Erst kürzlich ist die Pleite des Fitnessstudios „Top Gym“ in Heiligenstadt bekannt geworden. Nach 30 Jahren musste der Betrieb einstellt werden. 22 Mitarbeiter und 1.000 Mitglieder mussten sich ein neues Studio suchen.

Drei Klassen

Laut Christian Hörl, Branchensprecher der Fitnessbetriebe in der Wirtschaftskammer Österreich, gibt es drei Fitnessstudio-Preisklassen: Die günstigen um bis zu 30 Euro, die mittelteueren bis zu 60 Euro und die hochpreisigen ab 60 Euro – jeweils pro Monat.

Wiener Fitnessstudios sind am Ende ihrer Kräfte

John Harris

Zu Letzterer zählt etwa die Studio-Kette „John Harris“. Zwischen 79 und 199 Euro kostet hier das Abo. Einen Rückgang bei den Mitgliedern spüre man bei „John Harris“ aber nicht. Anfang des Jahres habe man sogar deutlich mehr Neuanmeldungen gezählt. Von den steigenden Energiepreisen und den restlichen Krisen sei aber auch das Luxus-Fitnessstudio stark betroffen, so Ernst Minar, Inhaber und Geschäftsführer.

Mehr Ketten

Der Fitness-Trend hält laut Wirtschaftskammer Wien aber auch weiterhin an. Die Zahl der selbstständigen Fitnesstrainer stieg von 777 zu Jahresende 2019 auf 870 im Februar 2023. Im gleichen Zeitraum erhöhte sich – trotz Corona und Lockdowns – auch die Zahl der Fitnessbetriebe. Von 215 auf 226. Dabei habe man aber bemerkt, „dass Einzelstudios aufgegeben haben, dafür größere Ketten weitere Studios eröffneten“, so der Wiener Branchensprecher Martin Becker.

Aber auch bei günstigen Fitnessbetreibern sind die Aussichten nicht sonderlich gut. Ein Betreiber, der nicht namentlich genannt werden will, spricht davon, dass die Anmeldungen „definitiv zurückgegangen sind“. Und das, obwohl man sich mit Abos um 30 bis 60 Euro im günstigeren Preissegment befinde. „Die vergangenen Jahre waren mit Corona und den Teuerungen nicht einfach“, so der Unternehmer. Wirtschaftlich problematisch sei es für ihn derzeit – im Gegensatz zu vielen anderen – aber noch nicht.

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