Neue Wien-Bücher: Wenn Wände sprechen könnten

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Klaus-Jürgen Bauer lässt die Fassaden von 100 Wiener Gebäuden sprechen. Und gleich zwei Neuerscheinungen widmen sich der Geschichte der Öffis in der Stadt.

Nicht nur Menschen haben Gesichter, auch Gebäude. Und wer sich mit Physiognomie auskennt, kann daraus auf das dahinterliegende Haus schließen. „Die Fassade ist jenes architektonische Element, das sich nach außen richtet“, schreibt Klaus-Jürgen Bauer. „In jeder Fassade kann man lesen wie in einem Gesicht.“

Der Wiener Architekt und Autor verfasste für den morgendlichen Newsletter der Wochenzeitung Falter eine wöchentliche Kolumne namens „Der Fassadenleser“. Daraus hat sich das schöne Buch „Sprechende Fassaden“ entwickelt, in dem genau 100 Gebäude verschiedenster Art vorgestellt werden.

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Klaus-Jürgen Bauer: "Sprechende Fassaden“. Falter Verlag. 245 Seiten. 24,90 Euro 

Hinter der Fassade

Gründerzeit-Zinshäuser finden sich in Bauers Buch ebenso wie brutalistische Seventies-Wohnbauten, Kirchen ebenso wie Industriegebäude, Schrebergartenhäuschen stehen neben Jugendstilvillen, und sogar die Toboggan-Rutsche im Wurstelprater hat ihren Auftritt.

Jeder Fassade ist eine Doppelseite gewidmet. Auf einer Seite wird das Gebäude in exzellenten Aufnahmen der Fotografin Charlotte Schwarz dokumentiert, auf der anderen wird es in Klaus-Jürgen Bauers knappen, präzisen Texten beschrieben und analysiert.

Leider hat der „Fassadenleser“ das Erscheinen seines Buchs nicht mehr erlebt, er ist am 28. Juni 62-jährig verstorben. Sein Blick auf Wien und seine Häuser aber ist in dem Buch konserviert. Wer mit ihm durch die Stadt geht, wird auch vertraute, vermeintlich wohlbekannte Gassen und Bauten mit anderen Augen sehen.

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Thomas Walter Köhler / Christian Mertens (Hg.): "Auf Schienen". Braumüller Verlag. 219 Seiten. 24 Euro 

Wien auf Schienen

Der jüngste Band der vom Braumüller Verlag herausgegebenen Wien-Reihe widmet sich der Straßenbahn. Die Herausgeber versammeln in „Auf Schienen. Tramway und Bim in Wien“ Texte und Bilder zu verschiedensten Aspekten des Themas. Die Systematik von Streckennetz und Liniennummerierung wird ebenso thematisiert wie die Entwicklung des Fuhrparks, die Situation des Personals oder die schwersten Straßenbahnunfälle.

Aus ihrem Buch spreche „viel Liebe“, sagen die Herausgeber. Das merkt man. Aber man muss kein Trainspotter sein, um an diesem Buch Freude zu haben. Allein die historischen Fotos machen es zu einer Fundgrube für alle an Stadtgeschichte interessierten Leserinnen und Leser.

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Karl und Martin Zellhofer: "Wien und seine Bahnen". Edition Winkler-Hermaden. 136 Seiten. 28,90 Euro 

Der verwandte Band „Wien und seine Bahnen“ konzentriert sich auf die vergangenen 50 Jahre, beschränkt sich aber nicht auf die Straßenbahn, sondern auf alles, was in Wien auf Schienen fuhr oder fährt. Dazu gehört etwa auch die kleine „Feldbahn“, mit der im Versorgungsheim Lainz bis 2011 das Essen transportiert wurde.

Das umfangreiche Bildmaterial wird durch fachkundige Texte und kurze Porträts von Zeitzeugen ergänzt. Der Straßenbahnschaffner Wolfgang Proisl etwa erinnert sich, dass es zu Weihnachten und Silvester gelegentlich kleine Aufmerksamkeiten von Fahrgästen gab. Wien kann so entzückend sein.

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