Nikolo im Kindergarten: Und es gibt ihn doch

Der Nikolaus im Kindergarten in der Seestat
Alle Jahre wieder heißt es, es gebe keinen Nikolo mehr im Kindergarten. Der KURIER hat nachgeschaut.

Als hätte sie nie etwas anderes gemacht, schnappt sich die fünfjährige Enesa den roten Umhang aus Kunstsamt, hängt ihn sich um, setzt eine riesige Bischofsmütze aus roter Wellpappe auf, nimmt zuerst den Jutesack und schmeißt ihn sich über die Schulter, dann den golden Bischofsstab und stellt ihn sich zur Seite. Enesa ist an diesem Vormittag der Nikolo im Kindergarten in der Seestadt. Und es ist tatsächlich nicht ihr erstes Mal.

Nikolo im Kindergarten: Und es gibt ihn doch
Der Nikolaus im Kindergarten Aspern, Wien am 02.12.2016.
Alle Jahre wieder verbreitet sich in Wien verlässlich das Gerücht, der Nikolo komme nicht mehr in die Kindergärten. Und in gewisser Weise stimmt das auch: Denn der fremde Mann mit dem langen weißen Rauschbart und dem Sack voller Sackerl besucht tatsächlich nicht mehr die Kindergärten. Das entspricht längst nicht mehr dem pädagogischen Konzept einer öffentlichen Bildungsanstalt. "Dass ein Fremder kommt und dem einen Kind sagt, es war brav und dem anderen vielleicht nicht, das geht nicht mehr", sagt Angelika Maier. Gefeiert wird der 6. Dezember trotzdem: Entweder die Pädagoginnen verkleiden sich selbst als Nikoläuse – und zwar vor den Kindern, um diese nicht zu erschrecken – oder die Kinder machen das gleich selbst.

Brennpunkt-Thema

Angelika Maier ist seit 32 Jahren Kindergartenpädagogin und leitet seit eineinhalb Jahren den Kindergarten im Bildungscampus in der Seestadt Aspern. "Der Nikolo ist immer das Brennpunkt-Thema", sagt Maier. Nachvollziehen könne sie das nicht. Seit sie im Kindergarten arbeitet, sei der Nikolo überhaupt noch nie in der Form des fremden Mannes mit Rauschebart aufgetaucht. "Das geht auch nicht. Manche Kinder fürchten sich", sagt Maier.

Nikolo im Kindergarten: Und es gibt ihn doch
Der Nikolaus im Kindergarten Aspern, Wien am 02.12.2016.
Den Kindergarten in der Seestadt besuchen 200 Kinder im Alter von null bis sechs Jahren. Sie kommen aus 32 Nationen und haben die unterschiedlichsten Religionen. Einige sind römisch-katholisch, manche evangelisch, manche muslimisch, ein paar orthodox und ein paar ohne Bekenntnis. "Wir transportieren keine religiösen Inhalte, sondern Traditionen und die Werte, die damit verbunden sind", sagt Maier. "Die Kinder setzen sich im Jahreskreis mit den Themen auseinander." Das beginne beim Laternenfest und ende bei Ostern.

Werte und Traditionen

Das sieht der Wiener Bildungsplan so vor (siehe Kasten). Die Vermittlung von Ritualen, wie jenes vom Nikolo, der nur die braven Kinder beschenkt, sei den Eltern vorbehalten. "Ich habe nicht nur die Bedürfnisse von einem Kind zu befriedigen, sondern von 200", sagt Maier. Also werden all die Themen, die die Kinder in den Kindergarten tragen, auch bearbeitet. Zum Beispiel, dass bei manchen am 24. Dezember das Christkind kommt und bei anderen am 31. Dezember der Weihnachtsmann.

Nikolo im Kindergarten: Und es gibt ihn doch
Der Nikolaus im Kindergarten Aspern, Wien am 02.12.2016.
Die Feste würden ja trotzdem gefeiert: Im Advent steht jeder Kindergruppe ein Adventkranz zur Verfügung. Jede Woche wird in der Adventstunde eine Kerze angezündet. Jeden Tag darf ein anderes Kind das Kästchen beim Adventkalender öffnen. An den Tagen vor dem 6. Dezember singen die Kinder "Lasst uns froh und munter sein", in den Gruppen werden Bischofsmützen aus Wellpappe oder Papier gebastelt, den Bischofsstab machen die Kinder aus Pappmaché, die Nikolo-Sackerl bedrucken sie selbst und beim Nikolausfest am 6. Dezember füllen sie diese – ebenfalls selbst.

Was der Nikolo macht, wissen die Kinder trotzdem, sagt Angelika Maier. "Er bringt Mandarinen und Äpfel", sagt Ali. "Und Nüsse", sagt Elias. "Und manchmal auch Geschenke", sagt Lena.


Wiener Bildungsplan

Der Bildungsplan für den Kindergarten soll die Aufgaben des Kindergartens konkretisieren. Unter dem Punkt „Ethik und Wertehaltungen“ ist zu lesen: „Normen, Werte, Sitten und Bräuche der Gemeinschaft und die damit verbundenen Regeln sind Orientierungspunkte für den einzelnen Menschen und sein eigenverantwortliches Handeln.“

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