Terrorprozess: Aus dem IS-Milieu zur Männerberatung

Bei der Hausdurchsuchung in der Wohnung in Wien-Meidling, in der der 16-jährige Angeklagte Abid H. mit seinen Eltern lebt, fanden die Ermittler im Vorjahr auch sein iPhone – mit etlichen belastenden Videos, PDFs und Textnachrichten.
„Hat mich angezogen“
Also fragt der Richter, der nach eigenen Angaben seit zehn Jahren Verfahren rund um den IS verhandelt, bei der Verhandlung im Landesgericht Wien nach den Beweggründen für seine zur Schau gestellte Nähe zur Terrororganisation.
Er hätte wissen wollen, was so in der Welt abgeht, weil er sich in der Schule für Geschichte sehr interessiert hätte. „Daher habe ich im Internet recherchiert.“
Abid H. spricht langsam und leise. Er scheint nicht besonders stolz auf seine IS-Phase zu sein. Seine aktuelle Frisur erinnert auch nicht an den Dschihad, ebenso nicht seine weiten Jeans und das schwarze Slim-Fit-Hemd.
Sein Verteidiger hatte bereits zu Beginn der Verhandlung klar gemacht, dass er sich „geständig“ und auch „reumütig“ zeigt.
An dieser Reumütigkeit beginnt der Richter jedoch zu zweifeln. Etwa, als der junge Angeklagte erzählt: „Das Erscheinungsbild dieser Personen und ihre Redensart hat mich angezogen.“ Auf den Einwand des Richters, dass die von ihm geteilten Inhalte auch die Verherrlichung von Gewalt und Terror vermitteln, verteidigt sich Abid H. so: Er habe sich nur für die Überlieferung des Korans interessiert.
Ein Video interessiert den Staatsanwalt und auch den Richter besonders: Es zeigt den Angeklagten mit einem der mutmaßlichen Drahtzieher für den vereitelten Anschlag auf das Taylor-Swift-Konzert im Ernst-Happel-Stadion. Die beiden Männer zeigen sich in eindeutiger IS-Pose, mit Gewehr, Pistole und Messer.
„Den Unsinn nicht hören“
Nicht ernst gemeint; es war nur ein Spaß; wurde nur als kleine Geschichte und nicht wegen des IS gepostet; er habe auch nicht gewusst, dass das strafbar ist.
Der Richter schüttelt den Kopf. Er hört diese Sätze nicht zum ersten Mal. Und er findet deutliche Worte: „Ich kann den Unsinn nicht mehr hören.“ Er will wissen: „Was ist denn so schön an dieser zur Schau gestellten Kämpferei?“
Vier schwer bewaffnete Polizisten bringen dann den in U-Haft sitzenden Luca K. in den Zeugenstand. Er gibt zu, dass er gemeinsam mit dem Angeklagten im Juni 2024 für das Video posiert hat, will dessen Inhalt aber auch keine große Bedeutung beimessen. Mehr ist von ihm nicht zu erfahren.
Für Abid H. spricht, dass er schon bald nach der Hausdurchsuchung von sich aus Hilfe bei der Beratungsstelle Extremismus sowie bei der Männerberatung erbat.
Beide Institutionen bescheinigen ihm schriftlich den deutlich erkennbaren Willen zur Kooperation und das Einhalten aller Termine. Die Zusage einer Lehrstelle ab Herbst dürfte ihn am Ende ebenso vor dem Gang ins Gefängnis bewahrt haben.
Dreijährige Probezeit
Auf die Frage des Richters führte er seinen Sinneswandel auf seine Eltern zurück: „Meine Mutter ist krank. Sie braucht meine Hilfe.“
Der 16-Jährige wurde wegen terroristischer Vereinigung und krimineller Organisation rechtskräftig zu einer einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, die ihm unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.
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