Streetworker erzählt über die "Friedhofskinder" in Liberia

Lothar Wagner (hinten Mitte) betreut seit 20 Jahren außerdem Häftlinge, die unter unmenschlichen Bedingungen leben müssen.
Lothar Wagner war zu Besuch in Wien und berichtete Jugendlichen über seinen Arbeitsalltag in Westafrika.

Sie räumen Gräber am Friedhof aus und legen sich zu den Toten, weil es in der Gesellschaft keinen Platz für sie gibt: So sieht der Alltag für viele Kinder in Liberia in Westafrika aus. 

Einer, der diesen Alltag kennt, ist Streetworker Lothar Wagner. Anlässlich des „Tags der Straßenkinder“ (31. 1.) war er vergangene Woche in Wien zu Gast, um Schülern des Bildungscampus Flora Fries im 15. Bezirk über den Alltag in Westafrika zu erzählen. Auch der KURIER durfte ihn begleiten.

80.000 Kinder ohne Zuhause

Seit rund 20 Jahren setzt Wagner sich mit der Wiener Hilfsorganisation „Jugend Eine Welt“ für junge Menschen ein. „Unsere Häuser sind alle voll. Kinder stehen Schlange – das schmerzt“, sagt er. Ebenso aufwühlend sei es, die Kinder aus Grabstätten herauskrabbeln zu sehen. 80.000 Kinder ohne ein sicheres Zuhause gebe es aktuell allein in Liberias Hauptstadt Monrovia – Tendenz steigend.

Noch vor einigen Jahren habe man versucht, präventive Arbeit zu leisten. „Mittlerweile reagieren wir nur mehr auf die massive Verarmung“, erzählt Wagner. Die Krisen der vergangenen Jahre – wie Ebola und Covid-19, aber auch vermehrter Drogenmissbrauch – hätten die Situation noch verschärft.

6.000 Kilometer entfernt

Im etwa 6.000 Kilometer entfernten Wien hören 60 Jugendliche das erste Mal über die prekären Zustände in Monrovia: „Ich glaube, viele Menschen in Österreich wissen, dass die Situation in Westafrika schlecht ist – aber die wenigsten haben eine Ahnung, wie schlimm es wirklich für junge Menschen ist“, sagen Anna, Marta und Otto.

Die Hilfsorganisation setzt sich unter dem Leitgedanken „Bildung überwindet Armut“ seit ihrer Gründung vor 27 Jahren für benachteiligte Kinder in aller Welt ein. Die Organisation ist in Asien, Afrika und Lateinamerika tätig. Sie bietet auch 
humanitäre Nothilfe nach (Natur-)Katastrophen oder bei kriegerischen Konflikten.

Projektpartner ist der Don-Bosco-Orden, dem Lothar Wagner angehört.

Spenden sind möglich unter: www.jugendeinewelt.at/spenden

Vor allem Lothar Wagners Berichte über den Textilmarkt vor Ort habe sie überrascht: „Ich dachte immer, alte Kleidung zu spenden wäre gut für das Klima und die Menschen. Dass es sich so negativ auf den Arbeitsmarkt dort auswirkt, wusste ich nicht“, sagt die 18-jährige Anna. Der 16-jährige Otto ergänzt: „Ich fürchte, dass die Situation leider trotzdem vielen egal ist, weil es so weit weg ist und sich deshalb viele nicht vorstellen können, wie unterschiedlich das Leben ist.“

Lothar Wagner hilft auch Menschen in Haftanstalten

Bruder Lothar Wagner ist jedenfalls keiner von denen, denen es egal ist: Neben den sogenannten „Friedhofskindern“ widmet er sich auch der Arbeit mit minderjährigen Häftlingen in Monrovia. Gebaut wurde die dortige Haftanstalt für 325 Insassen. Mittlerweile sind bis zu 1.500 Gefangene inhaftiert – unter ihnen viele Kinder und Jugendliche.

Bei seinen Besuchen im Gefängnis bringt er sauberes Trinkwasser und warme Mahlzeiten. Außerdem bietet er medizinische Versorgung, therapeutische Gespräche und vermittelt Rechtsbeistände. „Momente, in denen Kinder abdriften, sind schwierig. Aber ich sehe jeden Tag, was für eine Wirkung unsere Arbeit hat.“

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