Straßenmusik: Der Gehsteig ist die Bühne

Lukas Weiser alias Onk Lou kommt aus Niederösterreich und wurde in einem Wiener Beisl entdeckt
Ob aus Notwendigkeit oder Leidenschaft – die Straßenmusik-Szene lebt. Etwa mit Lukas Weiser alias Onk Lou.

Lukas Weiser alias Onk Lou sitzt auf einer Parkbank und schlägt in die Saiten seiner Gitarre. Seit Anfang Mai war der 26-jährige Niederösterreicher aus Ollersdorf (Bezirk Gänserndorf) auf Tour durch Deutschland und Österreich, stand auf großen Bühnen vor hunderten Menschen, schlief in schicken Hotelzimmern und hörte, wie seine selbst geschriebenen Lieder im Radio rauf und runter gespielt wurden. Trotz des Erfolgs ist der Musiker am Boden geblieben. Denn Onk Lou weiß genau, wie es ist, am untersten Ende der musikalischen Nahrungskette zu stehen: Seine Karriere begann der Niederösterreicher auf der Straße – als Straßenmusiker in Graz. „Meine Mitbewohner beschwerten sich über mein Gespiele, also blieb mir nichts anderes übrig, als auf der Straße zu üben.“ Die Überwindung war groß: „Da wartet niemand auf dich. Aber wenn dann die Leute plötzlich stehen bleiben und zuhören, ist das die größte Belohnung.“

Jahrelang war Onk Lou in ganz Europa unterwegs und finanzierte sich sein Leben durch Auftritte auf den Straßen Montpelliers, Valencias und Hamburgs. Zwischen zwei und 100 Euro landeten täglich in seinem Gitarrenkoffer, dazwischen auch mal Zigarettenpackerl, Bierdosen und Handynummern. „Es ist wirklich hart verdientes Geld, auf das man sich niemals verlassen kann. Aber das ist vielleicht sogar das Spannendste an der ganzen Sache – dass man nie weiß, was passiert“, überlegt Onk Lou.

Entdeckt wurde der Musiker von einem Produzenten während eines Auftritts in einem Wiener Beisl. Seitdem hat der Niederösterreicher bereits zwei Alben veröffentlicht, ein drittes ist im Mai 2019 geplant. Ein Traum, von dem wohl jeder Straßenmusiker hofft, dass er eines Tages in Erfüllung geht.

Auch Luke Bosse. Der 25-jährige Berliner steht regelmäßig mit seiner Gitarre am Karlsplatz in Wien. Dass das Musizieren auf der Straße kein Zuckerschlecken ist, davon kann Bosse ein Lied singen: „An manchen Tagen findet man nach zwei Stunden nicht mehr als ein paar Euro in seinem Koffer“, berichtet der Berliner. Gerade wurde er von drei Polizisten kontrolliert, die seine Platzkarte sehen wollten. Denn wer in Wien an gewissen Touristen-Hotspots wie Schwedenplatz, Kärntner Straße oder eben Karlsplatz musizieren will, benötigt seit Juli 2012 einen behördlichen Bescheid.

Vertrauen ist gut...

Dieser kostet 6,54 Euro im Monat und enthält die Termine, an denen am bezeichneten Ort gespielt werden darf. Auch andere Landeshauptstädte wie Graz, Linz und Innsbruck folgten in den vergangenen Jahren dem Beispiel Wiens. Zudem muss man als Straßenmusiker zahlreiche Regeln beachten, die von Landeshauptstadt zu Landeshauptstadt unterschiedlich sind.

Das Leben als Straßenmusiker ist also gar nicht so frei und unbeschwert, wie manche vielleicht denken mögen. „Überhaupt nicht“, bestätigt Bosse, „aber was zählt, ist die Musik.“

Onk Lou selbst ist von dem System der Platzkarten nicht überzeugt. Er selbst spielte lieber an weniger belebten Orten, für die keine Platzkarten notwendig sind, etwa im Votivpark, am Donaukanal oder im Museumsquartier. Und auch heute noch ist er dort ab und zu anzutreffen: „Das Spielen ist heute aber keine Notwendigkeit mehr, sondern eine Leidenschaft. Auf der Straße hat man keinen Druck, nichts zu verlieren. Und wenn man nur einen Passanten mit seiner Musik zum Lächeln bringt, hat man schon gewonnen.“

Straßenmusik: Der Gehsteig ist die Bühne

„Musik ist mein Leben“: Luke Bosse aus Berlin steht regelmäßig mit seiner Gitarre am Karlsplatz und singt.

Jeder Stadt ihre Regeln

Während Straßenmusiker in Wien 16 Jahre alt sein müssen, darf man in  Graz ab dem 15. Lebensjahr  musizieren. Für die Innenstadt benötigt man eine kostenlose Platzkarte, zudem muss man  fünf Meter Abstand zu Haus- und Geschäftseingängen einhalten sowie 50 Meter zu anderen Straßenmusikern, Schulen und Kirchen. Ortswechsel nach 30 Minuten, der neue Spielort muss 100 Meter entfernt sein. In Sankt Pölten darf man nur einmal in der Woche an einem Tag spielen, in Eisenstadt gelten die Regeln der StVO und der AGB. In  Linz zahlt man 30,70 Euro für eine Platzkarte, außerdem muss man ein Casting absolvieren. Teuer wird es in Innsbruck: Hier zahlt man 64,30 Euro pro Woche für eine Platzkarte und darf maximal zu viert musizieren. Am leichtesten haben es Straßenmusiker in der Stadt der Musik: In Salzburg gibt es keine Platzkarten, nur Spielplätze und -zeiten, die eingehalten werden müssen.

40 Musiker, 6000 Auftritte – ein Jahr „U-Bahn-Stars“

„Ich steh’ da schon seit einer Stunde und komm’ nicht weg. Der macht das ganz großartig“, schwärmt eine ältere Dame und deutet auf Johannes Honigschnabl, der mit seiner Ziehharmonika in der U-Bahn-Station steht und ein Polka spielt. Der 21-Jährige Student ist einer der rund 40 „U-Bahn-Stars“, die seit etwa einem Jahr in insgesamt sechs U-Bahn-Stationen  (Westbahnhof, Karlsplatz, Schwedenplatz, Praterstern, Stephansplatz und Spittelau) in Wien auftreten. Glaubt man Öffi-Stadträtin Ulli Sima, wurden im vergangenen Jahr 6000 Auftritte absolviert. Mit dem Projekt möchten die Wiener Linien – ganz  nach dem Vorbild anderer Großstädte wie London oder New York – zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Einerseits bietet man der lokalen Musikszene eine Bühne, andererseits soll so das Wohlbefinden der Öffi-Nutzer gesteigert werden. Was anscheinend überaus gut funktioniert – für beide Seiten.
„Es ist eine großartige Möglichkeit, hier spielen zu dürfen und sich ein gewisses Publikum aufzubauen“, meint Honigschnabl. Der Hobbymusiker tritt viermal im Monat auf und verdient sich   so sein Taschengeld.

Straßenmusik: Der Gehsteig ist die Bühne

Johannes Honigschnabl ist einer der 40 „U-Bahn-Stars“.

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