Zum Radfahren in Wien hat jede/r in dieser Stadt eine Meinung. Oft hängt diese von der jeweiligen Perspektive (Autofahrer, Radfahrer, Fußgänger) ab.
Das Wertvolle an diesen hier dargebotenen Erfahrungsberichten ist: Die sechs Autoren dieses Artikels sind keine militanten Radfahrer. Und sie sind bei aller Kritik an der bestehenden Infrastruktur nicht geblendet, um nicht auch die Verbesserungen in der Stadt wahrzunehmen.
Minus: Kennedybrücke
Der Radweg über die Kennedybrücke, die Penzing mit Hietzing verbindet, ist nicht gerade benutzerfreundlich: Radfahrer müssen hier an den Ausgängen der Aufzüge zur U4 vorbeifahren.
Diese Lifte werden besonders häufig von Eltern mit Kinderwägen genutzt – der Zoo Schönbrunn ist schließlich gleich in der Nähe. Wie so oft in Wien werden auch hier die zwei schwächsten Verkehrsteilnehmer gegeneinander ausgespielt.
Plus: Goldschlagstraße
Auf der Goldschlagstraße im 14. und 15. Bezirk lässt es sich entspannt in beide Richtungen radeln. Autofahrer können die Straße nicht durchgängig befahren. Das bringt Ruhe. Zu keiner Zeit fühlt man sich als Radfahrerin unsicher (in Wien keine Selbstverständlichkeit). Schön, wenn auch kurz, ist auch die neue Fahrradstraße auf der Cumberlandstraße. Will man jedoch von hier auf die Goldschlagstraße, wartet ein Hindernis namens Linzer Straße.
Die Wallensteinstraße, die vom Donaukanal zum Nordwestbahnhof führt, ist eine Brigittenauer Dauerproblemstelle. Schienen, keine Radspur, rücksichtslose, stark motorisierte Autofahrer sowie mehrere Stellen, die zum „Dooring“ einladen, lassen den Puls hochschnellen. Radler Heinz hat genug: „Seit Jahren nur Blabla über eine Umgestaltung. Geschehen ist nichts.“ Gemeint ist eine Bürgerbefragung aus dem April 2024, deren finale Auswertung ein Jahr dauerte. Mehr als 500 Menschen wünschten sich mehr Sicherheit am Rad. Bisher vergeblich.
Plus: Lücke geschlossen
Im Jänner berichtete der KURIER vom lückenhaften Lückenschluss am neuen Radweg in der Währinger Straße, wenn man zum Gürtel will. Bezirksvorsteherin Silvia Nossek (Grüne) stieg aufs Rad und trat den Gegenbeweis an: Wer beim Aumannplatz in die Klostergasse einbiegt und über die Radstraße Schulgasse fährt, findet tatsächlich eine durchgehende Radverbindung.
1.328 Minus-Punkte haben Wiens Radfahrer bisher in eine spezielle Wien-Karte eingetragen. Die kann man auf der Homepage des Verkehrsclubs Österreich ansehen. Mag vielleicht nicht jeder einzelne Punkt berechtigt sein. Viele sind es, wie etwa die Hinweise auf Gefahrenzonen in der Brünner Straße beweisen. Kritik gebührt aber auch den rücksichtslosen Radlern: Sie gefährden nicht nur sich selbst, sondern auch andere Radfahrer und Fußgänger.
Plus: Argentinierstraße
Das Prunkstück der neu gebauten Radwege: vom Karlsplatz bis zum Hauptbahnhof ein Rad-Highway wie man ihn in Kopenhagen auch nicht besser gebaut hätte. Dass irre Radler dort – frei nach Armin Assinger – wie die Komantschen die Wieden runterpfeifen, darüber sollte man noch reden. Nach jahrelangem Polit-Hickhack ist endlich auch die Praterstraße im Zeitalter des Klimaschutzes angekommen. Und das durchaus respektabel.
Oft sind es die kleinen Dinge, die nerven: Dass am Donaukanal wochenlang Scherben rumliegen und sich niemand zuständig fühlt, obwohl sich bald wer einen Platten fahren wird; dass man Radler in Neuwaldegg mitten auf die Fahrbahn zwischen die Gleise schickt; dass bei der alten WU die Rad-Ampel rot, jene für Fußgänger grün zeigt. Es ist aber ebenso nervig, wenn im Winter am Ring der Radweg geräumt, der Gehweg aber schneebedeckt ist. Nicht nur, weil dann alle den Radweg nehmen, sondern, weil wir ja auch alle Fußgänger sind.
Plus: Brücke barrierefrei
Optisch ein Graus, praktisch ein Gewinn: Die barrierefreie Auffahrtsrampe vom Donaukanal auf die Heiligenstädter Brücke (und vice versa) hat wahrscheinlich Unsummen gekostet – obwohl beim Design gegeizt wurde –, aber sie erspart uns jetzt das lästige Stiegensteigen mit dem Bike. Wann kommen die anderen Brücken dran?
Pendler kennen die neuralgischen Punkte: Im Bereich Westbahnhof ist es an den Kreuzungen zu Stoßzeiten so eng, dass man kaum weiß, wohin mit dem Rad. Dazu kommt die permanente Gefahr, von links abbiegenden Autos abgeschossen zu werden oder von einem der viel zu schnell entgegenkommenden Rad-Kollegen. Spaß machen dem passionierten Rennradfahrer immerhin die paar Bergaufpassagen, etwa beim AKH. Doch Dreck und Lärm sind kaum auszublenden, am Feinstaub-Radlweg.
Plus: Exelberg
Eine der schöneren Strecken für Rennradfahrer (wenig Autos, nur ein kurzes Stück mit Straßenbahnschienen und wertvolle Höhenmeter): die Alszeile in Hernals stadtauswärts bis zum Sportzentrum Marswiese, dort rechts den Exelberg hinauf. Die schöne, frisch asphaltierte Serpentinenstraße bietet herrliche Ausblicke und kommt ein wenig wie das kleine Stilfser Joch von Wien daher.
Michael Bachner
Minus: Laurenzerberg
Abgesehen von den Touristen, die sich stets staunend, aber nicht schauend durch die City schieben, abgesehen von Kopfsteinpflastern, Asphaltspalten, abrupt bremsenden Taxis: Die engen Straßen in der City sind nicht auf ein Fortkommen mit dem Rad ausgelegt. Ganz schlimm: der Laurenzerberg. Wer hier zum Radweg entlang des Donaukanals will, hat nur schlechte Optionen: entweder absteigen und schieben, eine Umleitung zur anderen Uferseite (Vorschlag von Google Maps) oder kamikazemäßig den Kai kreuzen.
Plus: Parkring
Es gibt aber auch Parade-Abschnitte, auf denen der Weg schlicht schön und sicher ist: z. B. am Parkring (Stadtpark-Seite). Ein eigener baulich getrennter breiter Radweg unter einer begrünten Allee, 550 Meter ununterbrochen, von der Johannesgasse bis zum Stubentor. Ein realer Stadt-Rad-Traum, an dem sich der restliche Ring ein Beispiel nehmen sollte.
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