Gewalt an Frauen mit Migrationshintergrund: Wie vielfältig sie ist

Die Leiterin des Frauenzentrums vor einer gelben Werbewand
Im Frauenzentrum des Integrationsfonds lernen Migrantinnen ihre Rechte kennen. Dazu gehört auch, sich gegen die Angriffe ihrer Männer zu wehren, erklärt die Leiterin.
Von Uwe Mauch

Der einen hat ihr Mann alle Ausweise und auch die ihrer Kinder weggenommen. Der anderen hat der Mann nur einen Euro „Taschengeld für den Kaffeeautomaten beim Deutschkurs“ gewährt. Der dritten hat ihr Mann erklärt, dass er ihre Töchter zu einer Zwangsheirat bringen wird.

Häusliche Gewalt gegen Frauen mit migrantischem Hintergrund ist vielfältig“, weiß Sonia Koul. Sie leitet seit bald vier Jahren das Frauenzentrum im Gebäude des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) in der Landstraßer Hauptstraße.

Seit März 2022 wurden dort gut 12.000 Frauen beraten und oft auch bestärkt, ihre Rechte wahrzunehmen.

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Geschützter Rahmen: Wartebereich im Frauenzentrum des Integrationsfonds.

„Alle sind mehrsprachig“

„Viele Frauen, die sich an uns wenden, kennen ihre Rechte nicht“, sagt Sonia Koul, die in Salzburg für den ÖIF unter anderem auch als Beraterin gearbeitet hat, ehe sie in Wien diese Leitungsfunktion übernommen hat. Oft liege das auch daran, dass ihnen ihre Väter verboten hatten, zur Schule zu gehen. Heute tun sie sich schwer, Deutsch zu lernen.

Koul vergisst nicht, auf die professionelle Arbeit der elf Beraterinnen im Frauenzentrum hinzuweisen: „Alle sind mehrsprachig.“ Was den großen Vorteil hat, dass sie leichter ein vertrauliches Gespräch führen können.

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Klassische Beratungssitution: Die Beraterin spricht die Sprache ihres Gegenübers.

Die Mitarbeiter des ÖIF sind in allen Bundesländern tätig. Sie erfüllen dort einen gesetzlichen Auftrag. Der basiert auf dem 2017 beschlossenen Integrationsgesetz. Das Gesetz verlangt unter anderem, dass alle Menschen ab dem vollendeten 15. Lebensjahr, denen Österreich Asyl gewährt hat, verpflichtend einen Werte- und Orientierungskurs sowie einen Deutschkurs besuchen müssen.

Im Frauenzentrum kann man speziell auf die Sorgen der Frauen eingehen. Der Aspekt häusliche Gewalt hat zuletzt stark zugenommen – und ist inzwischen in jedem dritten Beratungsgespräch ein Thema, sagt Sonia Koul.

Öfters hören ihre Kolleginnen auch Sätze wie diese: „Ich möchte mich scheiden lassen, aber ich weiß, dass dann die ganze Familie gegen mich sein wird.“ Oder: „Mein Mann hat angedroht, unsere gemeinsame Tochter zu einer Genitalverstümmelung zu bringen.“ Oder: „Er erlaubt mir kein Handy.“

In ihren Familien werden den Hilfe suchenden Frauen regelmäßig auch falsche Darstellungen aufgetischt. Zum Beispiel über Frauenhäuser: „Die werden oft als Gefängnisse dargestellt“, zitiert Leiterin Koul eines der Vorurteile. Um dann hinzuzufügen: „Mich berührt jede einzelne Geschichte, auch weil sich damit bestätigt, wie wichtig unsere Hilfsangebote für die Frauen sind.“

Dankbar zeigt sich die ÖIF-Mitarbeiterin auch über die gute Zusammenarbeit mit den Servicestellen der Stadt Wien sowie anderen Hilfsorganisationen.

Dazu gehört auch eine Kooperation mit der Ärztekammer, die auf Plakaten in den Ordinationen von Frauen- und Kinderärzten auf alle Hilfsangebote aufmerksam macht.

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Anonym und kostenlos

Im Frauenzentrum im 3. Bezirk hilft man aber nicht nur bei Gefahr in Verzug, sondern auch bei der Jobsuche oder bei der Suche nach einer geeigneten Schule oder einem Kindergarten für die Kinder.

Dabei werden die Frauen auch darauf hingewiesen, dass sie ihren Kindern gegenüber verpflichtet sind, für sie Vorbilder zu sein.

Alle Beratungen, betont Sonia Koul, sind vertraulich, anonym und kostenlos. Mehr Infos hier.

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