In Wien ist es zu laut? Dann ziehen Sie doch aufs Land!

Nur in Wien: Christoph Schwarz und Julia Schrenk kommentieren regelmäßig Amüsantes, Skurriles und manchmal auch Nachdenkliches aus dem Alltag der Stadt.
Der aktuelle Wien-Blog: Was "besorgte Bürger" und "besorgte Anrainer" vereint.

Wird es im Sommer warm, länger hell und lebendig in der Stadt, haben sie Hochsaison. Kaum eine Freiluft-Veranstaltung, ein Pop-up-Lokal oder ein Schanigarten ist vor ihnen sicher. Von der privaten Balkonparty ganz zu schweigen.

Die Rede ist von besorgten Anrainern.

Für das Zusammenleben in der Großstadt sind sie das, was der "besorgte Bürger" für das politische Klima eines Landes ist: Gift.

Ihr jüngstes Opfer ist die neue Rooftop-Bar - das ist der zeitgemäße Name für ein Dachlokal - in der Herrengasse. Nach wenigen Wochen muss das Lokal, das bis Ende August hier betrieben werden sollte, nun sofort schließen.

Anrainer hatten sich über den Lärm bis Mitternacht beschwert und schickten dem Betreiber allerlei Behörden vorbei. Eine offenbar fehlende Betriebsanlagengenehmigung dürfte ihm so zum Verhängnis geworden sein.

Der Anrainerprotest hat in Wien Tradition. Kaum eine städtebauliche Neuerung oder ein Verkehrskonzept kommen ohne ihn aus. Auch die Wirte fürchten sich - in Zeiten des Nichtraucherschutzes - bereits vor Anzeigen, sobald Gäste zu später Stunde vor der Türe rauchen.

Manche Anliegen sind zweifelsohne berechtigt. Zumeist ist der Anrainerprotest aber nur ein Euphemismus für eine Grüppchen von Querulanten, die sich all zu gerne in Dinge einmischen, die sie eigentlich nichts angehen. Mit echtem Engagement für das Gemeinwohl haben diese Proteste meist wenig zu tun; eher mit Eigeninteressen. Für populistisch agierende Parteien sind die Nörgler hingegen ein schönes Wählerreservoir.

Wien als Partymetropole

Warum aber, fragt man sich ganz losgelöst vom aktuellen Einzelfall, leben diese Menschen eigentlich in einer Großstadt, wenn ihnen urbane Geschäftigkeit und Lebensfreude so zuwider sind? Die Innenstadt ist schließlich keine Seniorenresidenz.

Alternativen gibt es genug. So manch kleine Gemeinde würde sich in Zeiten der Landflucht über den Zuzug friedliebender Bürger freuen.

In der Stadt wird übrigens gerade an einer eigenen, unbürokratischen Anlaufstelle für die sogenannte Nachtwirtschaft gearbeitet, um die Studentenstadt Wien zur echten "Partymetropole" zu machen. Das wäre nicht nur gut für die Wirtschaft, sondern auch fürs Lebensgefühl.

Die besorgten Anrainer haben damit auch künftig alle Hände voll zu tun.

Ab sofort kommentieren Christoph Schwarz und Julia Schrenk an dieser Stelle regelmäßig Amüstantes, Skurriles und manchmal auch Nachdenkliches, das (wahrscheinlich) nur in dieser Stadt passiert.

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