Der Kampf um das Musikhaus Doblinger: Sorge um eine Institution
Das Musikhaus Doblinger in Wien.
"Wer Musik und Noten sagt, meint Doblinger." Das sagt der Herr mittleren Alters mit seiner tiefen, sonorigen Stimme und dem Brustton voller Überzeugung in der Dorotheergasse in der Inneren Stadt
Diese ausgebildete Stimme lässt keinen Zweifel daran: Der Mann ist vom Fach. Tatsächlich, ein Musiker auf dem Weg zum Gesangsunterricht. Dieser Weg führt immer am Musikhaus Doblinger vorbei.
Er ist seit Jahren, nein, sei Jahrzehnten gibt er zu, Musiker. Ebenso lange ist er Kunde in dem Musikhaus. "Das muss man fotografieren, so lange es noch geht", bekräftigt er, und dabei klingt ein trauriges Moll in seiner tiefen Stimme.
Fassungsloser Musiker
Dass diese Institution bald nicht mehr sein wird, kann er kaum fassen, will er nicht fassen. Denn dem Haus droht mit Ende des Jahres das Aus. Aber noch ist es nicht so weit.
Die Tritsch-Tratsch-Polka und andere Werke von Johann Strauss.
Das altehrwürdige Unternehmen mit seiner über 200 Jahre langen Geschichte erhält jede nur erdenkliche Unterstützung in den sozialen Medien. Aber was ist eigentlich der Grund, dass dem berühmten Haus das Aus droht?
Verlag kündigte Mietvertrag
Eigentlich ist das Musikhaus mehr oder weniger Passagier. Denn das Musikhaus war im Keller und Erdgeschoß des Hauses zuletzt Untermieter eines ursprünglich mit dem Musikhaus zusammengehörenden Musikverlages, der noch im 1. Stock angesiedelt war. Dieser Verlag hat allerdings seinerseits das Mietverhältnis mit dem Eigentümer des Hauses - über alle drei Ebenen - gekündigt.
Strauss, ein Musikrätsel, dahinter Anton Bruckner in der Auslage des Musikhauses Doblinger.
Damit scheint auch das Aus des Musikalienhandels besiegelt. Das soll nun aber noch verhindert werden. In sozialen Medien gibt es Unterstützungsbekundungen, auch eine Petition wurde gestartet. Diese hat bereits mehr als 10.000 Unterschriften in kurzer Zeit erhalten.
Haus der bedeutenden Musiker Österreichs
Warum das Haus so wichtig ist, macht Geiger Johannes Fleischmann in einem emotionalen Video auf Instagram klar: "Mahler hat hier eingekauft, Schönberg hat hier publiziert, jeder bedeutende Musiker Österreichs der vergangenen 200 Jahre ist durch dieses Geschäft gegangen."
Das Doblinger sei aber nicht nur ein Geschäft, es ist ein "Archiv, der lebende Herzschlag klassischer Musik in Wien", damit würde die Musik in Wien einen Teil ihrer Seele verlieren. Nicht nur, weil Fleischmann selbst mit 12 Jahren sein erstes Geigenheft hier gekauft hat.
Betroffenheit im Musikhaus
Im Musikhaus selbst ist Michael Fischer gerührt und betroffen. Gerührt von den breitenwirksamen Initiativen der Stammkunden. Betroffen von der Situation. Er ist seit 1992 im Musikhaus Doblinger und singt im Chor des Musikvereins.
Michael Fischer arbeitet seit 1992 im Musikhaus Doblinger.
"Bis 2034 ist der Mietvertrag ursprünglich gelaufen", schildert Fischer. Dass dieser jetzt für das Musikhaus nach der Kündigung durch den Verlag nicht mehr gelten soll, will er nicht einfach hinnehmen. Das stehe auch nicht im Einklang mit den Aussagen der Eigentümer, die immer betont hätten, das Musikhaus sei besonders wichtig für das denkmalgeschützte Haus.
Betreiber geht vor Gericht
Dass im Sommer die Nachricht gekommen sei, man müsse ausziehen, habe ihn überrascht. "Wir haben 450.000 Titel im Geschäft lagernd", erläutert Fischer, diese können man nicht einfach übersiedeln. "Wir sind auf einem guten und richtigen Weg", sieht der das Traditionsunternehmen wirtschaftlich gut aufgestellt, "wenn es jetzt wegen des Mietvertrags nicht mehr weiter geht, wäre das sehr traurig."
Deshalb wird jetzt auch an einer anderen Front gekämpft. Vor Gericht. Denn das Musikhaus Doblinger hat eine Feststellungsklage beim Bezirksgericht eingebracht.
Das Musikhaus Doblinger bei Nacht.
Damit will man klären, ob das Musikhaus selbst nicht doch einen aufrechten Mietvertrag hat, eine erste Verhandlung hat bereits stattgefunden, diese wurde vertagt.
Vorerst ist er überzeugt, dass das Musikhaus auch im Jänner noch in der Dorotheergasse offen haben wird. Und er hofft immer noch auf eine Lösung mit den Eigentümern: "Wir wollen nicht nur warten, sondern wollen versuchen, mit den Hauseigentümern noch eine Einigung zu erzielen."
"Überraschende Kündigung"
Was für die Privatstiftung, die den betreffenden Teil des Hauses 2009 vom Hauptmieter gekauft hatte, schwierig scheint. Der Anwalt der Stiftung räumt die Bedeutung der Tradition des Musikhauses Doblinger ein, gibt aber zu bedenken: "Die Doblinger GmbH in der jetzigen Form, die Untermieterin des Hauptmieters war, ist eine erst seit 2021 bestehende neu gegründete Gesellschaft."
Hauptmieter war der frühere Eigentümer des Musikhauses und des Verlags. Dieser habe "für die Stiftung völlig überraschend", wie der Anwalt versichert, "Ende 2024 den mit 2028 befristeten Hauptmietvertrag gerichtlich aufgekündigt".
Ebenso hat der Verlag den Untermietvertrag mit dem Musikhaus gekündigt, das gerichtlich dagegen vorgegangen sei. Ohne Erfolg, beide Kündigungen sind längst rechtswirksam.
Mehrmals sei man in Verhandlungen über einen eigenen Hauptmietvertrag für das Geschäftslokal mit den Vertretern des Musikhauses Doblinger gestanden, vor und nach der Aufkündigung des Mietvertrags durch den Verlag.
Keine Einigung über Miete
"Ein Angebot für einen Hauptmietvertrag unter Zustimmung des Verlags hat der Vertreter des Musikhauses Doblinger im Jahr 2020 abgelehnt, weil es ihm zu teuer war", erläutert der Anwalt.
Und seit Beginn dieses Jahres habe es mehrere Runden gegeben, um - auf Wunsch des Musikhauses - einen Mietvertrag abzuschließen, was nicht gelang. "Wenn zwei Partner verhandeln und es zu keiner Einigung kommt, gibt es keine Lösung," sagt der Anwalt.
"Aus historischen Gründen bewegte sich die vom Verlag bezahlte Miete weit unter dem marktüblichen Mietzins, man könnte fast von einem 'Friedenszins' reden, auch wenn es keiner war", sagt der Anwalt. "Die Vermieterin ist auch nur bereit, das gesamte Objekt, und nicht nur die vom Musikhaus Doblinger gewünschte Fläche zu vermieten", fügt der Anwalt hinzu. Das sei vom Musikhaus Doblinger "aus wirtschaftlichen Gründen nicht weiterverfolgt" worden.
"Vergiftete Atmosphäre"
Warum es jetzt so schwierig ist, in neue Verhandlungen zu treten? "Nach dem Ende der Verhandlungen im Juni haben wüste Beschimpfungen seitens des Vertreters des Musikhauses die Atmosphäre für außergerichtliche Gespräche vergiftet", sagt der Anwalt.
Auch die Petition und manche Äußerungen in den sozialen Medien würden aktuell "nicht zu einer komfortablen Gesprächssituation beitragen", ergänzt er.
Das Musikhaus Doblinger geht davon aus, auch im Jänner am Standort aufzusperren. Was bedeuten würde, dass der frühere Hauptmieter ein Nutzungsentgelt zahlen müsste. Dem Musikhaus könnte dann eine Klage wegen "titelloser Nutzung" drohen.
Die Fronten scheinen verhärtet, wenn es zu keiner Einigung kommt - wonach es aktuell aussieht - ist das Gericht am Zug. Ob der Richter dort die Abschiedssinfonie von Haydn für das Doblinger dirigiert oder doch die Partitur der Sinfonie mit dem Paukenschlag zur Hand nimmt? Das bleibt ungewiss.
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