Malstunde für den Richter bei Prozess um Sachbeschädigung

Die 49-jährige Angeklagte hat eine voll gefüllte Stofftasche in den Gerichtssaal gebracht. Noch bevor sie auf der Anklagebank Platz nimmt, packt sie das Sackerl aus. Zum Erstaunen der Anwesenden kommt ein massiver Stein zum Vorschein. "Damit sind Sie durch die Sicherheitskontrolle gekommen?, fragt Richter Philipp Schnabel besorgt.
Doch dieser Stein spielt eine wichtige Rolle. Er soll die Unschuld der 49-Jährigen beweisen. Denn die Frau - sie ist ohne Anwalt zu ihrem Prozess ins Landesgericht für Strafsachen gekommen - ist wegen schwerer Sachbeschädigung angeklagt. Sie hat im vergangenen Juni im Zuge der Pride-Parade das Burgtor in der Wiener Innenstadt beschmiert.
Die Angeklagte hat noch weitere Utensilien dabei. Zum einen Kreidefarbe - die habe sie auch damals verwendet, wie sie erklärt. Und dann noch einen Becher mit Wasser. Um zu demonstrieren, wie leicht man die Farbe wieder wegwaschen könne. "Ich hätte das ja gerne selbst entfernt mit einem bisschen warmen Wasser und einem Schwamm", erklärt sie und bringt Stein, Farbe und Wasser zum Richter.
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Der Richter lässt sich tatsächlich auf das Experiment ein. Doch die Farbe verschmiert nur. "Man muss es tupfen!", mahnt die Angeklagte.
Strahlen, nicht Schmieren
Doch auch die professionellen Reiniger entschieden sich nicht fürs Tupfen des Burgtores. "Bei Kalkstein-Fassaden verwenden wir Sandstrahl", erklärt eine Vertreterin der Burghauptmannschaft, die die Schmierereien auch als erste entdeckt hatte. Insgesamt 505,43 Euro kostete es, die Farbe fachmännisch vom Denkmal zu bekommen.
"Erkennen Sie den Schaden an?", fragt der Richter die 49-jährige Frau. Die ist etwas verwirrt: "Jetzt gleich?"
Wenig später lenkt sie ein. Der Richter verurteilt sie wegen schwerer Sachbeschädigung zu 180 Tagsätzen je 4 Euro (in Summe 720 Euro). Zudem muss sie den Schaden begleichen.
"Darf ich mir das noch überlegen?", ist sich die Angeklagte unsicher.
Darf sie. Drei Tage lang hat sie dafür Zeit. Urteil nicht rechtskräftig.
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