Massiver Lehrer-Mangel vor Schulstart in Wien: "Dann ist das eine Katastrophe"

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In Wien wurde ein weiteres Bewerbungsfenster eröffnet. Gewerkschafter Thomas Krebs blickt dem neuen Schuljahr mit gemischten Gefühlen entgegen. Dem KURIER erklärt er, warum.

Die Sommerferien neigen sich dem Ende zu, und in 19 Tagen kehren Wiens Schülerinnen und Schüler zurück in die Klassenzimmer.

Trotz des neuen Schuljahrs bleiben die Probleme altbekannt: Aktuell sind bei Weitem nicht alle Klassen und Schulen mit Lehrpersonal versorgt, wie unter anderem Harald Zierfuß, Klubobmann und Bildungssprecher der Wiener Volkspartei, beklagt.

Zusätzlicher Bewerbungszeitraum

Daher wurde in der Bundeshauptstadt im Sommer ein zusätzlicher Bewerbungszeitraum für offene Stellen eingerichtet. Im Augustbewerbungsfenster können sich Lehrkräfte für rund 240 Stellen im Pflichtschulbereich (APS) bewerben, heißt es laut Auskunft der Bildungsdirektion Wien

„In den anderen acht Bundesländern ist das nicht der Fall. Dass es in Wien einen weiteren Bewerbungszeitraum abseits der Hauptphase im Frühjahr gibt, deutet auf ein Manko hin“, sagt Thomas Krebs, FCG-Vertreter der Wiener Lehrergewerkschaft.

Weniger Volksschulstellen

Die Bildungsdirektion hält dagegen: Insgesamt sei der offene Bedarf im Pflichtschulbereich rückläufig, heißt es dort. Begründet wird das etwa damit, dass junge Kolleginnen und Kollegen langfristig in das System geholt werden konnten. Man arbeite mit Hochdruck daran, für jede Klasse die beste Besetzung zu finden. „Jede Schülerin und jeder Schüler in Wien wird ab dem ersten Schultag unterrichtet“, versichert die Bildungsdirektion. 

„Ich sehe dem Schulstart mit gemischten Gefühlen entgegen“, sagt Krebs dazu. Der Schulanfang sei eine punktuelle Erfassung. Man dürfe nicht außer Acht lassen, dass es während des Semesters sowohl Personaländerungen als auch starken Schülerzuzug in die Stadt gebe. Rein rechnerisch würden die derzeit 240 offenen Stellen in etwa zehn Wiener Schulen ohne Lehrkräften gleichkommen. „Wenn nur eine einzige Klasse keine Lehrerin hat, ist das eine Katastrophe“, so Krebs.

Die Situation an Volksschulen sehe er zudem nach wie vor als großes Problem an. „Dort gibt es immer weniger Klassenlehrer.“ Das liege unter anderem daran, dass vermehrt Studierende unterrichten. „Klassenlehrerin zu sein und gleichzeitig ein Vollzeitstudium zu absolvieren, geht sich verständlicherweise nicht aus“, sagt Krebs.

Dunkelziffer hoch

Ein „Kassasturz“, wie Krebs es nennt, habe gezeigt, dass es außerdem rund 70 Kündigungen allein in den ersten drei Juliwochen gegeben habe. Pragmatisierte Pensionierungen, die eine Mehrheit ausmachen, und befristete Verträge, die nicht verlängert wurden, seien dabei nicht inkludiert. Die Dunkelziffer an gelösten Dienstverhältnissen liege demnach weitaus höher, ist der Gewerkschafter überzeugt.

Von Personallücken sind derzeit vor allem naturwissenschaftliche Fächer, Bewegung und Sport bei Mädchen sowie die Deutschförderung betroffen. Auch in der Sonderpädagogik ist kein Aufatmen in Sicht: „Momentan sind es meist Personen, die aus verwandten Berufsfeldern kommen, die diese Stellen übernehmen können.“

Seit zehn Jahren gibt es in Österreich keine eigene Ausbildung für Sonderschullehramt mehr. „Deshalb ist es auch schwieriger, Personal zu finden“, sagt Krebs. Derzeit sind laut Bildungsdirektion 48 Stellen in dem Bereich in Wien ausgeschrieben. Stattdessen können angehende Lehrkräfte derzeit einen Schwerpunkt bzw. eine Spezialisierung in Inklusion wählen. Eine Rückkehr zu einer separaten Sonderschullehrerausbildung ist laut Bundesregierung nun geplant.

Eine nachhaltige Lösung wünscht sich Krebs bei Schulärzten, Schulsozialarbeitern sowie psychologischem Personal. Administrative Posten müssten ausgebaut werden, damit Lehrkräfte nicht mit zusätzlichen Aufgaben überhäuft werden: „Kein Betrieb in Wien würde nur eine Halbkraft im Sekretariat beschäftigen. Wieso soll das für Schulen dann ausreichen.“

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