Auf der Suche nach den überfälligen Wiener Verkehrsdaten

Bild der Südosttangente mit der Stadt Wien im Hintergrund
Mit der Kordonerhebung ist eine zentrale Planungsgrundlage für die Wiener Mobilitätsplanung überfällig.

Die Mobilitätsplanung einer Millionenmetropole ist eine komplexe Aufgabe – und ohne brauchbare Datenbasis ein Ratespiel. Diese liefern unter anderem sogenannte Kordonerhebungen, die alle Verkehrsströme in und aus einem abgegrenzten Gebiet messen.

So auch in Wien, doch hier ist diese Datenbasis mittlerweile ziemlich veraltet, wie auch der Rechnungshof bereits 2017 monierte. Die letzte Kordonerhebung wurde zwischen 2008 und 2010 durchgeführt, darum beauftragte der Verkehrsverbund Ost-Region (VOR) eine Neuauflage, die von 2020 bis 2022 umgesetzt wurde.

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Doch wo ist sie?

Angekündigt war der Endbericht für Mai 2022, seit Monaten kursiert ein mit Juli 2022 datierter, knapp 200-seitiger Ergebnisbericht, der auch dem KURIER vorliegt. Warum er bislang nicht veröffentlicht wurde, hat, je nachdem, wen man fragt, unterschiedliche Gründe.

Gefragt hat etwa die grüne Mobilitätssprecherin Heidi Sequenz, und zwar Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ). Deren Antwort im September: „Die Bearbeitungen zum Thema der Stadtgrenzen-überschreitenden Verkehrserhebung sind noch nicht abgeschlossen.“

Eisenstadt weiß mehr

Gefragt hat auch der KURIER, und zwar den burgenländischen Verkehrslandesrat Heinrich Dorner (SPÖ). Der hatte nämlich bereits im Juni ausführlich aus besagtem Bericht zitiert. 

Nun heißt es aus seinem Büro, der Bericht wurde nicht veröffentlicht, da der Zeitraum der Erhebungen „noch von den Auswirkungen von Covid betroffen war“, weswegen zusätzliche Untersuchungen erforderlich waren. Warum Dorner diese Einschränkung in seiner Anfragebeantwortung nicht thematisierte, bleibt offen.

Wann diese zusätzlichen Untersuchungen durchgeführt werden bzw. wurden? 

Man sei hier „nicht federführend“, so die Antwort aus Eisenstadt, darum möge man sich an den VOR wenden – doch auch dessen Sprecher ist das „nicht bekannt“. Bestätigt wird lediglich, die Erhebung während der Pandemie habe „keine repräsentativen Ergebnisse“ gebracht, „weshalb die Studien-Auftraggeber auf eine Veröffentlichung verzichten, um keine irreführenden Daten zu verbreiten“.

Grüne vermuten bewusste Verzögerung

Für Verkehrswissenschaftler Ulrich Leth von der TU Wien ist dies keine glaubwürdige Argumentation. Auch die Wiener Linien hätten ihren Modal Split weiterhin veröffentlicht, obwohl der Öffi-Anteil während Corona deutlich gesunken war – und immerhin wurde die Studie mit Steuergeld erstellt. „Dass man diese Daten vorsichtig interpretieren muss, ist ja wohl allen klar“, sagt Leth.

Grün-Politikerin Sequenz hat ihre eigene These, warum die Studie – wie viele andere in Wien – schubladisiert wird: Sie vermutet eine „bewusste Hinauszögerung“, weil die Zahlen mehrere von der SPÖ verfolgte Straßenprojekte – wie die Lobauautobahn – „nicht hergeben“ würden. 

Tatsächlich hatte die Kordonerhebung von 2010 ergeben, dass der donauquerende Transit, von dem die Stadt durch das Projekt entlastet werden soll, mit vier Prozent „nur einen kleinen Teil jenes Verkehrs ausmacht, der täglich unsere Stadtgrenze passiert“. Dass genau diese Auswertung im 2020er-Bericht fehlt, ist wiederum auch Leth „zumindest aufgefallen“.

Weitere Studie ist unauffindbar

Weitere Fragen wirft eine von der TU Graz per 1. August als abgeschlossen geführte „Kordon-Light“-Studie im Auftrag der Stadt Wien auf. 

Handelt es sich dabei um die angesprochene, zusätzliche Untersuchung? Und wo ist diese nun wieder?

Antwort auch hier: Fehlanzeige. Der Bericht sei seines Wissens noch nicht fertig, sagt ein Sima-Sprecher. Möglich sei, dass die Ergebnisse mehrerer Auftragnehmer erst zusammengeführt werden müssen.

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