Karrierewechsel: Vom Bauplan zum Bilderbuch

Arbeitsplatz Kindergarten: 645 elementarpädagogische Posten sind in den städtischen Einrichtungen derzeit nicht besetzt.
Bildungseinrichtungen fehlen die Fachkräfte – das ist gewiss nichts Neues. Bis 2030 besteht österreichweit ein zusätzlicher Bedarf von rund 6.300 Fachkräften in der Elementarpädagogik, allein in Wien werden 1.900 Personen benötigt.
Um dieses Problem zu bekämpfen, ist deshalb Kreativität gefragt. Über die Social-Media-Plattform Tiktok hat der Wiener Arbeitnehmer*innen Förderungsfonds (waff) Anfang des Jahres den Versuch unternommen, potenzielle Elementarpädagogen und Elementarpädagoginnen für den Beruf zu begeistern. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen: Mit der Social-Media-Soap „Alle lieben Ali“ konnten die Bewerbungen um 71 Prozent gesteigert werden.
Nie zu spät für Umstieg
Einer, der bereits mit gutem Beispiel vorangeht, ist Richard Egger. Er ist ausgebildeter Architekt und hat jahrelang in diesem Beruf gearbeitet. Vor sieben Jahren fasste der heute 47-Jährige den Entschluss, etwas Neues zu wagen. „Ich war nach meinem Diplom unsicher, ob die Architektur so richtig meins ist“, sagt Egger zum KURIER. Über einen Freund landete er dann doch in einem Architekturbüro – und blieb der Branche ein Jahrzehnt lang treu. „In einer meiner letzten Baubesprechungen habe ich den Kollegen gesagt, dass ich aufhöre. Als ich dann gesagt habe, dass ich Kindergärtner werde, hat das zuerst keiner geglaubt, sondern für einen Spaß gehalten“, sagt Egger.

Architekt Richard Egger absolvierte ein berufsbegleitendes Studium zum Elementarpädagogen.
Wesentlich zu seiner Entscheidung beigetragen habe seine Tochter, die damals im Kindergarten begonnen hatte. „Ich war mit ihr in der Eingewöhnung und habe dort vorgelesen.“ Es sei schön gewesen, die Begeisterung der Kinder in der Bildungseinrichtung zu erleben: „Das hat mich auf die Idee gebracht, mit Kindern zu arbeiten.“
Zweiter Bildungsweg
Durch die beste Freundin seiner Frau sei er schließlich auf ein Angebot der Kiwi Kindergärten aufmerksam geworden. In einer Kooperation mit der Universität Koblenz wurde ein Fernstudium initiiert. „Ich hatte meinen ersten Arbeitstag im Kindergarten noch, bevor ich meinen ersten Studientag hatte“, sagt Egger. Die nächsten dreieinhalb Jahre studierte der 47-Jährige berufsbegleitend. „Die Zweifel waren natürlich anfangs da“, berichtet Egger über den Neuanfang. Glücklicherweise stellen sich alle Bedenken als unbegründet heraus.
Am Mittwoch, 28. Mai, findet von 15.30 bis 19.30 Uhr die Infomesse „Fit für die Zukunft: Jobchance Pädagogik“ in der Steffl Arena (22., Attemsgasse 1) statt. Dort werden Beratungen und Workshops angeboten und man kann sich mit Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern austauschen.
Als besonderes Zuckerl ist es möglich, dort professionelle Bewerbungsfotos (mit Visagisten) machen zu lassen. Kinderbetreuung vor Ort wird zur Verfügung gestellt. Die Teilnahme ist kostenlos und ohne Anmeldung möglich.
Die Infomesse findet im Rahmen des Future Fit Festivals statt, das noch bis 10. Juni über die Bühne geht. Dabei handelt es sich um Europas größtes Bildungsfestival mit 280 Veranstaltungen mit über 180 Partnern, Besucherinnen und Besucher könnten dabei Berufe und Fähigkeiten der Zukunft erleben und ausprobieren, heißt es beim Veranstalter. Bisher haben schon mehr als 14.000 Interessierte teilgenommen. Weitere Infos und Programm finden Sie hier.
Bei der Arbeit mit Kindern sei Klarheit gefordert „mit einem Schuss Chaos“, beschreibt Egger seinen Arbeitsalltag. Mitzubekommen, wie die Kinder sich im Laufe der Jahre entwickeln, sei sein persönliches Highlight. „Sie kommen manchmal schon im Alter von 13 Monaten zu uns und bleiben bis zum Schulanfang.“ Ihre Fortschritte mitzuerleben ist für Richard Egger beeindruckend: „Es ist schön, ein Teil davon zu sein.“
Man könne den Kindern in den Jahren, die sie im Kindergarten verbringen, viel mitgeben, ist er überzeugt. Ganz hinter sich gelassen hat Egger die Architektur dann aber doch nicht: Er unterrichtet an der Technischen Universität Wien und zeichnet unter anderem Pläne für Architekturbüros: „Das ist für mich jetzt die perfekte Mischung, so habe ich Technisches und die Arbeit mit Kindern.“
Mehr Männer gewünscht
„Ich fände es schön, wenn sich mehr Männer für den Beruf begeistern könnten.“ Gleichzeitig sei ihm aber bewusst, dass nicht jeder in der Lage ist, aus finanzieller Sicht einen beruflichen Neuanfang zu wagen. Umso mehr begrüße er Initiativen wie die Kiwi-Kooperation oder die Ausbildung des waff.
Das Programm von AMS Wien und waff „Jobs PLUS Ausbildung“ bietet für die Auszubildenden nämlich nicht nur eine kostenlose Ausbildung, sondern eine fixe Jobzusage und mindestens 1.500 Euro monatlich während der Ausbildung. Insgesamt sind seit 2022 671 Personen in die Elementarpädagogik-Ausbildung über den waff eingestiegen. Allein heuer wird mit 188 Neueinsteigerinnen und -Einsteiger geplant, so der waff.
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