Kamm man machen: Wiens letzter Kammmacher

Thomas Petz an der Schleifmaschine; dieser Vorgang fasziniert ihn am meisten. Im Vordergrund: die fertigen Produkte.
Thomas Petz fertigt als letzter Vertreter seiner Art in Wien Kämme, Schmuck und Accessoires aus Rinderhorn.

Es war dieser eine Moment.

Der Augenblick, als sein Großvater das geglättete und getrocknete Rinderhorn unter das Schleifgerät hielt. Und aufgrund der Berührung mit dem Schleifstein unter der verwitterten Oberfläche innerhalb von Sekunden das glatte und marmorierte Innenleben zum Vorschein kam. Jenes Material, aus dem die feinen Kämme hergestellt werden.

In dem Moment wusste Thomas Petz, dass er die Handwerkskunst seiner Großeltern fortführen wollte.

Kamm man machen: Wiens letzter Kammmacher

Er verwendet für die Produkte Hörner von afrikanischen Rindern.

Das war vor zwölf Jahren. Thomas Petz war 21 Jahre alt, hängte seinen Büro-Job in Tirol an den Nagel und füllte die alte Werkstatt seiner Großeltern in Wien-Rudolfsheim wieder mit Leben. Hier fertigt er noch heute mit denselben Maschinen (bis auf eine) wie vor vielen Jahrzehnten Kämme und Bürsten, Schuh- und Eierlöffel, Haarspangen oder Handtaschen.

Kamm man machen: Wiens letzter Kammmacher

Vom Opa gelernt

Die Hornmanufaktur hatte er schon als Kind gerne besucht. Er mochte den herben Geruch, der manchen zu intensiv sein kann, und war fasziniert von dem, was hier passierte. Auch wenn er damals noch nicht verstand.

Mit 21 Jahren weihte ihn sein Großvater, damals 80 Jahre alt, in die Geheimnisse des Kammmachers ein. Er war der Letzte, der es tun konnte. Denn dieses Handwerk ist in Wien nahezu ausgestorben. Während um 1900 noch Hunderte diesen Beruf ausübten, ist er mit Aufkommen von Plastik rasch verschwunden. Und so ist Thomas Petz heute auch der einzige Kammmacher in der Bundeshauptstadt.

Kamm man machen: Wiens letzter Kammmacher

Den Fokus seiner Großeltern auf Kämme wollte er eigentlich nicht beibehalten. „Ich dachte, wen interessieren die denn noch? Ich hatte vor, vor allem Schmuck und Wohnaccessoires zu machen, Ketten, Becher, Schuhlöffel“, sagt Thomas Petz, als er den KURIER durch die Werkstatt führt. Doch tatsächlich entpuppte sich exakt dieses Produkt als Verkaufsschlager: Die Kämme – Taschenkämme, Stielkämme, Etuikämme, Griffkämme, Lockenkämme oder auch Bartgriffkämme – machen an die 75 Prozent des Verkaufs aus.

Rund 2500 Stück davon produziert Thomas Petz im Jahr. Die Herstellung ist dabei durchaus aufwendig. UNgefähr 30 Arbeitsschritte sind notwendig.

Zunächst wird das Horn abgeschnitten, dann aufgeschnitten, anschließend im Ölbad erhitzt, um es verformbar zu machen, und mit einer Maschine, die seine Großeltern eigens anfertigen ließen, geglättet. Dann müssen die Platten drei Monate rasten, bevor sie – abhängig von ihrer Dicke und Wölbung – weiterverarbeitet werden: Zugeschnitten, gefräst, geschliffen, poliert.

Kamm man machen: Wiens letzter Kammmacher

Afrikanische Rinder

Verwendet werden Hörner von afrikanischen Rindern – sie verfügen, anders als die heimischen Rinderrassen, über jenes überdimensional große Horn, das sich gut zum Verarbeiten eignet.

Für die Gegenstände müsse übrigens kein Tier extra sterben, versichert Petz. Die Hörner sind ein Nebenprodukt der Fleischproduktion. Sie werden im Ganzen in den Betrieb geliefert, erst hier werden die Spitzen abgeschnitten. Schon aufgrund der Maserung ist jedes Produkt ein Unikat. „Aber es ist uns wichtig, dass sich nicht nur die oberen Zehntausend unsere Produkte leisten können“, sagt der Kammmacher.

Kamm man machen: Wiens letzter Kammmacher

Und so werden die dünnen Armreifen um 18 Euro angeboten, der feine Taschenkamm mit 1,2 Millimeter Zahnzwischenraum kommt auf 25 Euro. Aber die – doch etwas ausgefallener – Theaterclutch-Tasche kostet dann doch 750 Euro.

Ganz alleine ist Thomas Petz übrigens nicht mehr der letzte Kammmacher. Seine Freundin – und sehr bald: Frau – Daniela hilft seit einigen Jahren tatkräftig in der Hornmanufaktur mit.

Das Handwerk: Die Kammmacher gehören zum Berufszweig der Erzeuger kunstgewerblicher Gegenstände. In  Wien gibt es nur mehr einen Kammmacher – die  Petz Hornmanufaktur im 15. Bezirk, gegründet 1865. Mit dem Aufkommen von Plastik sind die Kammmacher verschwunden; um 1900 hat es noch Hunderte in Wien gegeben.

Das Unternehmen: Die Hornmanufaktur Petz (15., Nobilegasse 13) wird von Thomas Petz  geführt.  Kaufen kann man die Produkte  entweder unter www.petz-hornmanufaktur.at oder bei einem Partnerbetrieb.  Etwa Kämme: Walter Weiß (6., Mariahilfer Str. 33), Schmuck:  JHG Juwelier im Schottenstift (1., Schottengasse 2).

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