Nach Identitären-Demo in Wien: Aufregung um rechtsextreme Parolen

20250726 Demonstration der Identitaeren Bewegung
Passanten haben Demonstranten in der Innenstadt gefilmt, die die Parole „Ausländer raus, Deutschland den Deutschen“ skandierten. Die Polizei prüft nun die Videos.

56 Festnahmen, 200 Anzeigen, zumeist wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Versammlungsgesetz, vier wegen Sachbeschädigung, eine wegen Körperverletzung. Keine einzige wegen eines Verstoßes gegen das Verbotsgesetz. 

Was Beobachter der Demonstration, die sich am Samstag durch die Wiener Innenstadt zog, ratlos zurücklässt. Denn auf Videos, die während der Demonstration gemacht und in sozialen Netzwerken geteilt wurden, sind neben dem sogenannten „Wolfsgruß“ auch einschlägige Gesänge zu hören. 

Strafbare Parole skandiert

So tönte es in der Innenstadt laut und gut verständlich zur Musik von Gigi d’Agostini „Ausländer raus, Deutschland den Deutschen“.

Nicht das erste Mal übrigens. Zahlreiche Prozesse hat es dazu in Österreich bereits gegeben, in Tirol etwa wurde ein 26-jähriger Mann zu einer bedingten Haft und 10.800 Euro Geldstrafe verurteilt, in Oberösterreich erhält einer von drei Angeklagten nach dem Grölen des Liedes in Bad Ischl eine Diversion, ein anderer eine bedingte Haftstrafe, samt gedenkpädagogischer Führung in Mauthausen. Eine Frau wird freigesprochen. 

Polizei hat keine Parolen gehört

Ob es nach der Demonstration der Identitären in Wien auch zu Gerichtsprozessen kommt, ist offen. Zumindest will keiner der Polizisten, die den Zug begleitet haben, diese Parolen gehört haben: „Das Skandieren der Parolen wurde im Zuge des polizeilichen Einsatzes im Rahmen der Versammlung nicht festgestellt.“

Grundsätzlich sei bei größeren Versammlungen ein rechtskundiger Behördenvertreter vor Ort, der das Geschehen laufend rechtlich beurteile. 

Behörde prüft Strafbarkeit von Gesängen

Die Einschätzung bzw. Entscheidung, ob ein strafrechtlich relevantes Verhalten vorliegt, obliege nicht dem einzelnen Polizisten, sondern dem zuständigen Behördenvertreter bzw. Kommandanten, heißt es seitens der Landespolizeidirektion in einer schriftlichen Beantwortung der Frage, ob den Polizistinnen und Polizisten die Strafbarkeit dieser Parolen bekannt sei.

Darüber ist die Polizei bei den dokumentierten Videos der Ansicht, dass sich diese „im Bereich des Zu- oder Abstroms, insbesondere in der U-Bahn“, abgespielt hätte. Allerdings wurde das entsprechende Videomaterial nun an das Landesamt Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE Wien) zur rechtlichen Beurteilung und Prüfung etwaiger weiterer Maßnahmen übermittelt.

„Rechtsextremer Code“

Zur Parole „Ausländer raus, Deutschland den Deutschen“, gibt es eine umfangreiche Einordnung des Linzer Strafrechtsprofessors Johannes Dietrich. Der Jurist hat sich in seiner Analyse, die im September des Vorjahres im Journal für Strafrecht erschienen ist, entschieden festgelegt: „Wer ,Deutschland den Deutschen, Ausländer raus‘ grölt, verstößt gegen das Verbotsgesetz.“

„Nicht salonfähig“

Für ihn ist bei Personen, die im Zuge einer Demonstration der Identitären Bewegung diese Parole skandieren, auch zumindest der bedingte Vorsatz erfüllt. Dass diesen Personen die Tragweite der Aussagen nicht bekannt sei, lasse sich nicht argumentieren: „Diese Leute wissen das sehr genau.“

In einem Bierzelt wäre das hingegen „vielleicht noch erklärbar“, fügt der Jurist an und stellt klar: „Dieses Lied wurde mit diesem Text zu einem Code der rechtsextremen Szene.“ Mit dessen permanenter Verwendung sollen „die Grenzen des Verbotsgesetzes immer weiter verschoben werden“, ist Dietrich überzeugt. 

„Es bleibt zu hoffen, dass die österreichischen Strafverfolgungsbehörden die Bestimmungen konsequent umsetzen, damit derartige Sprechgesänge in Österreich nicht salonfähig werden“, hofft der Jurist. 

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