Wiener G`Schichten: Die Höllenengel von Margareten

Im 5. Bezirk haben die Wiener Hells Angels seit Langem ihr Hauptquartier. Direkt benachbart hat sich mittlerweile ein Bestattungsinstitut eingemietet. Ein Träumer, wer den Zusammenhang nicht erkennt! Eine üble Motorradbande ist das, die auf schweren Maschinen Schutzgeld erpressend und mit verbotenem weißem Pulver handelnd permanent mal hier und mal dort in Bandenkriege mit rivalisierenden Gruppen verwickelt ist. So hat sich der Kolumnist das jedenfalls ausgemalt.
Unlängst hielt er mit seinem Auto schräg vor dem Hells-Angels-Vereinslokal im Halteverbot. Er warf die Warnblinkanlage an und stieg aus dem Auto. Plötzlich sah er im Augenwinkel einen der Höllenengel schnurstracks auf sich zumarschieren. Lange Haare, voller Bart, Jeans und eine Lederjacke, den wilden Blick – da bestand kein Zweifel! – direkt auf ihn gerichtet. Der Kolumnist machte im Geiste sein Testament. (Hatte er etwa schon wieder vergessen, das Schutzgeld zu bezahlen?)
Der wüste Rocker stand mittlerweile ganz nahe, jedenfalls aber in Faustkampf-Distanz vor ihm – und erhob die Stimme: „Entschuldigen Sie, der Herr, dass ich Sie so einfach anspreche. Aber Sie stehen im Halteverbot und die Parksheriffs kontrollieren hier sehr viel. Nicht, dass Sie Ärger bekommen!“ Der Kolumnist war entsetzt und ein wenig enttäuscht zugleich: „Entschuldigen Sie?“ So spricht man in Motorradbanden heutzutage? Und wo war das Klappmesser?
Einige Wochen später kam es erneut zum Aufeinandertreffen mit einem Bandenmitglied. Der Kolumnist trat auf die Straße, um seine Tochter, die verletzungsbedingt auf Krücken ging, im Gespräch mit einem der Rocker vorzufinden: Der Mann bot ihr gerade an, sie gefahrenlos über die Straße zu bringen.
Die Moral von der Geschicht: Motorradbanden sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Und sollte der Kolumnist wieder einmal in einen Bandenkrieg verwickelt sein, ruft er nicht die Hells Angels zu Hilfe, sondern einen Parksheriff. Und dann bekommen alle so richtig Ärger!
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