"Hawara, du stichst zu?": Bester Freund wegen Mordversuchs angeklagt

(Symbolbild)
Im Alkohol- und Cannabisrausch zückte ein 31-jähriger Wiener das Springmesser. Das Täter wurde zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt; nicht rechtskräftig.

Eigentlich waren sie beste Freunde. Doch am 29. Jänner fand die Freundschaft ein jähes Ende. Ein 31-jähriger Wiener soll im Alkohol- und Drogenrausch auf seinen besten Freund eingestochen haben. Dass der Mann überlebte, war ein Riesenglück. Ein Stich verfehlte die Luftröhre nur knapp.

Am Dienstag ist der "Hawara" - wie er vom Opfer bei der Tat bezeichnet wurde - bei seinem Prozess im Landesgericht für Strafsachen in Wien nur ein Häufchen Elend. Er spricht so leise, dass ihn der Richter mehrmals auffordern muss, lauter zu reden. Dazwischen heult er Rotz und Wasser.

"Er war wie ein Bruder für mich", erklärt er. Warum er zugestochen habe, könne er sich selbst nicht erklären. "Mein Mandant hatte nie eine Tötungsabsicht. Im Gegenteil. Er hat danach alles unternommen, dass er überlebt", sagt sein Anwalt Manfred Arbacher-Stöger. Und deshalb sei es auch gar kein Mordversuch gewesen. "Aber zur Körperverletzung bekennt er sich schuldig."

Bier und Cannabis zum Frühstück

Der verhängnisvolle Jännertag hatte trist begonnen. Gegen 16 Uhr wachte der Angeklagte auf, frühstückte Bier und Cannabis. Als er Stunden später das Opfer vom Hauptbahnhof abholte, hatte er bereits einiges intus.

"Wir haben uns in den Park gesetzt, Jägermeister getrunken und gekifft", schildert der Angeklagte. Schon da kam es zum Streit. Als man zur Wohnung weiterfuhr, stritt man weiter. Worüber, das weiß der Angeklagte gar nicht mehr. Irgendwann erklärte er dem späteren Opfer: "Fahr heim zu deinen Eltern. Sei froh, dass du sie hast." Die Antwort ließ die Situation schließlich eskalieren: "Geh du zu deinem Vater."

Der Vater des Angeklagten ist bereits seit Jahren tot. Vorzeige-Vater war er keiner. "Das hat etwas ausgelöst", sagt der Angeklagte. Er griff zu einem Springmesser und stach zu. "Hawara, du stichst zu?", fragte das Opfer fassungslos. Als er die blutende Wunde am Hals sah, habe er bemerkt, was er getan habe. "Ich hab einen argen Scheiß gebaut. Wir müssen schnell sein und die Rettung rufen", erinnert sich der Angeklagte. "Nein", soll der Freund gesagt haben. "Dann kommst ins Häfn."

Fest steht, der Angeklagte rief die Rettung an. "Ich hab meinem Freund einen Stich gegeben." "Dann haben wir gemeinsam auf die Rettung gewartet. Ich hab ihm den Rücken gestreichelt. Und als er gesagt hat, dass ihm langsam kalt wird, bin ich auf die Knie gegangen und hab "Scheiße!" geschrien.

Im Gerichtssaal kam es dann zwischen Angeklagtem und Opfer zu versöhnlichen Gesten. Der 31-Jährige reichte dem Jüngeren die Hand und bat diesen unter Tränen um Entschuldigung, die der 21-Jährige akzeptierte. Als der Verteidiger vom Zeugen wissen wollte, ob er überhaupt eine strenge Strafe für seinen Freund wolle, schritt Richter Ulrich Nachtlberger ein, ehe der 21-Jährige antworten konnte: "Sonst wird das eine Soap Opera."

Dreieinhalb Jahre Haft

Der Mann ist wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Die ursprüngliche Anklage wegen versuchten Mordes wurde von den acht Geschworenen mit 4:4 Stimmen mit dem knappest möglichen Quorum verneint.

Zusätzlich wurde der laut einem psychiatrischen Gutachten erheblich gestörte Mann aufgrund einer ihm inne wohnenden Gefährlichkeit in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Das Opfer bekam 2.540 Euro an finanzieller Schadensgutmachung zugesprochen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

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