Wie ein Grüner Oben-ohne-Politik für "echte Männer“ macht
Theo Löcker zeigt gerne, was er hat. Auf Social Media sieht man den 21-Jährigen mal gekonnt beim Handstand, mal beim Joggen über die Wiener Donauinsel, mal beim Baden in einem See. Was den Videos gemein ist: Löcker ist oben ohne. Er präsentiert seinen durchtrainierten Oberkörper durchaus selbstbewusst. So weit, so gewöhnlich. Wäre Löcker nicht ganz zufällig Politiker und als solcher seit Mai dieses Jahres grüner Mandatar im Wiener Gemeinderat.
Auf Social Media zeigt Theo Löcker gerne Oberkörper – im Gemeinderat trägt er lieber Anzug.
Jungpolitiker, die nicht mit ihren Reizen geizen, das kennt man in der Partei schon. Zuletzt ging das Experiment eher schlecht aus. Erinnern Sie sich noch an Julian Schmid? Das war jener Nationalratsabgeordnete, der sich im Wien-Wahlkampf 2015 übersäht mit Lippenstift-Kussmünder plakatieren ließ. Er sei „Öffi für alles“, stand auf dem Plakat. Die Aufregung war groß.
Die (drei Jahre zuvor von Rot-Grün eingerichtete) Werbewatchgroup schaltete sich ein und warf den Grünen die „Sexualisierung des Mannes“ vor. Im Nationalrat wiederum fiel Schmid, der damals mit 24 Jahren der jüngste Abgeordnete war, dadurch auf, nicht aufzufallen. Außer mit seinem Kapuzenpulli, der Kritikern damals zu wenig standesgemäß erschien. (Irgendwann entschwand Schmid unbemerkt aus der Politik.)
Anzug oder nichts
Kussmünder hat Theo Löcker zwar keine im Gesicht, Kapuzenpulli trägt er auch keine. Wenn er nicht nichts trägt, tritt er im Anzug vor die Kamera oder den Gemeinderat. Sonst aber sind die Parallelen nicht zu leugnen. Auch Löcker ist der jüngste Abgeordnete – und auch er versucht, aufzufallen. Er wolle, sagt er im Gespräch mit dem KURIER, „aus dem klassischen Image eines Grünen ausbrechen“. Sein Mittel der Wahl: „Ich spiele mit Klischees.“ In seinem Fall: jenem des „dummen Pumpers“, also des Bodybuilders.
Ansprechen würde er mit seinen Videos – und das zeigt sich auch mit Blick auf seine Follower auf Instagram – nicht Frauen, sondern junge Männer. Eine Zielgruppe, mit der sich die meisten Parteien, die FPÖ ausgenommen, seit geraumer Zeit schwertut. „Viele Burschen sind in einer Identitätskrise“, sagt Löcker. Alte Rollenbilder sind in den vergangenen Jahren ins Wanken geraten. Was ist heute ein echter Mann?
Was Löcker seinen Followern sagen will: „Du kannst gerne trainieren, um dich stärker zu fühlen – aber du musst auch mit deinen Bros über Gefühle reden.“ Das zu vermitteln, „geht auf Social Media besser als vom Rednerpult des Gemeinderats aus“.
"Unsicherheit junger Männer"
Und tatsächlich irritieren Löckers Videos auch deshalb, weil er mit Bild-Text-Scheren arbeitet: Während er also im Handstand die Rückenmuskulatur spielen lässt, kritisiert er die Fitnessindustrie, die an der „Unsicherheit junger Männer“ profitiere und ihnen vorgaukele, sie müssten „ihre Gefühle unter einem Berg Muskeln verstecken“. Aber „dadurch“, sagt Löcker (der eigenartigerweise kopfüber ganze Texte flüssig aufsagen kann, während er im Handstand in die Kamera blickt), „wirst du aber kein richtiger Mann, sondern vor allem ein Arschloch“.
Auch über den Monat der Männergesundheit spricht er in seinen Videos, über Einsamkeit, über den Weltmännertag, über Feminismus und Suizidraten bei Männern. „Das war zuletzt eines meiner bestgeklickten Videos“, sagt er. „Obwohl ich etwas anhatte.“
Politisch sozialisiert wurde Löcker früh – nämlich in der Familie, in der christlich-konservative auf tiefrote Überzeugungen treffen. „Bei uns wurde immer viel über Politik gesprochen“, sagt Löcker. Und darüber, dass man sich für die Dinge, die einem wichtig seien, einsetzen müsse.
Löcker wurde in seiner Schule zuerst Klassen-, dann Schulsprecher. „Bei der ersten Wahl“, erinnert er sich, „hab ich mit Bomben und Granaten verloren“. Sein Gegenkandidat habe mit dem Wahlversprechen, für gratis Kebap und Dreh & Drink zu sorgen, gewonnen. „Im nächsten Jahr habe ich gewonnen“, sagt Löcker. „Denn es hat – Überraschung! – nach der Wahl gar kein Dreh & Drink für alle gegeben.“
Die neue Generation
Löcker engagierte sich als Mitbegründer der Schülervereinigung „Verde“ und leistete seinen Zivildienst bei der Wiener Obdachlosenhilfe. Spätestens dort war ihm klar: Man dürfe „das Elend nicht nur verwalten“. Er stieg in die Politik ein, zuerst als Bezirksrat am Alsergrund, im April stand er dann auf der Grünen Landesliste zur Wahl, auf der er auf den siebten Platz geschafft hatte. In der Partei ist er Teil einer neuen Generation, auf die die beiden Parteichefs Judith Pühringer und Peter Kraus verstärkt setzen wollen, was freilich nicht ganz ohne Gegenwehr der älteren über die Bühne geht. Zuletzt wurde Langzeit-Klubchef David Ellensohn (62) durch Georg Prack (42) ersetzt; die wichtigen Budget-Agenden des langjährigen Abgeordneten Martin Margulies liegen jetzt bei der 32-jährigen Theresa Schneckenreither. In Margareten steht der 33-jährige Michael Luxenberger als grüner Bezirksvorsteher an der Spitze. Löcker verantwortet die Themen Jugend, Digitalisierung und Sport.
Prägend war für Löcker übrigens seine Beziehung zum konservativen Großvater: „Ich habe mich oft gefragt: Ich hab dich wahnsinnig lieb und du bist der beste Opa, aber du siehst alles so anders als ich – wie kann das sein?“ In Menschen mit anderen Weltanschauungen das Positive zu suchen, das wolle Löcker auch in der Politik beibehalten, sagt er.
Apropos Familie: Dass er neben seinem Mandat im Gemeinderat sein Geschichtsstudium an der Uni Wien vorantreiben werde, das habe er übrigens „der Mama und dem Papa versprochen“.
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