Freispruch: Frau widerrief Aussage, dass Freund sie täglich schlug

Ein Lkw ist am Mittwoch im Tiroler Ötztal (Bezirk Imst) von der Fahrbahn abgekommen, einen Abhang hinabgestürzt und kopfüber in den Bäumen hängen geblieben.
Bei der Anzeige zeigte die Frau Bilder mit Verletzungen. Vor Gericht gab sie nun an, gelogen zu haben. Der Angeklagte wurde freigesprochen.

Für mehr finanzielle Mittel zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen hat sich zuletzt der Österreichische Frauenring ausgesprochen, der Bundesverband der Gewaltschutzzentren hat eine Nachschärfung bei der verpflichtenden Gewaltpräventionsberatung für so genannte Gefährder verlangt.

Dass man mit legistischen Mitteln mitunter an Grenzen bei der Hilfestellung für von Gewalt Betroffene stößt, hat sich an einem Fall gezeigt, der am Mittwoch in Wien verhandelt wurde.

Am Landesgericht für Strafsachen musste sich ein 17-Jähriger wegen fortgesetzter Gewaltausübung (§ 107b StGB) verantworten, weil er laut Anklage seine Freundin von Mitte Juni 2022 bis Ende September 2023 beinahe täglich geschlagen haben soll. 

Am 27. September ging die 26-Jährige zur Polizei und erstattete Anzeige, wobei sie auf ihrem Handy abgespeicherte Fotos vorlegte, die Blutergüsse, Abschürfungen, Schwellungen und Bisswunden belegten. 

Sie gab an, ihr Partner habe ihr immer wieder Faustschläge ins Gesicht verpasst, in den Bauch getreten, sie gewürgt und sich ein Mal mit beiden Beinen auf ihr Gesicht gestellt, bis sie am Boden liegend das Bewusstsein verlor. 

Angeklagter beteuerte Unschuld

"Ich bekenne mich nicht schuldig. Wir hatten öfter Streit. Ich habe sie nie geschlagen", sagte der Angeklagte. Die Angaben der 26-Jährigen auf einer Polizeiinspektion erklärte er wie folgt: "Ich habe sie rausgeschmissen. Da ist sie zur Polizei gegangen, um mich aus Rache anzuzeigen." Im Ermittlungsverfahren hatte der 17-Jährige die Frau als "emotionale Person" bezeichnet, die "sehr eifersüchtig" und "leicht aufzubringen" sei.

Richterin Martina Frank legte dem bisher Unbescholtenen, der seinen eigenen Angaben zufolge seinen Lebensunterhalt mit finanziellen Unterstützungen seiner Mutter bestreitet, die Fotos der verletzten Frau vor. 

"Schauen Sie, da ein eindeutiges Hämatom hinten am Ohr. Da ein blauer Fleck auf der Wirbelsäule. Da ein riesiger blauer Fleck auf dem Arm. Da große blaue Flecken am Arm und an den Schultern. Da Bisse am Unterarm, man erkennt die obere und die untere Zahnreihe", ging die Richterin die einzelnen Bilder durch, die für eine wiederholte, massive Gewalteinwirkung sprachen.

"Diese Flecken hat sie aus Serbien. Sie hat sich mit einer Bekannten gestritten", antwortete der 17-Jährige. Woher die Bissspuren rührten, wisse er nicht. 

"Ich wollte mit ihr Schluss machen"

"Ich wollte mit ihr Schluss machen. Da hat sie gesagt, sie wird mich anzeigen. Ich hab' mir gedacht, das ist ein blöder Spaß. Dann ist aber wirklich die Polizei zu mir gekommen", bemerkte der Angeklagte noch, ehe er beiläufig erwähnte, dass er mit der 26-Jährigen, mit der er 2021 eine Beziehung eingegangen war, wieder zusammen sei.

 Auf die Frage der Richterin, ob diese Kinder habe, erwiderte der Angeklagte: "Zwei Stück." Die seien aber nicht von ihm, sondern aus einer vorangegangenen Beziehung.

Frau versuchte die Anzeige zurückzuziehen

Tatsächlich hatte die 26-Jährige versucht, ihre Anzeige zurückzuziehen, indem sie zunächst am 24. Jänner eine Mail an die Staatsanwaltschaft verfasste und dabei betonte, dass sie wieder mit ihrem Ex-Freund liiert sei und diesen demnächst heiraten wolle. 

Als die Hauptverhandlung ausgeschrieben wurde und sie eine Zeugenladung erhielt, mailte sie der Richterin und kündigte an, sie werde "keinesfalls zu Gericht kommen" und den Angeklagten nach dessen 18. Geburtstag "standesamtlich heiraten". Darauf wurde sie belehrt, dass sie polizeilich vorgeführt werde, sollte sie ihrer Ladung nicht nachkommen.

Als sie nun am Zeugenstuhl Platz nahm, wollte sich die 26-Jährige gleich ihrer Aussage entschlagen, musste sich aber seitens der Richterin anhören, dass das in ihrem Fall aus rechtlichen Gründen nicht möglich sei.

"Sie wohnen nicht an derselben Adresse. Sie haben daher keinen gemeinsamen Haushalt mit ihm. Sie bestreiten derzeit nicht gemeinsam den Lebensunterhalt. Er kriegt das Essen von seiner Mutter", fasste die Richterin die Aussagen zusammen, die sie zuvor in der Beschuldigteneinvernahme erfragt hatte. "Sie müssen aussagen", meinte sie daher in Richtung der 26-Jährigen.

Darauf hin gab die Zeugin Folgendes zu Protokoll: "Ich wollte sagen, dass ich bei der Polizei gelogen habe, weil ich sehr wütend war, dass wir uns getrennt haben." Sie sei damals "sehr böse" gewesen und habe sich "nichts dabei gedacht". Sie habe "ihm Probleme machen" wollen. 

Verletzungen in Serbien zugezogen

Daran anschließend bekam auch sie die Fotos mit den dokumentierten Verletzungen zu sehen. "Das war in Serbien. Das hat er nicht gemacht", versicherte die Zeugin unter Wahrheitspflicht. Sie sei "von einer Frau" verletzt worden, den Namen wolle sie nicht nennen: "Das stammt nicht von ihm." 

"Und jetzt ist alles gut?", fragte die Richterin. "Ja", meinte die Zeugin, wobei sie den Blick des Angeklagten suchte und den leisen ironischen Unterton der Richterin überhörte.

"Sie kriegen einen Strafantrag", schaltete sich darauf hin die Staatsanwältin ein und beantragte umgehend eine Protokollabschrift mit den Angaben der 26-Jährigen. 

Freispruch und mögliche Anklage

Sie werde sie wegen falscher Zeugenaussage belangen, kündigte die Anklägerin an. "Dafür können Sie ins Gefängnis gehen", unterrichtete sie die Zeugin. In ihrem Schlussvortrag sprach die Staatsanwältin von einem "Paradefall, wie ich ihn schon 15 Mal erlebt habe. 

Er wird freigesprochen werden. Nicht, weil er es nicht gemacht hat. Sondern weil wir es ihm nicht beweisen können".

Genau so kam es auch. Der 17-Jährige wurde rechtskräftig freigesprochen. Außer den Angaben der Zeugin gebe es "kein weiteres Beweismittel, das den Strafantrag untermauern würde. Die Frau hat ein Strafverfahren zu erwarten. Mehr kann man dazu nicht sagen", bemerkte die Richterin.

Gemeinsam verließen der 17-Jährige und seine Partnerin den Gerichtssaal. Draußen forderte der Verfahrenshelfer des 17-Jährigen diesen auf, sich bei der Frau zu bedanken. Zu dieser bemerkte der Anwalt, sie sei nun in einer "schwierigen Situation, da kann man nichts machen. Wundern Sie sich nicht, wenn etwas (gemeint: ein Strafantrag wegen Falschaussage, Anm.) kommt. Stellen Sie sich dem".

Kommentare