Warum jetzt "Männer" in der Wiener Frauenliga mitkicken dürfen

Am Sonntag ging die Frauen-EURO mit dem Finale zwischen England und Spanien zu Ende. Das Turnier war wieder ein starkes Zeichen für den Frauenfußball, der sich in den vergangenen Jahren – nach langer Zeit der Ablehnung und Missachtung – seinen Platz erkämpft hat. Auch in Wien boomt der Frauen- und Mädchenfußball, und doch ist an der Basis unüberhörbar ein Murren zu vernehmen. Denn mittlerweile sind auch Transgender-Personen, die körperlich und biologisch gesehen Männer sind – spielberechtigt. Möglich macht es eine Lücke im Regulativ, die der Verband aber dringend schließen möchte.
Männliche Gesichtszüge
Dem KURIER liegen die Daten von mehreren Akteuren vor, die zwar Spielerpässe als Frauen haben, aber eindeutig männliche Gesichtszüge oder auch Bartwuchs aufweisen (siehe Info-Box). Sie spielen übrigens nicht in einer Jux- oder Hobbyliga, sondern teilweise sogar in der Frauen-Landesliga, immerhin die dritthöchste Spielklasse Österreichs (dort, wo Rapids Damen-Elf gerade Meister wurde). Auffällig ist, dass manche aus Deutschland kommen, wo es seit dem Vorjahr per Selbstbestimmungsgesetz leicht möglich ist, sein Geschlecht selbst zu definieren und zu wechseln. Und alle sind für nur einen Klub tätig, der die vergangene Saison durchaus erfolgreich absolviert hat.
Globale Debatte
Um die Problematik zu verstehen, muss man etwas weiter ausholen – denn das Eindringen von männlich konnotierten Transpersonen in den Frauensport ist ein globales und höchst kontroversiell diskutiertes Thema. Es prallen zwei unterschiedliche Sichtweisen aufeinander: Hier wird Fairness, Chancengleichheit und Schutz im Frauensport eingefordert, der ohnedies vielfach unter männlicher Dominanz leidet; dort die vollkommene Gleichberechtigung und der Zugang für alle selbst-definierten Geschlechter-Identitäten.
Zuletzt sorgten Fälle in der Leichtathletik, im Boxen oder Gewichtheben für Aufregung, weshalb sich die großen Weltverbände längst ein Regulativ zur Wahrung der Integrität zugelegt haben. Nicht so der Weltfußballverband FIFA, der zwar selbiges angekündigt hatte, aber bisher tatenlos geblieben ist. Weshalb manche Länder eigene Schranken aufgezogen haben: England hat etwa erst im Frühjahr Transfrauen aus Frauenteams kategorisch ausgeschlossen. Und Österreich? Der ÖFB betont, dass es um eine sensible Thematik gehe – „sowohl aus sportlicher als auch gesellschaftlicher Sicht“. „Aktuell gilt: Personen mit einem amtlichen Ausweis, in dem das Geschlecht ,weiblich‘ eingetragen ist, sind grundsätzlich für Frauenbewerbe spielberechtigt“, erklärt Sprecherin Iris Stöckelmayr. Mangels Vorgaben der FIFA beobachte man „die internationale Entwicklung genau“; sollten sich die Rahmenbedingungen ändern, werde man die Thematik „neu bewerten“.
Angst vor Verletzungen
Da also ein bloßer Ausweis mit dem Geschlechtseintrag reicht, sind dann etwa dem Wiener Verband die Hände gebunden und er hat die Spieler im Frauenbereich zu akzeptieren, wie Karl Frank, Obmann des Frauenausschusses, skizziert. Er pocht daher auf eine Änderung: „Der ÖFB wird sich endlich mit dem Thema beschäftigen müssen, denn es wird immer mehr solche Fälle geben und es ist ja überall auf der Welt in Diskussion. Da gehört eine Regelung gemacht – in welche Richtung auch immer.“
Denn natürlich gäbe es da bei Kickerinnen Bedenken, wenn „Männer“ als Gegner auf dem Platz stünden – vor allem wegen der drohenden Verletzungsgefahr; oder wenn dann (ein fiktives Beispiel) „eine Frau mit Bart drei Tore schießt. Dann gehen die Emotionen hoch“, sagt Frank. Noch seien die betroffenen Vereine in den Spielklassen sehr aufgeschlossen und zurückhaltend, um nicht als transphob zu gelten. „Aber das kann kippen.“
Eine Lösung könnte sein, eine gemischte Männer/Frauen-Liga einzuführen oder eine offene Klasse für alle Geschlechter-Identitäten. „Das wird irgendwann sowieso kommen“, glaubt der Obmann.
Verein will mehr Öffnung
Eine Funktionärin des betroffenen Klubs möchte weder ihren noch den Namen des Vereins im KURIER lesen. Auch sie fordert vom ÖFB „bessere Richtlinien“, die allerdings noch mehr Rechte für Transgender beinhalten und das deutsche Modell nach Österreich bringen sollten: Im DFB dürfen trans-, intergeschlechtliche und nicht-binäre Personen im Amateurbereich frei wählen, ob sie in der Frauen- oder Männersektion mitspielen wollen. Und wie ist es dann um die Fairness bestellt? Wäre das nicht das Ende des Frauenfußball? Nein, findet die Funktionärin. „Man muss das Bild durchbrechen, dass es da um Fairness geht. Es geht um diskriminierungsfreie Teilnahme am Breitensport.“
Spielerlaubnis
Derzeit gilt laut ÖFB-Statut: Können Akteure einen Ausweis mit dem Geschlechtseintrag „weiblich“ vorlegen, sind sie in Frauenteams spielberechtigt. Die in Österreich möglichen Einträge „divers“, „inter“ oder „offen“ reichen dafür nicht aus.
Transfrauen
Möglich ist daher, dass biologische Männer, die den Personenstand auf „weiblich“ geändert haben, spielberechtigt sind. Eine Geschlechts-OP ist dafür keine Voraussetzung mehr.
Transmänner
Es gibt aber auch biologische Frauen, die eine Transition zu einem Mann durchführen und Hormone nehmen. Ändern sie Personenstand/Eintrag im Spielerpass nicht, dürfen sie weiter im Frauenbereich kicken.
22 Frauen-Teams
gibt es aktuell im Wiener Fußballverband – von der Austria bis zum SC Pötzleinsdorf. Fast 2.000 weibliche Aktive kicken schon in Wien.
Kritik an Rapid und Co.
Kritik übt sie zudem an Landesliga-Meister Rapid, der kraft seiner Mittel zuletzt beim Duell mit vier Trainern angerückt sei: „Das ist ja auch kein fairer Wettbewerb!“ Zudem sei es eine Mär, dass Transfrauen einen Vorteil hätten: „Nicht alle sind größer, schneller, besser.“ Daher versuche man, die Gegnerinnen im Vorfeld zu informieren und aufzuklären – was aber „unterschiedliche Reaktionen“ hervorrufe.
Schlimm gehe es mitunter auf den Rängen zu, von wo sich die Akteure „arge Sachen“ anhören müssten. Wäre es nicht auch deshalb sinnvoller, dass die Trans-Kicker in Hobby-Ligen (etwa Wiens „Wilde Liga“) ihren Sport ausüben? Nein, denn zum einen wollten viele „Wettbewerb und Leistung“, zum anderen müsse sich eben das System ändern. Und Feministinnen, die das anders sehen und den Frauensport schützen wollen, „können mich so was von“, kontert die Funktionärin.
Deftige Worte. Der KURIER hat auch Wiens Sportstadtrat Peter Hacker (SPÖ), der von den Fällen nichts wusste, dazu befragt: Er werde sich da nicht einmischen, „aber ich finde es persönlich komisch“, sagt er.

Auch im Frauen-Amateurbereich kann es hart zur Sache gehen.