"Feuerkrieg Division": Wiener Rechtsextremer wieder auf freiem Fuß
Am 1. Juli ist ein Ex-Mitglied der rechtsterroristischen "Feuerkrieg Division" (FKD) am Wiener Landesgericht wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung, krimineller Vereinigung, Verhetzung und Aufforderung zur mit Strafe bedrohten Handlungen nicht rechtskräftig zu zwei Jahren Haft, davon acht Monate unbedingt verurteilt worden. Bereits sechs Wochen später wurde der von der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) als "Gefährder" Eingestufte enthaftet.
Der 21-jährige Rechtsextreme befinde sich seit vergangenem Montag wieder auf freiem Fuß, bestätigte Gerichtssprecherin Christina Salzborn Freitagmittag Informationen der APA. "Einem Enthaftungsantrag des Verteidigers wurde am 12. August Folge gegeben. Der junge Mann wurde gegen gelindere Mittel enthaftet", sagte Salzborn. Dem 21-Jährigen sei die Weisung erteilt worden, seine Termine bei der 'Beratungsstelle Extremismus' weiter einzuhalten und entsprechende Nachweise regelmäßig dem Gericht zu schicken.
Hintergrund der Entwicklung, die insofern überraschend kommt, als der Rechtsextreme den unbedingten Strafteil auch unter Einrechnung der U-Haft bei weitem nicht verbüßt hat: das Erstgericht hatte sich beim Strafrahmen geirrt. Bei der Strafbemessung wurde irrtümlich von einer Strafdrohung von bis zu zehn Jahren ausgegangen. In Wahrheit wären höchstens fünf Jahre in Betracht gekommen.
Die Staatsanwaltschaft Wien, die Rechtsmittel gegen das Ersturteil angemeldet hatte, brachte beim Obersten Gerichtshof (OGH) eine Nichtigkeitsbeschwerde zugunsten des Angeklagten ein, nachdem der Irrtum bemerkt wurde. Über diese Nichtigkeitsbeschwerde wurde laut Salzborn vom OGH noch nicht entschieden.
Geständig
Der Verteidiger des 21-Jährigen entschloss sich dessen ungeachtet, die Enthaftung seines Mandanten zu beantragen. Er verwies darauf, dieser hätte bei einer potenziellen Strafdrohung von höchstens fünf Jahren mit zwei Jahren als Ersttäter und im maßgeblichen Tatzeitpunkt noch Jugendlicher eine sehr hohe Strafe ausgefasst.
Seine weitere Inhaftierung sei "unverhältnismäßig", zumal das Erstgericht bei dem jungen Mann keine besondere Gefährlichkeit angenommen habe. Mit dieser Argumentation hatte der Anwalt Erfolg, seinem Begehren wurde Folge gegeben.
Der 21-Jährige hatte in seiner Geschworenenverhandlung ein Geständnis abgelegt, aber von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Anstatt sich einer richterlichen Befragung zu stellen, verlas der Angeklagte ein von ihm handschriftlich vorbereitetes schriftliches Statement und erklärte, er wolle darüber hinaus keine weiteren Angaben machen.
Der Absolvent einer Wiener HTL, der zuletzt an einer FH studiert hatte, hatte sich im Alter von 17 der "Feuerkrieg Division" angeschlossen. Die gewaltaffine, rechtsterroristische Neonazi-Gruppierung umfasste europaweit bis zu 70 junge, oft noch jugendliche Männer, propagierte einen "Rassenkrieg" und "weißen Jihadismus" und befürwortete Attentate auf Synagogen und Moscheen. Auch von Anschlägen auf jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger war explizit die Rede.
Er sei Ende 2019 der "Feuerkrieg Division" - einem Ableger der in den USA gegründeten "Atomwaffen Division" - beigetreten, weil er sich alleine gefühlt hätte und an seiner Schule gemobbt wurde, machte der Angeklagte in seiner Verhandlung geltend. Er habe Anerkennung gesucht und inzwischen sämtliche Kontakte "zum rechtsradikalen Personenkreis eingestellt", versicherte er vor sechs Wochen den Geschworenen.
Bei einer Hausdurchsuchung im Mai 2023 waren bei dem Burschen aus Wien-Favoriten neben einschlägigem Propagandamaterial und NS-Devotionalien Schusswaffen, eine schusssichere Weste, ein Messer und eine Gasmaske sichergestellt worden.
Laut Anklage rief er im bezeichnenderweise "Riot" ("Aufstand") genannten Netzwerk der "Feuerkrieg Division" von Dezember 2019 bis zum Februar 2020 in Chats zu Anschlägen gegen jüdische Personen und Einrichtungen, Moslems, anderen Minderheiten und "ethnischen Säuberungen" in Europa auf, verbreitete Anleitungen zum Bombenbauen und Herstellen von Schusswaffen. Er verherrlichte auch den rechtsextremen Attentäter von Christchurch, der im März 2019 mit Schusswaffen insgesamt 51 Menschen getötet hatte.
Selbst ein terroristisches Attentat geplant zu haben, warf der Staatsanwalt dem Angeklagten nicht vor. Entsprechende Indizien ließen sich im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nicht nachweisen. Die DSN hatte den 21-Jährigen im Vorjahr in einer eingehenden Analyse allerdings als "Gefährder" eingestuft.
"Ausgeprägte Waffenaffinität"
Der 21-Jährige sei in der rechtsextremen Ideologie "tief verwurzelt". Dem jungen Mann wurden eine "ausgeprägte Waffenaffinität" und "Gewalt- und Allmachtsfantasien" bescheinigt. "Er teilte mehrere Dateien, die eine rechtsextreme Radikalisierung, Waffenbau, Fallenbau, Unterlagen zu Guerilla-Kriegen sowie Anleitungen zum Aufbau und zur Führung von paramilitärischen sowie nichtmilitärischen Organisationen zum Thema hatten.
Darüber hinaus wurden Anleitungen für Waffenmodifikationen mittels 3D-Drucker mit den radikalen FKD-Mitgliedern geteilt", heißt es im Verfassungsschutzbericht 2023 über den Angeklagten.
Von den Verfassungsschützern sichergestellte Chats machten das Gewaltpotenzial deutlich, das zumindest im Tatzeitraum in dem jungen Mann steckte. "Soll ich mit den dreckigen Muslimen beten oder mich unter die Juden mischen, wenn sie eines ihrer Treffen abhalten, und ihm eine explosive Wendung geben?", fragte er einen seiner Gesprächspartner.
An einer anderen Stelle riet er: "Oder du mixt einfach Bleiche mit Ammoniak in einer Flasche, schüttelst es ein bisschen und wirfst es in eine Gruppe von Juden." Bei der Mischung wird tödliches Chlorgas freigesetzt. An einer anderen Stelle fantasierte der junge Mann, bald werde "die Zeit kommen", um "die Juden in die Schranken zu weisen".
Kontakte zu Identitäre
Ungeachtet seiner damit belegten antisemitischen Einstellung war der 21-Jährige im Rahmen eines mehrmonatigen Assistenzeinsatzes beim Bundesheer zum Objektschutz bei jüdischen Einrichtungen in Wien-Leopoldstadt abgestellt. Der junge Rechtsextreme, der auch wegen Leugnung des Holocaust verurteilt wurde, sicherte zwischen 4. und 31. Juli 2022 mit einer geladenen Waffe im Auftrag der Republik Einrichtungen der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG). Konkret zählten dazu eine Volksschule, eine Mädchenschule, ein Kindergarten und Gebetsräume. Während seines Assistenzeinsatzes gehörte der Angeklagte der Kaderpräsenzeinheit (KPE) Garde an.
Aus dem aktuellen Verfassungsschutz geht übrigens auch hervor, dass der Angeklagte an Treffen der Identitären Bewegung Österreich (IBÖ) teilgenommen hatte. Im August 2020 war er bei einem so genannten Stammtisch der von Martin Sellner gegründeten Nachfolgeorganisation "Die Österreicher DO5" dabei. Als dieser von Linken angegriffen wurde, soll der Angeklagte ein Messer bzw. einen messerähnlichen Gegenstand gezogen und die Angreifer damit abgewehrt haben.
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