Als Landei fehlen mir ein bisserl die Berge und ein See. Und dann gibt es zu viele Autos in der Stadt. Das ist ein Wahnsinn! Da gibt es immer noch Leute, die fahren auch die ganz kurzen Wege mit dem Auto, und Eltern, die würden ihre Kinder am liebsten mit ihrem Wagen bis in das Klassenzimmer bringen.
➤ Eine Tonne für (fast) alles: In Wien ändert sich die Mülltrennung
Sind denn die Wiener und Wienerinnen hilfsbereit?
In meinem privaten Umfeld sind alle Menschen hilfsbereit. Ob das auch für die ganze Stadt gilt? Wohl eher nicht. Ich habe den Verdacht, dass die Hilfsbereitschaft immer dann sehr groß ist, wenn auch die Kameras da sind. Und das kann auch – wie wir nicht zuletzt in der Pandemie gesehen haben – ganz schnell kippen. Wobei: Wir Wiener Müllaufleger haben während Corona auch wirklich Berührendes erlebt.
Und zwar?
Ich erinnere mich noch an die Kinderzeichnungen, die auf den Behältern lagen. Als eine Art Dankeschön für unsere Arbeit. Die Kinder haben schon am Fenster auf uns gewartet. Für sie waren wir eine willkommene Abwechslung in der Zeit, als sie zu Hause bleiben mussten. Das wollten sie uns offenbar mitteilen. Auch das ist Wien.
➤ Müllaufkommen in der Wiener Kläranlage um 335 Tonnen reduziert
Was sagen Sie zur Gesundheitsversorgung in Wien?
Da sind wir top-top-top in Wien. Der Mann von meiner Schwester stammt aus Indien. Sie hat erzählt, dass man dort mit einer schweren Magen-Darm-Infektion nicht sofort mit der Rettung in ein Krankenhaus gebracht wird und dass es auch die Frage ist, ob man überhaupt behandelt wird. Es ist aber auch kein Geheimnis, dass das Personal in unserem Gesundheitsbereich ziemlich drankommt, weil es an Planstellen fehlt.
Traditionell ein Reizthema in Wien: der Verkehr. Was ist Ihre Meinung?
Im Sommer ist Wien eine einzige Baustelle. Egal ob West- oder Südausfahrt: Da stehst du dich aus der Stadt hinaus. Ich bin ein Fan der Wiener Linien und von dem dichten Netz an öffentlichen Verbindungen. Ich bin mir auch sicher, dass viele Autofahrer in Wien keine Zeit verlieren würden, würden sie mit den Öffentlichen fahren.
Stichwort Klimawandel: Wie sieht das jemand, der im Sommer der Hitze besonders ausgesetzt ist?
In der Früh geht’s noch, aber gegen Mittag wird es für uns brutal. Es ist ja nicht nur die Hitze. Nach Tagen mit extremer Hitze kommen Starkregen und Gewitter. Das Klima ist wie unsere Gesellschaft: Es gibt kein Mittelmaß mehr, es gibt nur mehr extrem in die eine Richtung und extrem in die andere Richtung.
Macht die Stadt genug gegen den Klimawandel?
Also die Sprühanlagen und die Trinkwassersäulen finde ich grundsätzlich gut. Ob genug gemacht wird? Das traue ich mich jetzt nicht zu beurteilen. Sicher ist nur, dass jeder Einzelne etwas zum Klimaschutz beitragen kann.
Und zwar?
Wenn ich sehen muss, wie viele noch genießbare Lebensmittel wir täglich wegbringen, dann müsste hier längst ein Umdenken einsetzen. Auch die Moral, den Müll zu trennen, darf gerne besser werden. Die ist zuletzt besser geworden, aber da gibt es bitte noch viel Luft nach oben.
Im kommenden Jahr wird in Österreich gewählt. Wie steht es eigentlich mit dem Demokratieverständnis Ihrer Landsleute?
Ich glaube, dass es uns allen mehr bewusst sein müsste, wie wichtig es für unser Land und auch für unser Zusammenleben ist, dass wir wählen dürfen. Und ich befürchte, dass das vielen nicht bewusst ist. Es ist notwendig, dass sich jeder von uns genauer und nicht nur in den sozialen Medien informiert, um sich seine eigene Meinung zu bilden. Ich muss zugeben, dass ich auch selbst nicht gut genug informiert bin. Denn eines ist mir schon bewusst: Das ist eine Hol- und keine Bringschuld.
Kommentare